Ein Maschinenbauingenieur berichtet…
Ralph Hohenwarter forscht, um anderen ein besseres Leben zu ermöglichen. Er machte sein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg und arbeitet heute an seiner Promotion. Es sind Kleinigkeiten: hoch in ein Regal greifen, ein Fenster öffnen oder ein Gespräch auf Augenhöhe. Was selbstverständlich erscheint, bedeutet für querschnittsgelähmte Patienten die Welt.
Mit einem ehrgeizigen Projekt möchte der Ingenieur Ralph Hohenwarter ein Stück Selbstverständlichkeit wiederherstellen. Er entwickelt ein neuartiges Exoskelett, das Querschnittsgelähmte befähigen soll, durch eigene Muskelkraft zu laufen.
Muskelkraft soll Motoren ersetzen
Die Exoskelette, an denen Hohenwarter forscht, sind hüfthohe elektromechanische Stützen, die querschnittsgelähmten Patienten helfen, den Körper aufrecht zu halten. Während bisher Elektromotoren das Laufen ermöglichen, geht das Konzept von Hohenwarter einen entscheidenden Schritt weiter.
„Die Muskeln von Querschnittsgelähmten bauen sich nach ca. einem Jahr komplett ab, danach können sie sich nicht mehr regenerieren“, erklärt Hohenwarter. „Wir verwenden daher die Muskeln als Aktuator. Nicht der Motor erzeugt die Energie, die für das Laufen notwendig ist, sondern die Muskeln des Patienten selbst. Damit erhalten wir auch die Muskelfunktion.“ Dadurch wird das Laufen dynamischer und natürlicher, weniger roboterhaft. Der Bedarf ist groß, weiß der Ingenieur aus unzähligen Gesprächen mit Ärzten, die ihm tatkräftig bei der Umsetzung helfen. Schließlich betreibt Hohenwarter das Projekt auf Eigeninitiative, ohne Budget, nur mit der Unterstützung der Universitätskliniken in München und Leipzig.
Der Ingenieur und seine Antriebskraft
Seine besondere Energie und Leidenschaft hat ihm auch geholfen, zunächst große Hürden im Leben zu überwinden. Denn nach einer Ingenieurkarriere sah es bei ihm zunächst nicht aus. Der ehemalige Hauptschüler sollte sogar auf die Sonderschule wechseln. „Ich habe dann doch den Hauptschulabschluss geschafft, eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker absolviert und dann über den zweiten Bildungsweg das Abitur gemacht und anschließend ein Maschinenbaustudium absolviert“, berichtet der 39-Jährige, der inzwischen auch an seiner Doktorarbeit sitzt.
Der Technologietransfer von der Forschung in die Wirtschaft gehört für Ralph Hohenwarter zum Selbstverständnis seines Berufs.
Darüber hinaus ist es ihm wichtig, anderen Menschen durch seine Fähigkeiten das Leben zu erleichtern. Auch beim Projekt Exoskelett steht er mit seinem Team täglich vor neuen Herausforderungen. Wie bringt man einen Muskel, der nicht mehr funktioniert dazu, sich wieder zu bewegen? Welche physikalischen Lösungen sind dafür notwendig und technisch realisierbar? Fragen, deren Antworten viel Kreativität und gutes Teamwork verlangen. Für Hohenwarter sind dies zwei Kernkompetenzen eines jeden guten Ingenieurs.
VDI-Ingenieurgeschichten
Seit 2014 sammelt der VDI Ingenieurgeschichten, die er auf einer eigenen Webseite vorstellt. Dabei werden Ingenieure und Ingenieurinnen in ihren aktuellen Arbeitsgebieten vorgestellt – vom Unternehmenslenker, der sich mit Intralogistik beschäftigt, bis zur Mikrosystemingenieurin, die an einem Miniaturlabor bastelt, sind bereits einige spannende Porträts erschienen. Sie alle zeugen von der Vielfältigkeit des Ingenieurberufs und zeigen, wo Ingenieure auch in Ihrem Alltag ihre Finger mit im Spiel haben.
Wer selbst eine Geschichte zu erzählen hat oder eine/n Ingenieur/in kennt, deren/dessen Beruf außergewöhnlich ist, kann sich direkt an den VDI wenden. Das Team der VDI-Ingenieurgeschichten nimmt noch bis Anfang November 2015 Themenvorschläge entgegen.
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