Interview 15.07.2024, 07:01 Uhr

Dank Influencern: So gewinnt man junge Menschen für MINT-Berufe

Influencer-Marketing im MINT-Bereich: Wie kann es gehen? Im Gespräch mit Amelie Reigl, einer führenden Wissenschafts-Influencerin, und Philipp Martin, CEO der Influencer-Marketing-Agentur Reachbird im DACH-Raum, erhalten Sie Einblicke und praktische Tipps, um mehr junge Menschen für technische Berufe zu begeistern.

Influencer in MINT-Berufen: Vorbilder für die nächste Generation von Wissenschaftlern. Foto: PantherMedia / perig76

Influencer in MINT-Berufen: Vorbilder für die nächste Generation von Wissenschaftlern.

Foto: PantherMedia / perig76

Wie funktionieren Influencer-Kampagnen wirklich? Ich habe gehört, dass viele Leute denken, Influencer zu sein sei einfach: Man hält etwas vor die Kamera und das war’s. Aber in Wirklichkeit sind Wissenschaft und Strategien hinter Social Media deutlich komplexer.

Philipp Martin: Influencer Marketing hat sich in den letzten 10 Jahren zu einer professionellen Marketing-Disziplin entwickelt. Es ist nicht mehr so, dass Influencer im Rahmen von Werbekooperationen einfach irgendetwas posten können, sondern klare Konzepte erarbeitet werden. Marken verfolgen mittlerweile klare Strategien, und es gibt eine professionelle Industrie dahinter, mit klaren Zielsetzungen. Influencer Marketing ist fester Bestandteil jedes Mediaplans von Unternehmen und ein wichtiger Bereich des digitalen Marketings. Bei Reachbird sind wir seit 10 Jahren im Markt und haben gesehen, wie sich das Influencer Marketing weiterentwickelt hat. Influencer werden immer professioneller und thematisch diverser. Während 2015 hauptsächlich Beauty, Lifestyle und Reisen im Vordergrund standen, stehen heute auch Informations- und Aufklärungskanäle im Fokus.

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Amelie Reigl: Für mich als Influencerin im Bereich Wissenschaftskommunikation ist es besonders wichtig, mit wem ich zusammenarbeite und für welche Produkte oder Dienstleistungen ich Werbung mache. Es geht nicht nur darum, eine Werbeplattform zu sein, sondern wirklich hinter den beworbenen Inhalten zu stehen und meiner Community einen Mehrwert zu bieten. Ob durch Veranstaltungen oder durch Aufklärung, der edukative Inhalt steht bei mir und den Unternehmen, mit denen ich zusammenarbeite, immer im Vordergrund.

Infotainment – die Kombination aus Unterhaltung und Information

Welche Plattformen wählen Sie dafür? Gerade im Bereich Wissenschaft und Technik ist die Wahl der richtigen Plattform entscheidend. Ich dachte zunächst, es ginge eher in Richtung LinkedIn, aber ich habe gesehen, dass Sie auch auf TikTok und Instagram sehr erfolgreich sind.

Amelie Reigl: Meine primäre Plattform ist tatsächlich TikTok, gefolgt von Instagram. In letzter Zeit habe ich auch vermehrt begonnen, auf LinkedIn mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, um professionellen Content zu teilen.

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Ich habe im März 2020 während der Pandemie angefangen. Damals war ich im Homeoffice und merkte, dass eine bessere Kommunikation nötig war, um zu erklären, was gerade passiert. Was ist ein Virus? Was ist der Unterschied zwischen DNA und mRNA? Ich wollte die neue Plattform TikTok ausprobieren, und es hat mir so viel Spaß gemacht. Die Resonanz war großartig und die Leute waren neugierig, sodass es immer weitergewachsen ist.

Philipp Martin: Diese Entwicklung zeigt den generellen Trend im Social Media- und Influencer-Marketing. Besonders in den Jahren 2020 bis 2024 sind viele Influencerinnen und Influencer entstanden, die sich mit sehr erklärungsbedürftigen Themen beschäftigen. Beispielsweise Wissenschaftlerinnen wie Amelie, die wissenschaftliche Themen erläutern, Steuerexperten wie zum Beispiel Steuerfabi, die über Steuern sprechen, oder Mediziner wie Doc Felix, der über Medizin und Ernährung aufklärt. Auch juristische Themen werden von Influencern wie Herr Anwalt in kurzen Videoformaten verständlich gemacht.

