Beratung 02.01.2011, 10:41 Uhr

Ballast abwerfen für den richtigen Start ins neue Jahr

Schnee. Schon wieder Schnee, nachdem ich erst vorgestern eine Stunde gebraucht habe, um mein Auto wieder sichtbar zu machen. Ich kann die weiße Suppe schon jetzt nicht mehr sehen und der Winter hat gerade erst angefangen! Man fühlt sich gefangen in den eigenen vier Wänden, das ewige Schneeschieben geht in die Arme, Kundentermine werden abgesagt, der Postbote hat seinen Dienst offensichtlich eingestellt und an die Heizkostenabrechnung mag ich gar nicht denken!

Abwurf von unnötigem Ballast erleichtert den Neu-Anfang.

Abwurf von unnötigem Ballast erleichtert den Neu-Anfang.

Foto: panthermedia.net/ArtyFree

Zu allem Überfluss erledigt der Hund nun auch noch sein Geschäft direkt vor der Haustür, weil er als Rhodesier Schnee hasst wie die Pest. Wir zwei sind uns einig: So ein Winter ist nicht unsere Sache! Die Frage ist nur: Wie sollen wir die zehn Wochen überstehen, die er theoretisch noch dauern kann? Charly, wenn wir beide nicht unsere Einstellung ändern, dann haben wir ein Problem, erkläre ich ihm und da er den Kopf schräg legt, scheint er zumindest halbwegs interessiert an meinen Überlegungen.

Mit der Änderung der Einstellung ist das aber nun immer so eine Sache – darüber zu reden ist das eine, aber es tatsächlich zu tun das andere. Ich kann doch nicht von einem Moment zum anderen sagen „Superschnee“, wenn ich ganz was anderes denke. Das wäre doch Selbstbetrug! Aber da war doch was mit dem konstruktiven Fragenstellen. Wenn ich mich über etwas aufrege oder ärgere, stelle ich gewöhnlich „Warum-Fragen“. Warum muss dieser Winter schon wieder schneereich sein? Warum muss es schon wieder schneien? Warum gerade heute, wo ich einen so wichtigen Termin habe? Warum habe ich mir bloß damals einen tiefliegenden Wagen mit Hinterradantrieb gekauft? Fragen, auf die mir niemand eine Antwort gibt, die aber meinen Ärger auf „Gott und die Welt“ verstärken. Ich habe doch mal gelernt, dass „Warum-Fragen“ immer tiefer ins Problem hinein führen, „Wie“- oder „Was-Fragen“ hingegen eher konstruktiv und damit lösungsorientiert sind. Wir kennen sie alle nur zu gut, die bösen „Warum-Fragen“. Warum hat es mit dem neuen Job wieder nicht geklappt, wo ich mich doch so gut auf das Interview vorbereitet hatte? Warum versteht mein Partner mich eigentlich nicht und nörgelt an allem rum, was ich sage oder tue, wo ich mir doch so eine Mühe gebe? Wenn wir uns solche Fragen stellen, fühlen wir uns immer schlechter und entfernen uns immer weiter von dem, was uns tatsächlich weiterbrächte: Ideen für eine Lösung der unbefriedigenden Situation.

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Das kleine Wort „Warum“ blockiert uns tatsächlich so sehr, dass wir gar nicht mehr konstruktiv denken können. Und was bedeutet das jetzt für den Schnee in meinen Gedanken? Wie kriege ich hier meine negative Haltung verändert? Versuchen wir es zuerst einmal mit einer „Was-Frage“: Was ist eigentlich gut an diesen Schneemassen? Mein innerer Schweinehund ist schneller als ich: „Nichts!“, ruft er spontan. Ich weise ihn unwirsch in seine Schranken.

