Schutzbekleidung wird teurer
Wenn am 18. Oktober die Messe A+A 2011 in Düsseldorf ihre Tore öffnet, wird sich mancher Besucher wohl über stark gestiegene Preise von Schutzbekleidung aller Art wundern. Hierbei handelt es sich um Auswirkungen der Flutkatastrophe in Pakistan im Jahr 2010. Denn Ernteausfälle bei Baumwolle führten zu einer generellen Preissteigerung bei Materialien für Schutzbekleidungen. Und die weitere Preisentwicklung bleibt ungewiss.
Ein Drittel der weltweiten Baumwollernte war im vergangenen Jahr durch die Wassermassen in Asien vernichtet worden. „Die Chinesen kauften die noch verfügbaren Mengen auf und trieben den Preis binnen kurzer Zeit von 0,46 € auf 1,61 € pro angloamerikanischem Pfund (lb, 1 lb = 453 g) in die Höhe“, erklärt Andreas Reiz, Geschäftsführer der Werner Reiz GmbH, eines Herstellers von Berufs- und Schutzbekleidung im hessischen Gelnhausen.
„Um bis zu 25 % wurden textile Produkte der Berufs- und Schutzbekleidung seitdem teurer und deren Lieferzeiten haben sich bei speziellen Anfertigungen sogar verdreifacht“, sagt Michael Lütge, Geschäftsführer des auf strategische Beschaffung spezialisierten Beratungsunternehmens Costconsult in Hamburg. Wer sich nicht mit langfristigen Verträgen abgesichert habe und die Schutzausrüstungen für seine Mitarbeiter ad hoc bestelle, müsse tiefer in die Tasche greifen.
Steigende Rohstoffpreise machen Schutzbekleidung teurer
Der Rohstoff Baumwolle hat einen erheblichen Anteil an Konfektionsteilen; der Materialverbrauch macht ca. 40 % der Herstellungskosten aus. Doch selbst dort, wo die Baumwolle den geringeren Faseranteil des Gewebes stellte, stiegen die Preise für die Stoffe um bis zu 30 %, wie aus dem „Marktmonitor Berufs- und Schutzkleidung 2011“ der BBE-Handelsberatung, München, hervorgeht.
Vor diesem Hintergrund erwies sich die anziehende Konjunktur als zweischneidiges Schwert. Das von den deutschen Produzenten für das 1. Halbjahr 2011 gemeldete, auf den ersten Blick erfreuliche Umsatzplus von durchschnittlich 15 % sei auch eine Folge der Preissteigerungen, erläutert Thomas Lange, Geschäftsführer des Branchenverbandes German Fashion.
Einige Hersteller und Vertreiber müssen nun aufgrund ihrer Lieferverpflichtungen teurer ein- als verkaufen, so der Verband Technischer Handel. Allerdings laufen viele dieser Verträge spätestens zum Jahresende aus. Eine langfristige Einkaufsplanung ist kaum möglich. Hersteller können nicht einmal die üblichen monatlichen Neuauflagen ihrer Prospekte und Preislisten drucken.
Schutzbekleidung: Baumwollindustrie rechnet mit weiter steigenden Preisen
Gespannt wartet man auf die Baumwollernte in diesem Herbst. Allzu große Hoffnungen sind allerdings nicht angebracht. Das International Cotton Advisory Committee (ICAC), der internationale Zusammenschluss der Baumwollindustrie, rechnet laut aktueller Verlautbarung nach einem leichten Produktionsüberschuss in der laufenden Saison bereits im nächsten Frühjahr mit „Angebotsdefiziten, die die Preise wahrscheinlich nach oben treiben“.
Ursache ist nicht nur die künstliche Verknappung durch Spekulation oder Eigenbedarf in den wachstumsstarken Hauptlieferländern Indien, Pakistan und Bangladesch. Die Preise werden auch durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Umweltschutzgesetzgebung und Lohnentwicklung beeinflusst. Letzteres macht sich auch auf dem Beschaffungsmarkt für Leder bzw. bei den Produkten Sicherheitsschuhe und Handschuhe bemerkbar. Selbst bei einem eher unwahrscheinlichen nachhaltigen Rückgang der Rohstoffpreise vergehen rund 15 Monate, bis die Hersteller und Vertreiber ihre teuren Lagerbestände an Stoffen und Waren abgebaut haben.
Firmen, die Arbeitsschutzbekleidung einsetzen, können auch nicht einfach den Lieferanten wechseln – sofern überhaupt ein signifikant besseres Angebot lockt. Oft sind die Teile für ihren Einsatzzweck, etwa in der Chemieproduktion mit bestimmten Gefahrstoffen, speziell konfiguriert. Reiz: „Anders als eine dunkelblaue Latzhose liegen solche Bekleidungsstücke nicht in großen Mengen auf Lager.“ In Spezialbereichen sind sie gar auf den Träger zugeschnitten und die Schnittmuster gehören dem Hersteller.
Langfristige Lieferverträge mit Gleitklauseln für Schutzbekleidung abschließen
Costconsult-Experte Lütge: „Vor allem Industriekunden, die auf langfristige Versorgungssicherheit angewiesen sind, sollten langfristige Lieferverträge mit Gleitklauseln abschließen. Wer zu teuren Konditionen abschließt, kann dennoch von sinkenden Preisen profitieren.“
Solche Strategien könnten eine Antwort auf die traditionell starken Marktschwankungen sein. Für die Zukunft erwartet die BBE-Studie ein insgesamt deutlich höheres Niveau der Baumwollpreise. Folgt die Entwicklung der Historie, sei sogar ein Verdopplungsschritt wahrscheinlich. Bei diesem Worst-Case-Szenario würde sich das Preisniveau zukünftig bei 120 Cent/lb einpendeln. Daran hätten allerdings auch die Chinesen wenig Freude, denn die heimische Textilproduktion würde sich drastisch verteuern. -Seite 24
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