Dieses sogenannte Infotainment – die Kombination aus Unterhaltung und Information – hat sich in den letzten vier Jahren stark entwickelt. Kurze Videos, die schwierige Themen anschaulich und unterhaltsam vermitteln, haben ein großes Publikum gefunden. Influencer, die solchen Content erstellen, sind besonders stark in ihrer Reichweite gewachsen.

Auf der Suche nach ansprechenden Formaten, die Wissen vermitteln und gleichzeitig Spaß machen

Wie kann man den Erfolg von Influencern bei schwerverständlichem Content erklären?

Amelie Reigl: Ich finde, der Erfolg liegt darin, dass gerade während der Corona-Pandemie ein Bedarf nach Informationen bestand, den viele Influencerinnen und Influencer bedient haben. Die Menschen wollten verstehen, was vor sich ging und wie es sie persönlich betraf. Das hat nicht nur in Bereichen wie Gesundheit und Wissenschaft, sondern auch in anderen Bereichen wie Beauty dazu geführt, dass Verbraucher nicht nur oberflächlich auf Produkte schauen, sondern sich für Inhaltsstoffe und deren Auswirkungen interessieren.

Infotainment spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die Gesellschaft möchte nicht nur lernen, sondern dabei auch unterhalten werden. Im Gegensatz zu langweiligen Biologieunterrichten von vor 10 Jahren suchen Menschen heute nach ansprechenden Formaten, die Wissen vermitteln und gleichzeitig Spaß machen.

Haben auch Ingenieure eine Chance, erfolgreich auf Social Media zu sein?

Amelie Reigl: Aus meiner Sicht definitiv. Es geht darum, kreative Inputs anzubieten und Informationen spannend zu verpacken. Das gilt für alle Bereiche, sei es Physik oder Ingenieurswesen. Auf Social Media kann man erklären, wie Dinge funktionieren, und vielen Menschen Zugang zu Themen verschaffen, für die sie sich interessieren, aber möglicherweise keinen direkten Zugang haben.

Philipp Martin: Es gibt bereits große Profile, die sich intensiv mit technischen Themen beschäftigen. Für jedes Fachgebiet gibt es Communities, die daran interessiert sind und sich gerne informieren.

Wenn man die richtigen Formate findet, wie Amelie es gerade beschrieben hat – informative und unterhaltsame Inhalte –, dann kann man auch im Bereich Ingenieurswesen erfolgreich auf Social Media sein. Es gibt Unternehmen, die aktiv in die Bildung investieren, sowie Influencerinnen und Influencer, die diese Themen gut aufbereiten und aus ihrem Berufsalltag berichten.

Philipp Martin

Philipp Martin, CEO von Reachbird, setzt mit der neuen Unit „inform+educate“ auf INFOencing-Kampagnen.

Foto: Reachbird

Verschiedene Altersgruppen ansprechen

Wie würdet ihr die Zielgruppe altersmäßig beschreiben? TikTok ist bekannt dafür, dass dort vorwiegend eine jüngere Generation aktiv ist. Wie kann man auch ältere Generationen ansprechen? Gibt es eine Vermischung der Zielgruppen?

Amelie Reigl: Also von meiner Seite her habe ich auf TikTok vorwiegend ein jüngeres Publikum, das im Optimum und Peak etwa ab 18 Jahren beginnt. Auf Instagram ist mein Publikum tendenziell etwas älter und fachspezifischer. Auf LinkedIn wiederum ist die Zielgruppe nochmals älter. Deshalb wähle ich meine Plattformen so aus, dass ich verschiedene Altersgruppen ansprechen und meinen Content entsprechend präsentieren kann, abhängig von der Plattform.

Also bedeutet das, dass Posts plattformspezifisch vorbereitet werden und auf die jeweilige Zielgruppe und das Format abgestimmt sind?

Amelie Reigl: Ja, genau. Ich poste nicht 1 zu 1 das Gleiche, was ich auf LinkedIn poste, auf TikTok und Instagram. Manchmal poste ich bestimmte Inhalte überhaupt nicht auf TikTok, und auf Instagram sind die Inhalte ähnlicher, aber es gibt auch Formate, die ich nur auf Instagram teile und nicht auf TikTok.

