Interview 09.10.2024, 08:30 Uhr

Stress, Trauma, Burnout – Wie man Mitarbeitende in Extremberufen entlasten kann

Arbeitgeber stehen vor der Herausforderung, ihre Mitarbeitenden in extrem belastenden Berufen bestmöglich zu unterstützen. Wie genau das gelingen kann und welche Strategien besonders wirksam sind, erklärt Prof. Dr. Kerstin Alfes, eine der führenden Expertinnen für Personalmanagement und Professorin an der ESCP Business School in Berlin.

Stress

Wie offene Kommunikation und flexible Arbeitsmodelle Mitarbeitende in Hochstressberufen entlasten können.

Foto: PantherMedia / motortion

Wie können Arbeitgeber ihre Mitarbeitende in belastenden Berufsfeldern am besten unterstützen, basierend auf Ihren Forschungsergebnissen?

Unsere Forschung zeigt deutlich, dass eine offene und transparente Kommunikationskultur ein Schlüssel zur Unterstützung von Mitarbeitenden in extrem belastenden Berufen ist. Mitarbeitende, wie Polizisten, Feuerwehrleute oder Notfallsanitäter, erleben oft intensive und teilweise traumatische Situationen. Wenn diese Personen jedoch nicht die Möglichkeit haben, offen über ihre Erlebnisse zu sprechen, empfinden sie die Belastung als noch größer. Arbeitgeber sollten daher sicherstellen, dass es Strukturen gibt, die den Austausch über solche Erfahrungen ermöglichen. Das A und O ist eine offene Kommunikationskultur. Dies können beispielsweise regelmäßige Gespräche oder eine psychologische Unterstützung durch Experten sein.

Zudem ist es wichtig, flexible Arbeitszeitmodelle zu schaffen, die den Mitarbeitenden Raum für Erholung und Regeneration bieten, auch wenn dies in Berufen mit ”Schichtbetrieb” nicht selbstverständlich ist. Eventuell kann man versuchen, Arbeitszeiten oder Arbeitszeitmodelle so anzupassen, dass einzelne Mitarbeitende ihre persönlichen Bedürfnisse besser mit den Anforderungen der Arbeit in Einklang bringen können.

Rolle der Führungskräfte

Welche Rolle spielen hier organisatorische Strukturen und Führungskräfte in der Förderung der psychischen Gesundheit von Mitarbeitern?

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Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern. Sie sollten aufmerksam auf die Bedürfnisse ihrer Teams eingehen, erkennen, wer Unterstützung benötigt, und offen sein, wenn jemand seine Grenzen erreicht und eine Auszeit oder Abstand von der Tätigkeit braucht. Hier ist es Aufgabe der Führungskräfte, aktiv zuzuhören und sicherzustellen, dass Mitarbeitende sich sicher fühlen, wenn sie um Hilfe bitten.

Organisatorische Strukturen, wie der Zugang zu psychologischen Diensten oder die Bereitstellung von Erholungszeiten, sind ebenfalls entscheidend, um Belastungen effektiv zu bewältigen. Wenn Organisationen sicherstellen, dass Mitarbeiter Zugang zu Beratung, Coaching oder therapeutischer Unterstützung haben, tragen sie aktiv dazu bei, Gefühle von Überforderung oder im schlimmsten Fall Burnout und Depressionen zu vermeiden. Wichtig ist es darüber hinaus, dass Organisationen darauf achten, dass Mitarbeiter ausreichende Erholungszeiten bekommen und diese auch einhalten.

Häufig werden Kollegen gebeten, zusätzliche Dienste zu übernehmen, weil andere Kollegen krank sind. Dies kann aber langfristig dazu führen, dass das System kollabiert und immer mehr Mitarbeiter krank werden. Hier sind insbesondere Urlaubszeiten und längere Erholungspausen notwendig, um tiefere Regeneration zu ermöglichen und den Mitarbeitenden zu ermöglichen, von ihrem Berufsalltag abzuschalten.

Positive und negative Strategien

Welche Schlüsselstrategien haben Sie identifiziert, die Menschen in Extremberufen anwenden, um mit hohen Belastungen umzugehen?