Also noch mal: „Was ist eigentlich gut an diesen Schneemassen?“ Nachdenklich sehe ich aus dem Fenster und da fällt mein Blick auf einen Vater, der ein Kind auf einem Schlitten hinter sich herzieht, mitten über die Straße! Beide haben offensichtlich einen Riesenspaß. Wie lange ist es her, dass ich selbst auf einem Schlitten gesessen und auch einen solchen Spaß gehabt habe? Das wäre doch mal was: Den alten Schlitten im Keller wieder flott machen und einfach mal ein paar Stunden Schlittenfahren! Danach eine heiße Schokolade mit viel Sahne und einem Schuss Rum. Bei dem Gedanken daran hellt sich mein Gesicht auf. Ich wohne hier gerade mitten im schönsten Wintersportgebiet, es kostet mich nichts, es zu nutzen und ich habe außerdem noch Zeit, weil ja alle Termine abgesagt sind. Wie war das nun mit meiner „Was-Frage“? Und da fällt mir plötzlich jede Menge ein, was an dieser Situation alles gut ist:

  •  Die tief verschneite Landschaft ist eine Augenweide und ich brauche, um sie zu
    genießen, nicht nach Österreich zu fahren, sondern habe sie direkt vor der Haustür.
  • Ich habe plötzlich völlig neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung.
  •  Ich habe Zeit geschenkt bekommen, die ich mir niemals freiwillig genommen hätte.
    Auf dem Weg, mich selbst zu überholen, habe ich die Möglichkeit bekommen, eine
    kleine Verschnaufpause einzulegen.
  • Mit den Nachbarn, die ich bisher nur flüchtig kannte, habe ich jetzt ein ganz nettes
    Verhältnis. Wir scherzen gemeinsam über den Schnee, wenn wir uns mehrmals
    täglich beim Schneeschüppen treffen und wir schieben gemeinsam die
    feststeckenden Wagen den Berg hoch, deren Fahrer es gewagt haben, unsere
    Straße zu befahren. Jetzt reden wir schon über einen Glühwein-
    Weihnachtsplätzchen-Abend!
  • Da ich jetzt alle Einkäufe zu Fuß erledige, habe ich jede Menge Bewegung und tue
    etwas für mein Herz-Kreislauf-System.
  • Die Mitglieder unserer Familie, die sich hier oft nur die Klinke in die Hand geben,
    treffen sich jetzt viel öfter und haben nicht nur Tür-und-Angel-Gespräche – nicht
    zuletzt, weil die TV-Satellitenanlage wegen der Schneemassen auf dem Dach ihren
    Dienst verweigert.

Während mir all das durch den Kopf geht, merke ich, wie sich eine eigenartige Gelassenheit in mir ausbreitet. Offensichtlich habe ich während des Denkprozesses mit dem weißen Pulver meinen Frieden gemacht. Ich kann es ohnehin nicht ändern, dass es laufend schneit und das vielleicht auch noch einige Wochen, also mache ich es mir einfacher, wenn ich den Zustand akzeptiere.

Sie haben gerade Weihnachten gefeiert und sind in ein neues Jahr gerutscht, geschliddert oder geglitten und wahrscheinlich haben Sie sich – wie viele von uns – für das Jahr 2011 so einiges vorgenommen, von kleinen Dingen, wie dem Aufgeben eines Lasters, bis hin zu größeren, wie dem Verändern der beruflichen oder privaten Situation. Vielleicht haben Sie sich auch bewusst einmal gar nichts vorgenommen, weil Sie sich an die Frustration erinnert haben, die bei Ihnen dadurch ausgelöst wurde, dass Sie in den vergangenen Jahren viele Ihrer Vorhaben ohnehin nicht umgesetzt haben. Es kam einfach immer etwas dazwischen: Durch den Rosenkrieg mit Ihrem Partner lagen Ihre Nerven so blank, dass Sie schon Mitte Januar wieder mit dem Rauchen angefangen haben, nachdem Sie es Silvester aufgegeben hatten. Durch die vielen Einladungen, gegen die Sie sich nicht wehren konnten, haben Sie nicht wie geplant Gewicht ab-, sondern aufgebaut. Wegen des strengen Winters gab es in der Zeitung nicht so viele Stellenanzeigen, so dass Ihre Möglichkeiten, sich zu bewerben, sehr eingeschränkt wurden. Ja wirklich, es gibt viele Gründe dafür, warum wir unsere Pläne nicht umsetzen, unsere Vorhaben schon nach kurzer Zeit abbrechen.