Philipp Martin: TikTok ist heute nicht mehr so stark von jungen Nutzern dominiert wie noch vor 3 oder 4 Jahren. Das Durchschnittsalter auf der Plattform ist deutlich gestiegen. Die Statistiken zeigen, dass sich das Durchschnittsalter mittlerweile in den mittigen 20er Jahren befindet und nicht mehr nur bei etwa 18 oder 16 Jahren. Das bedeutet, dass TikTok mittlerweile ein breiteres und vielfältigeres Publikum in Bezug auf Altersstrukturen anspricht.

Klare Ziele setzen

Wie kann man erfolgreich eine Kampagne starten? Viele haben Bedenken, dass sie ihr Ziel-Publikum nicht erreichen und schnell frustriert sind, wenn ihre Posts nur wenige Klicks erhalten.

Philipp Martin: Um erfolgreich eine Kampagne zu starten, ist es wichtig, sich zunächst zu überlegen, was die genauen Ziele der Kampagne sind. Möchte man beispielsweise im Bereich Ingenieurswesen talentierte Nachwuchskräfte gewinnen oder Kunden von Produkten überzeugen? Diese Zielsetzung bestimmt maßgeblich, welche Zielgruppen man erreichen möchte und welcher Hintergrund die Kampagne hat.

Nachdem die Ziele klar definiert sind, kann man die Kampagne strukturieren. Dazu gehört die Auswahl der richtigen Plattformen, die geeigneten Formate und kreativen Konzepte. Eine realistische Erwartungshaltung ist hierbei ebenfalls entscheidend.

Ein weiterer Schritt ist die Auswahl passender Influencer, die zur Zielsetzung der Kampagne passen. Nehmen wir als Beispiel die Wissenschaftlerin Amelie, die eine jüngere Zielgruppe anspricht und Menschen begeistert, die sich für Wissenschaft interessieren. Wenn das Ziel der Kampagne darin besteht, junge Leute anzusprechen, die möglicherweise Interesse an Berufen oder Ausbildungen im Mint-Bereich haben, wäre eine Zusammenarbeit mit einer solchen Influencerin sinnvoll.

Daher ist es wichtig, die Ziele klar zu definieren, die richtigen Influencer zu identifizieren, sie zu kontaktieren und gemeinsam an einem Konzept zu arbeiten, bevor die Kampagne gestartet wird.
Wie könnte eine Kampagne aussehen, um junge Menschen, insbesondere Frauen, für den MINT-Bereich zu begeistern, gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels?

Amelie Reigl: Ja, also wenn ich zum Beispiel von meinem Management gefragt werde, ob ich eine solche Kampagne machen möchte, wie es auch bei Philipp der Fall war, dann prüfe ich zunächst, ob es zu meiner Community passt und ob meine Zuschauerinnen daran interessiert sein könnten. Danach setze ich mich hin, entwickle ein Konzept und skizziere meine Ideen für das Posting.

Dann treffe ich mich mit Kunden, um das Konzept zu besprechen und sicherzustellen, dass es auch aus Sicht des Unternehmens passend ist. Sobald alles abgenommen ist und zur Freigabe geschickt wurde, produziere ich den Content und veröffentliche ihn auf den verschiedenen Kanälen. Dabei behalte ich immer im Blick, was meine Community interessiert und was sie anspricht.

Gibt es auch Feedback zu den Kampagnen, die bereits online sind? Wie reagieren Deine Follower darauf?

Amelie Reigl: Genau, meistens kommen Kommentare, in denen Interesse gezeigt wird oder Fragen gestellt werden. Das variiert je nach Thema der Kampagne. Ich gehe dann gerne auf die Personen ein und biete ihnen an, sich beispielsweise hier zu melden oder mehr Informationen auf der Website zu finden. Jede Reaktion ist dabei individuell und erfordert eine entsprechende Anpassung der Kommunikation.

Philipp Martin: Und hierbei spielt auch die Struktur der Kampagne eine entscheidende Rolle. Wenn man beispielsweise ein Gewinnspiel oder eine Bewerbungsmöglichkeit anbietet und den Teilnehmern die Chance gibt, mehr Informationen zu erhalten oder sich für Programme im MINT-Bereich zu bewerben, wie z.B. für Schnupper-Unis oder Probetage bei Unternehmen, dann sieht man direkt, wie die Community reagiert. Es zeigt sich, ob die Community wirklich interessiert ist und echtes Interesse an den gezeigten Inhalten hat.

