Fair Company: Mogelpackung oder Meilenstein?
Das Fair Company-Siegel wird an Unternehmen vergeben, die sich gegen die Ausbeutung und für die Ausbildung von Studierenden und Berufseinsteigern aussprechen – und danach handeln. Was ist dran am Fairness-Siegel?
Gemeinsam mit 37 Mitgliedsunternehmen gründete Jan Hüsgen, damaliger Chefredakteur des Job- und Wirtschaftsmagazins Junge Karriere im Jahr 2004 die Fair Company-Initiative. Das Fair Company-Siegel wird an Unternehmen vergeben, die sich gegen die Ausbeutung und für die Ausbildung von Studierenden und Berufseinsteigern aussprechen – und danach handeln. Mittlerweile ist die Zahl der Unternehmen auf etwa 700 angewachsen. Seit dem Jahr 2011 wird die Einhaltung des Regelwerks sowie die Vergabe des Siegels von karriere.de betreut, dem Job- und Karriereportal von Handelsblatt und Wirtschaftswoche. Was ist dran am Fairness-Siegel?
Ein Blick in das Gründungsjahr 2004 liefert einen ersten Hinweis auf die Idee hinter Fair Company: Geprägt von düsteren Aussichten auf dem Arbeitsmarkt stellten immer weniger Unternehmen neue Mitarbeiter fest ein. Statt regulärer Jobs boten sie Hochschulabsolventen Praktika an, mit vager Aussicht auf eine Festanstellung. Was folgte, war in vielen Fällen die Ernüchterung: Ein Praktikum folgte auf das Nächste. Für Festanstellungen hieß es in den meisten Fällen „Fehlanzeige“. Vor diesem Hintergrund gründete sich die Fair Company-Initiative mit einem definierten Regelwerk, das teilnehmende Unternehmen regelmäßig auf die Einhaltung dieser Regeln überprüft. Zu ihnen zählen derzeit auch namhafte Unternehmen wie AGCO Fendt, Bayer, Datev, Condor oder die Deutsche Bahn.
Fair Company: Was das Fairness-Siegel kostet
Für die Siegelnutzung zahlen die Unternehmen pro Jahr 795€, egal ob Kleinbetrieb, mittelständisches Unternehmen oder Großkonzern. Im Gegenzug verpflichten sich alle Fair Companies zur Einhaltung des Regelwerks. Sie stimmen Überprüfungen ebenso zu wie Feedback-Schleifen von Praktikanten in Form von Telefoninterviews oder Fragebogen-Erhebungen. Jedes Jahr werden teilnehmende Unternehmen im „Handelsblatt Karriere – Fair Company Guides“ veröffentlicht. Dieser liegt dem Handelsblatt bei und wird auf Recruiting-Events sowie Messen präsentiert.
Fair Company: Kontrollsystem auf zwei Säulen
Im Jahr 2013 wurde das Kontrollsystem überarbeitet und ein Feedback-System eingeführt, das auf zwei Säulen basiert: Zum einen fordern Fair-Company-Unternehmen ihre Praktikanten aktiv auf, ihre Erfahrungen anhand eines Fragebogens zu dokumentieren und der Redaktion weiterzuleiten. Zum anderen können Praktikanten und Berufseinsteiger über eine spezielle Kontaktmail-Adresse oder telefonisch auf Regelverstöße aufmerksam machen und Unternehmen die „Rote Karte“ zeigen. Zur Klärung der Beschwerde kontaktiert die Redaktion von karriere.de den Ansprechpartner für die Initiative im Unternehmen. Bei zwei oder mehr erwiesenen Verstößen erfolgt nach Angaben der Redaktion der Ausschluss. Orientierung bietet das Regelwerk von Fair Company, das im Wesentlichen auf fünf Punkten basiert:
- Praktikumsplätze dienen der beruflichen Orientierung: Studierende sollen während eines Praktikums Erfahrungen und Kenntnisse sammeln und sich orientieren können. Wenn sie in Projekte eingebunden sind, dürfen sie keine festangestellten Mitarbeiter ersetzen. Die angebotenen Praktika werden überwiegend für Studierende angeboten – und nicht für Berufsanfänger. Ein Hochschulabschluss darf keine Bedingung für ein Praktikum sein. Freiwillige Praktika sind weiterhin auch mit einem Studienabschluss möglich.
- Klar umrissene Aufgaben und Ziele: Fair Company-Unternehmen stecken Aufgaben und Ziele für ein Praktikum klar ab und legen die Team-Struktur fest, in die der Praktikant eingebunden ist. Zudem gibt es einen festen Ansprechpartner im Unternehmen.