In unserer Forschung haben wir zwei Hauptarten von Bewältigungsstrategien, sogenannte „Coping Strategies“, identifiziert: positive, lösungsorientierte Strategien und negative, schädliche Strategien. Die positiven Coping-Strategien zeichnen sich dadurch aus, dass Mitarbeitende offen mit den Belastungen umgehen, sie aktiv ansprechen und versuchen, ihren Arbeitsalltag so zu gestalten, dass sie mit den stressigen Aspekten weniger konfrontiert werden. Sie setzen sich bewusst damit auseinander und suchen etwa den Austausch mit Kollegen. Durch diesen Ansatz gelingt es ihnen, den Stressfaktor zu reduzieren und die Herausforderungen ihres Berufes konstruktiv zu meistern. Menschen, die offen über ihre Belastungen sprechen, ihre Arbeit strukturieren und proaktiv mit den jeweiligen Herausforderungen umgehen, zeigen eine bessere psychische Gesundheit und Resilienz.

Das Gegenteil dazu sind negative Coping-Strategien. Mitarbeitende mit diesem Ansatz neigen dazu, die Belastungen nicht zu akzeptieren oder einzugestehen. Sie wollen nicht zugeben, dass sie mit ihrer Arbeitssituation überfordert sind. In einigen Fällen führt dies zu Vermeidungsverhalten oder sogar zu Drogen- und Alkoholmissbrauch, um den Stress zu betäuben oder zu verdrängen. Dieses Verhaltensmuster ist jedoch äußerst schädlich, da es die psychische Belastung langfristig verstärkt und zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen kann.

Unsere Forschung zeigt eindeutig, dass Mitarbeitende, die auf positive Coping-Strategien setzen, ein deutlich besseres Wohlbefinden und eine längere Verweildauer im Berufsleben aufweisen. Sie sind zufriedener, belastbarer und fühlen sich in ihrer Arbeit wohler. Es ist daher entscheidend, dass Arbeitgeber die Mitarbeitenden dabei unterstützen, diese positiven Bewältigungsstrategien zu entwickeln und sie zu stärken, zum Beispiel durch gezielte Schulungen, Resilienztrainings oder Programme, die den offenen Austausch im Team fördern. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die psychische Gesundheit und die langfristige Leistungsfähigkeit in extremen Berufsfeldern zu fördern.

Kerstin Alfes ist Professorin für Organisation und Personalmanagement an der ESCP Wirtschaftshochschule, Campus Berlin. Foto: Manuel Gutjahr

Kerstin Alfes ist Professorin für Organisation und Personalmanagement an der ESCP Wirtschaftshochschule, Campus Berlin.

Foto: Manuel Gutjahr

Inwiefern unterscheiden sich die Bedürfnisse von Mitarbeitern in Extremberufen im Vergleich zu anderen Berufsfeldern hinsichtlich Unterstützung und Mitarbeiterbindung?

Mitarbeitende in Extremberufen erleben oft außergewöhnlich belastende und traumatische Ereignisse, was ihren Bedarf an psychologischer Unterstützung erhöht. Sie haben ein starkes Bedürfnis nach einem Vertrauensnetzwerk, sowohl im Team als auch durch externe Beratung oder soziale Kontakte, um das Erlebte zu verarbeiten. Auch längere Erholungsphasen sind für sie wichtiger, um sich nach intensiven Einsätzen zu regenerieren. Im Vergleich zu anderen Berufsfeldern ist der soziale Zusammenhalt im Team oft stärker, da man Erlebnisse teilt und gemeinsam verarbeitet. Wichtig ist hier nochmal zu sagen, dass dieser Teamzusammenhalt jedoch konstruktiv sein muss. Das heißt, wenn die Teamkultur sich darum dreht, möglichst stark und möglichst unemotional aufzutreten, dann ist das schädlich.

Arbeitgeber können hier ihre Unterstützung deutlich machen, indem sie Mitarbeitende in belastenden Situationen Unterstützung signalisieren. Dies kann auch beispielsweise durch die Ausstattung signalisiert werden. So zeigte unsere Studie mit Polizisten, dass das Tragen von Bodycams während des Einsatzes zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl beiträgt. Auch unsere Untersuchung mit Notfallsanitätern hat verdeutlicht, wie entscheidend es gerade zu Beginn der Coronapandemie war – als unsere Forschung stattfand – sie mit der nötigen Schutzausrüstung zu versorgen. Das bedeutet, dass Mundschutz, Schutzanzug und passende Handschuhe verfügbar waren. Dinge, die heute selbstverständlich erscheinen, waren zu dieser Zeit keineswegs garantiert. Hier können Arbeitgeber über die emotionale Unterstützung hinaus auch logistisch helfen.