Deshalb ist die Auswahl der richtigen Influencerinnen und Influencer so entscheidend. Im Vorfeld muss man klären, welche Zielsetzungen das Unternehmen hat und welche Influencerinnen und Influencer am besten dazu passen. Nur so kann man sicherstellen, dass die Community positives Feedback gibt und das gezeigte Content sie wirklich anspricht. Am Ende sind dann alle zufrieden mit dem Ergebnis der Kampagne.

Glaubwürdigkeit ist der Schlüssel

Wie kann man sicherstellen, dass die Inhalte nicht wie Werbung wirken und dennoch effektiv sind?

Amelie Reigl: Wenn man es gut umsetzt, merkt man auf Plattformen wie TikTok oft gar nicht, dass man gerade Werbung betrachtet. Natürlich wird immer deutlich gemacht, dass es sich um Anzeigen oder Werbung handelt. Dennoch ist es wichtig, dass die Werbung unterhaltsam und interessant gestaltet ist. Meine Herangehensweise ist es, Produkte nicht einfach nur in die Kamera zu halten und zu sagen „Kauft das jetzt!“, sondern vielmehr das Umfeld zu erklären. Ich versuche, Neugierde zu wecken, indem ich erkläre, warum ein Produkt oder Service besonders ist und warum ich es persönlich nutzen würde. Auf diese Weise spreche ich nicht nur für mich selbst, sondern für meine Community und schaffe so einen authentischen Bezug zum Produkt oder Service.

Philipp Martin: Und dabei ist es besonders wichtig, dass die Werbung glaubwürdig ist. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn deutlich wird, dass es sich um Werbung handelt, solange diese Authentizität gewahrt bleibt. Wenn ich beispielsweise sage, dass ich voll und ganz hinter einem Produkt oder Thema stehe und dies glaubwürdig rüberbringe, dann akzeptiert meine Community auch, dass es hier um Werbung geht. Die Glaubwürdigkeit ist daher der Schlüssel, um eine positive Resonanz auf Werbung zu erzielen.

Gab es schon Situationen, in denen du gesagt hast, dass du nicht dahinterstehst und deshalb eine Kampagne abgelehnt hast?

Amelie Reigl: Ja, definitiv. Ich sortiere sehr genau aus. Mein Management schickt mir manche Anfragen gar nicht erst, weil sie wissen, dass ich bestimmte Dinge nicht bewerben werde. Zum Beispiel Alkohol oder Produkte aus der Tabakindustrie, für die ich von vornherein eine klare Absage erteile. Tatsächlich lehne ich mehr Anfragen ab, als dass ich sie annehme. Da ich nicht hauptberuflich als Influencerin arbeite, sondern meinen Hauptberuf als Forscherin habe, habe ich den Luxus, nur Kampagnen anzunehmen, bei denen ich voll und ganz dahinterstehe und die einen echten Nutzen für meine Community bieten. Das ist mir besonders wichtig.

Ich arbeite gerne mit Unternehmen zusammen, die mir die kreative Freiheit lassen. Es ist wichtig, dass sie nicht versuchen, mich zu ändern oder mir vorzuschreiben, wie ich meine Inhalte gestalten soll. Auf meinem Kanal geht es immer um Glaubwürdigkeit. Wenn mir jemand ein fertiges Skript gibt, das Sätze enthält, die ich niemals so sagen würde, dann funktioniert das Video nicht. Es ist schön, wenn ich innerhalb der vorgegebenen Zielsetzungen und Rahmenbedingungen kreativ sein kann. So sind die Erfolgschancen höher, dass das Video gut funktioniert und die Kampagne bei meiner Community gut ankommt.

Deshalb ist es für mich wichtig, dass sowohl ich als auch das Unternehmen Spaß daran haben und ich mich kreativ entfalten kann.

Es ist entscheidend, realistische Erwartungen zu haben

Die Wissenschaftlerin

Die Influencerin „Die Wissenschaftlerin“, vertreten durch Amelie Reigl, gibt auf Plattformen wie TikTok und Instagram faszinierende Einblicke in den Forschungsalltag. Foto dieWissenschaftlerin

Wie schwierig ist es, Unternehmen beizubringen, wie man erfolgreich in Social Media agiert und nicht in einer konservativen Sichtweise verharrt? Wie findet man die goldene Mitte und wie reagieren die Menschen, wenn man eine andere Herangehensweise vorschlägt?