Als einer der ersten Gründe wird dann meist genannt, dass wir unsere Ziele eben nicht „SMART“ (und schriftlich) formuliert und damit schon von Anfang nicht genügend Willen und Disziplin aufgebracht hätten. Ich glaube, genauso verheerend ist der Ballast, den wir nicht im alten Jahr zurückgelassen, sondern hübsch mit ins neue genommen haben. Der Gedanke daran, dass wir im letzten Jahr bei der Jobsuche wenig erfolgreich waren, lässt uns in unseren Bemühungen eher verhalten reagieren. Die Angst vor neuer Enttäuschung ist immer mit im Boot. Die enttäuschten Erwartungen in der Beziehung lasten immer noch schwer auf uns und hindern uns daran, den Neustart mit Engagement zu unserer Herzenssache zu machen. Wenn das Reisegepäck so schwer ist, sind schon die ersten Schritte auf der Reise in ein neues Jahr beschwerlich und wir gehen langsam und träge, kommen dadurch nicht voran und denken: „Ich wollte ja, aber es geht eben doch nicht.“ Schon wandert wieder ein dickes Päckchen Frustration in den ohnehin vollen Rucksack. Ein Teufelskreis.

Wenn wir diesen Prozess vermeiden wollen, hilft nur eines: Ballast abwerfen oder gleich den ganzen schweren Rucksack stehen lassen. Wir brauchen uns nichts schönzureden, sondern nur zu akzeptieren: „Okay, im letzten Jahr ist nicht alles optimal gelaufen, das ist so, aber wir haben ein neues, unverbrauchtes Jahr vor uns. Ein Jahr mit neuen Herausforderungen und neuen Möglichkeiten. Neues Jahr – neues Glück! Wenn wir uns jetzt wieder mit den „Warum-Fragen“ der Vergangenheit beschäftigen, dann stehen wir schon wieder auf der Bremse, bevor wir noch richtig gestartet sind. Wenn wir uns stattdessen fragen: „Was kann ich in diesem Jahr alles bewegen?“, oder „Wie mache ich dieses Jahr für mich zu einem Erfolg?“, dann bewegen wir uns schnell in konstruktiven Denkbahnen und haben einen viel freieren Blick auf Chancen und Lösungen. Lassen Sie Ihren Groll, Ihre enttäuschten Erwartungen, Ihren Ärger zurück. Jetzt, wo das Jahr noch so frisch ist, ist der beste Zeitpunkt dafür. Denken Sie daran, dass genau das wächst, worauf Sie sich konzentrieren. Konzentrieren Sie sich auf all die Versäumnisse und Ärgernisse der Vergangenheit, bekommen Sie garantiert mehr davon. Konzentrieren Sie sich dagegen auf Möglichkeiten, werden Sie sie auch erhalten. Fragen Sie sich einfach: „Wovon möchte ich dieses Jahr ganz viel haben?“ Ist es Erfolg, Gesundheit, Geld, Liebe? All das ist leichtes Reisegepäck und nur das sollten wir mitnehmen.

Ich gehe jetzt Schlittenfahren und werde nur noch schnell dem vierbeinigen Rhodesier klarmachen, dass Schnee eigentlich eine ganz schöne Sache ist. Und welche schöne Sache ist jetzt Ihre?

 

Ein Beitrag von:

  • Renate Eickenberg

    Renate Eickenberg ist Coach, Beraterin sowie Autorin. Sie prüft für Ingenieure und Ingenieurinnen Bewerbungsunterlagen und gibt in Ihren Artikeln Karrieretipps.

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