- Sinnvolle Praktikums-Zeiträume: Freiwillige Praktika sollten nicht länger als sechs Monate dauern. Längere Praktikums-Zeiträume sind nur zulässig, wenn etwa die Studienordnung diese vorsieht. Praktikumsverträge werden nicht verlängert. Ist eine Weiterbeschäftigung erwünscht, so bietet das Unternehmen dem Praktikanten eine vollwertige Arbeitsstelle an. Ausgeschriebene Praktikantenstellen stellen nicht eine spätere Festanstellung in Aussicht.
- Kein Praktikum statt fester Stelle: Unternehmen vertrösten potentielle Kandidaten nicht auf eine Praktikantenstelle, wenn sich diese auf eine feste Stelle beworben haben. Zudem sollte ein Praktikum nicht als Eignungstest für eine spätere Festanstellung missbraucht werden. Dazu ist die Probezeit da.
- Faire Bezahlung: Die Praktikumsvergütung orientiert sich an den Vorkenntnissen und der Praktikumsdauer. Mehrmonatige Praktika sollten sich am Bafög-Höchstsatz von derzeit 670 Euro pro Monat orientieren. Ausnahme: Eine gesetzliche Regelung schreibt eine höhere Entlohnung vor. Bei kurzen Schnupper- und Schülerpraktika ist eine geringere Bezahlung möglich.
- Transparenz: Fair-Company-Unternehmen schaffen Transparenz zu Aufgaben, Zielen und Ansprechpartnern sowie zu den Inhalten des Regelwerks. Das Unternehmen verpflichtet sich, den Fair Company-Codex intern öffentlich zu machen, beispielsweise im Intranet, über einen Aushang oder im Anhang des Praktikantenvertrags. Darüber hinaus wird auf die Kontaktmöglichkeiten auf karriere.de hingewiesen.
Transparenzkriterien essentiell für Fair Company
Insbesondere die Transparenzkriterien sind nach Informationen von karriere.de unverzichtbarer Bestandteil für das Funktionieren des Feedback- und Kontrollsystems. Teilnehmende Unternehmen sollen Praktikanten aktiv auffordern, ihre Erfahrungen in einem speziellen Fragebogen zu dokumentieren. Die Gesamtschau an Regeln, Kriterien und Zielen der Fair Company-Initiative hört sich erstmal gut an. Fraglich bleibt jedoch, ob und in welcher Intensität teilnehmende Unternehmen tatsächlich auf mögliche Regelverstöße hin geprüft werden. Im Zusammenhang damit steht auch das Feedbacksystem. Wird dieses nicht aktiv von den Praktikanten genutzt, so fallen mögliche Regelverstöße schnell durchs „Raster“. Nach Angaben von karriere.de liegt die Feedbackquote der Praktikanten bei grob geschätzten fünf Prozent. Ein Wert, der im Sinne einer engmaschigeren Kontrolle ausbaufähig ist. Unstrittig ist: Die Fair Company-Initiative will „Gutes“ und sollten sich im Sinne einer „Good Practice“ in allen Unternehmen etablieren.
Fair Company: Noch zeitgemäß? Oder aktueller denn je?
Aber ist das Fairness-Siegel heute überhaupt noch attraktiv und zeitgemäß? Schließlich haben sich die Rahmenbedingungen im Vergleich zum Gründungsjahr grundlegend verändert. In vielen Bereichen herrscht Fachkräftemangel, auch und gerade in den ingenieurwissenschaftlichen Berufszweigen. Das Risiko, zum „Dauerpraktikanten“ degradiert zu werden, ist geringer geworden. Die Unternehmen möchten Bewerber direkt und dauerhaft durch eine Festanstellung binden. Dennoch können sich Unternehmen durch das Bekenntnis zur Fair Company-Initiative positiv im Wettbewerb um potentielle Kandidaten auszeichnen. Denn die achten jenseits von Gehalt und potentiellen Aufstiegschancen mehr denn je auf Faktoren wie etwa eine aktiv gelebte Unternehmenskultur. Fairness-Regeln spielen hier mit Sicherheit eine zentrale Rolle.
Fazit: Die Fair Company-Initiative ist mit Sicherheit keine Mogelpackung, aber noch weit vom Meilenstein entfernt. Und sie lebt vom Mitmachen: Je intensiver Praktikanten die Feedbacksysteme nutzen und je ernsthafter die Fair Company-Regeln in Unternehmen kommuniziert und angewendet werden, desto größer der Gewinn für beide Seiten.
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