Amelie Reigl: Es hängt stark von jedem Unternehmen ab. Es gibt solche, die offener für neue Ansätze sind, und andere, die eher konservativ sind. Wenn man jedoch gut erklärt, warum eine bestimmte Herangehensweise wichtig ist und warum man es auf diese Weise machen sollte, findet man oft eine gute Akzeptanz. Gerade Plattformen wie TikTok werden auch von etwas älteren Unternehmen immer mehr akzeptiert und funktionieren dann gut in den Kampagnen.

Philipp Martin: Unternehmen sehen jetzt, dass damit tatsächlich Erfolge erzielt werden können, was dazu führt, dass Social Media ernster genommen wird. Selbst Senior Manager, die lange in ihren Berufen sind, erkennen zunehmend die Relevanz von Social Media. Dadurch sind sie auch offener dafür, zu verstehen, wie Influencer wie Amelie oder Agenturen wie unsere die Zusammenarbeit gestalten möchten.

Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass Unternehmen zufrieden sind, wenn ihre Erwartungen im Vorfeld klar abgesteckt sind. Es ist entscheidend, realistische Erwartungen zu haben und nicht zu erwarten, dass nach einem einzigen Posting sofort tausend neue Bewerbungen eingehen. Social Media Marketing benötigt Zeit, Experimentierfreude und Offenheit. Diese Erwartungshaltung im Vorfeld zu klären ist daher von großer Bedeutung für den gesamten Prozess.

Welche Kampagnen im MINT-Bereich waren besonders erfolgreich? Können Sie Beispiele aus dem technischen Bereich nennen?

Amelie Reigl: Ah ja, was besonders erfolgreich war, ist zum Beispiel meine Teilnahme bei Jugend forscht im Rahmen der plus-MINT Initiative. Dort konnte ich talentierte Jugendliche interviewen und über ihre Projekte berichten, was bei meinem Publikum sehr gut ankam. Ebenso war meine Präsenz bei der Ideen Expo, wo ich die Vielfalt der MINT-Berufe gezeigt habe, ein Erfolg. Ein weiteres Beispiel ist die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium von Bayern für eine Impfkampagne, die damals viel Resonanz erzeugt hat.

Philipp Martin: Besonders spannend fand ich die Zusammenarbeit mit Siemens im Bereich Recruiting für MINT-Berufe. Dort lag der Fokus darauf, Frauen für MINT-Berufe zu begeistern. Wir hatten Influencerinnen in Erlangen, wo der ICE-Zug gebaut wird, vor Ort. Sie konnten dort einen Tag lang ein Praktikum machen und live erleben, wie ein solch riesiger Zug entsteht. Die entstandenen Videos waren sehr beeindruckend und zeigten eindrücklich, welche Möglichkeiten und Einflussmöglichkeiten man als Ingenieurin oder in einer gewerblichen Ausbildung im Bereich Mechatronik haben kann. Es war großartig zu sehen, wie ein fertiges Produkt entsteht und welchen Beitrag man dazu leisten kann.

Amelie Reigl: Das war eine spannende Zusammenarbeit mit BMW. Wir sind zum Recycling Center gefahren, wo ich einen Tag damit verbracht habe, zuzusehen, wie Autos recycelt werden und welche Prozesse und Schritte dabei wichtig sind. Das war eine willkommene Abwechslung, mal aus dem Labor herauszukommen und einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Philipp Martin: Ja, das ist wirklich cool, besonders weil es Themen anspricht, die die junge Generation stark interessieren. Recycling ist etwas, das für junge Leute im Kontext der Nachhaltigkeit besonders wichtig ist. Wenn man dann direkt gezeigt bekommt, dass es hier nicht nur um die Entwicklung von Autos geht, sondern um einen tatsächlich nachhaltigen Prozess, hat das eine große Bedeutung. Es geht darum zu sehen, dass man nicht nur teure Autos produziert, sondern auch aktiv an der Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft beteiligt ist.

Gleiche Erwartungen haben

Welche sind die größten Herausforderungen im Bereich der Kampagnen und für einzelne Influencer, abgesehen von der Kommunikation mit Unternehmen?

Amelie Reigl: Tatsächlich glaube ich, dass die größte Herausforderung darin besteht, sicherzustellen, dass alle drei Parteien – die Influencer-Agentur, der Kunde und der Influencer selbst – am Anfang der Kampagne die gleichen Erwartungen haben. Sobald das definiert ist und alle klar verstehen, was das Ziel ist, funktioniert es meistens sehr gut.