Welche Maßnahmen und Programme haben sich als wirksam erwiesen, um die Resilienz von Mitarbeitern in Extremberufen zu stärken?

Resilienztrainings haben sich als besonders effektiv erwiesen. Diese Programme zielen darauf ab, mit Mitarbeitenden zu diskutieren, wie sie gestärkt aus schwierigen Situationen hervorgehen können. Ein Beispiel sind Resilienztrainings beim US-Militär, die regelmäßig durchgeführt werden und sehr positive Ergebnisse zeigen. Resilienz bildet sich natürlich auch dadurch, dass man die Möglichkeit hat, das Erlebte zu verarbeiten. Und da sind Krisen-Interventionsteams oder Psychologen gefragt, um Mitarbeitende bei der Verarbeitung traumatischer Erlebnisse zu unterstützen und ihre psychische Gesundheit langfristig zu schützen. Es geht darum, den Mitarbeitenden die Werkzeuge an die Hand zu geben, um schwierige Situationen zu meistern, anstatt sich von ihnen überwältigen zu lassen.

Unterstützungsmaßnahmen für Ingenieure

Welche spezifischen Strategien und Unterstützungsmaßnahmen empfehlen Sie Ingenieuren, die in technisch anspruchsvollen und oft belastenden Berufsumfeldern arbeiten, basierend auf Ihren Forschungsergebnissen aus ähnlichen anderen Berufsfeldern?

Ingenieure arbeiten oft in männerdominierten und technisch anspruchsvollen Umfeldern, in denen eine “Kultur der Stärke” und Unnachgiebigkeit vorherrscht. Eine wichtige Strategie, um die psychische Gesundheit und Leistungsfähigkeit dieser Mitarbeitenden zu fördern, besteht darin, eine Unternehmenskultur zu etablieren, in der Schwächen zugegeben und frühzeitig um Hilfe gebeten werden kann. Das ist entscheidend, bevor sich Stress zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen entwickelt. Der Teamzusammenhalt spielt in diesen Umfeldern eine besonders wichtige Rolle.

Regelmäßige Teamevents und Workshops können nicht nur den Zusammenhalt fördern, sondern auch eine offene Kommunikation anregen.

Besonders interessant ist, dass unsere Forschung zeigt, dass Teams, in denen mehr Frauen vertreten sind, oftmals eine offenere und ehrlichere Kultur im Umgang mit Stress und Belastungen entwickeln. In solchen Teams besteht eine größere Bereitschaft, Schwächen zuzugeben und über eigene Grenzen zu sprechen. Dies trägt zu einem gesünderen Umgang mit Stress und einer stärkeren psychischen Widerstandsfähigkeit bei.

Zusätzlich empfehlen sich Stressmanagement-Workshops und Resilienztrainings, um den Mitarbeitenden Techniken zur Bewältigung hoher Arbeitsanforderungen an die Hand zu geben. Diese Maßnahmen fördern nicht nur die psychische Gesundheit, sondern auch die langfristige Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Dies kann wiederum die Fluktuation in diesen anspruchsvollen Berufsfeldern reduzieren.

Vielen Dank für das Interview!

Kerstin Alfes ist Professorin für Organisation und Personalmanagement sowie Prorektorin für Lehre an der ESCP Business School, Campus Berlin. Sie ist eine führende Expertin für strategisches Personalmanagement, Mitarbeiterengagement, Diversität und Inklusion. Vor ihrer Zeit an der ESCP war sie an der Kingston University London und der Tilburg University tätig und hat in führenden Fachzeitschriften veröffentlicht. 2023 wurde sie als eine der 40 führenden Köpfe Deutschlands im Bereich Personalmanagement ausgezeichnet. Während der Corona-Pandemie führte Prof. Alfes eine umfassende Studie durch, in der sie gemeinsam mit ihrem Team rund 650 Notfallsanitäterinnen und -sanitäter befragte. Diese Berufsgruppe stand nicht nur ständig unter dem Risiko einer Ansteckung mit dem Virus, sondern musste täglich mit Tod und extremen psychischen Belastungen umgehen. Die Ergebnisse dieser Studie liefern nicht nur wichtige Erkenntnisse für den Gesundheitsbereich, sondern bieten auch branchenübergreifende Einsichten für Unternehmen, die Mitarbeitende unter extremen Arbeitsbedingungen unterstützen wollen.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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