Philipp Martin: Genau, und eine weitere wichtige Komponente ist die Community, die ebenfalls positiv abgeholt werden muss. Wenn alle drei Parteien – die Influencer-Agentur, der Kunde und der Influencer selbst – sich einig sind, dann kommt auch die Community als vierte Komponente ins Spiel. Wenn diese dann auch zufrieden ist und die Kampagne positiv aufnimmt, funktioniert es und man erreicht seine Ziele.

Wie kann man Ingenieure dazu ermutigen, aktiver auf Social Media zu sein?

Amelie Reigl: Ich denke, der Schlüssel ist, den Mut zu haben, es einfach auszuprobieren und sich klar zu werden, was man eigentlich erreichen möchte. Social Media bietet eine Plattform, um sich als Ingenieur zu präsentieren, Wissen zu teilen und vielleicht auch andere zu inspirieren. Es kann ein spannendes Abenteuer sein, neue Wege der Kommunikation zu erkunden und die eigene Arbeit einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Philipp Martin: Mir ist es besonders wichtig, diese Entwicklung aufzuzeigen. In vielen Ingenieurbüros und Maschinenbaufirmen gibt es oft noch die Vorstellung, dass Social Media nur mit Beauty und Lifestyle in Verbindung gebracht wird, und dass Influencer nur über solche Themen sprechen. Es ist entscheidend, sich davon zu lösen und zu erkennen, dass Social Media auch für Unternehmen und ihre Zielgruppen äußerst relevant ist.

Wenn ein Unternehmen plant, mit Influencern zusammenzuarbeiten, wie geht man dann am besten vor?

Philipp Martin: Wenn ein Unternehmen intern keine Erfahrung mit Influencer-Marketing hat und niemanden im Team hat, der sich damit auskennt, wäre es ratsam, sich zunächst an eine Agentur zu wenden. Dort kann man alles strukturieren, die Erwartungen klar definieren und das Know-how der Agentur nutzen. Wenn jedoch im Unternehmen bereits Experten vorhanden sind, die sich mit Influencer-Marketing auskennen, kann man auch direkt auf die Influencer zugehen. Man kann zum Beispiel direkt mit Amelie sprechen und gemeinsam eine Kampagne entwickeln. Letztendlich ist es wichtig, dass die Zusammenarbeit gut strukturiert ist und die Erwartungen auf beiden Seiten klar sind.

Würde eine Agentur einem Unternehmen helfen können, einen Corporate Influencer aufzubauen?

Philipp Martin: Eine Agentur kann dabei helfen, einen Corporate Influencer innerhalb eines Unternehmens aufzubauen. Zum Beispiel können sie Workshops anbieten, um Personen mit viel Wissen und Erfahrung in Social Media zu schulen, damit sie lernen, wie sie sich dort am besten präsentieren können. Alternativ kann die Agentur auch direkt unterstützen, indem sie gemeinsam mit den Ingenieuren und Ingenieurinnen Artikel für LinkedIn verfasst oder andere Inhalte für Social Media entwickelt. Es gibt viele Möglichkeiten, wie Agenturen in diesem Bereich unterstützen können.

Vielen Dank für das Interview!

Philipp Martin, CEO der ersten Influencer Marketing Agentur im DACH-Raum, Reachbird, setzt mit der neuen Unit „inform+educate“ neue Maßstäbe in der Influencer-Welt, indem sie INFOencing-Kampagnen umsetzen. Dabei sollen Influencer in Zusammenarbeit mit Marken zu gesellschaftsrelevanten Themen informieren, aufklären und den Dialog fördern. Neben plus-MINT hat Reachbird bereits namhafte Partner wie ROCHE und Siemens sowie Organisationen wie den WWF Schweiz gefunden, mit denen sie erfolgreiche INFOencing-Kampagnen realisiert haben.

Die Influencerin „Die Wissenschaftlerin“, repräsentiert durch Amelie Reigl, promoviert derzeit in Biologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und arbeitet am Fraunhofer Institut ISC TLZ-RT. Unter dem Namen @dieWissenschaftlerin gibt sie auf Plattformen wie TikTok und Instagram faszinierende Einblicke in den Forschungsalltag. Ihre Inhalte haben eine große Reichweite und werden von Hunderttausenden verfolgt.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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