Frauen erobern den Ingenieurberuf
Immer mehr Frauen studieren Ingenieurwissenschaften und arbeiten als Ingenieurinnen. Doch noch sind nicht alle Männerdomänen erobert.
Seit Jahren bemühen sich Wirtschaft, Politik und Bildungsinstitutionen, Frauen für technische und naturwissenschaftliche Berufe zu begeistern. Ein nationaler Pakt für Frauen in Mint-Berufen (Mint steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) wurde gegründet, technische Betriebe öffnen ihre Pforten für Mädchen-Schnuppertage und Konzerne stellen bei gleicher Eignung lieber Frauen ein. Die Maßnahmen sind vielfältig, sie sind heftig umstritten und sie wirken. 23 % aller Studierenden, die im Wintersemester 2017/2018 in einem ingenieurwissenschaftliches Fach eingeschrieben waren, sind junge Frauen. Der erste Schritt hin zu mehr Ingenieurinnen und Informatikerinnen – eine Berufs- und Fächergruppe, die erst seit kurzem unter den Ingenieurwissenschaften geführt werden, ist damit getan.
Immer mehr Frauen studieren Ingenieurwissenschaften
Zugegeben, die Plätze in den deutschen Hörsälen sind noch nicht paritätisch besetzt – obwohl das geht, wie das Maschinenbauinstitut des MIT zeigt – und auch die für einige Unternehmen verbindliche Frauenquote für Vorstände könnte heutzutage noch kein ingenieurwissenschaftlicher Studiengang erfüllen. Aber Hochschulen sind keine Unternehmen und nicht jeder Hochschulabsolvent fühlt sich zum höheren Management berufen. Die 28.564 Ingenieurinnen, die deutsche Hochschulen 2016 mit einem Abschluss verließen, dürften also reichen, um in einigen Jahren die Führungsriegen der großen Unternehmen aufzumischen. Denn jedes Jahr werden es mehr Frauen, die sich als Ingenieurinnen von den Hochschulen ins Berufsleben verabschieden.
Ging im Wintersemester 2010/2011 nur ein gutes Fünftel der Studienplätze in den Ingenieurwissenschaften an Frauen, waren es im vergangenen Wintersemester gut 25 %. In Zahlen ausgedrückt: Vor sieben Jahren nahmen 23.800 junge Frauen ein Ingenieurstudium auf, im Wintersemester 2017/18 waren es nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes 34.976. Da die Studienanfängerzahlen im gleichen Zeitraum insgesamt stiegen, sind die prozentualen Zuwächse zwar gering, aber sie sind stetig. Frauen entscheiden sich zunehmend für ingenieurwissenschaftliche Studiengänge. Wenn auch nicht in allen Fächern.
Angehende Ingenieurinnen bevorzugen anwendungsnahe Ingenieurwissenschaften
Lange Zeit fokussierten sich Frauen vor allem auf ingenieurwissenschaftliche Studiengänge, die als anwendungsnah galten. So studieren traditionell viele Frauen Architektur und Bauingenieurwesen. Im Wintersemester 2016/17 studierten rund 23.800 Frauen und nur 17.484 Männer Architektur. Im Studienfach Raumplanung war das Geschlechterverhältnis nahezu ausgeglichen, die Studienplätze für Bauingenieurwesen wurden immerhin zu einem Drittel von Frauen belegt.
Aber auch die Studienfächer Biotechnologie (Frauenanteil: 55 %), Gesundheitstechnik (45 %) und Chemieingenieurwesen/Chemietechnik (34 %) locken überdurchschnittlich viele Frauen an. Im Mittelfeld liegen Fächer, die einen positiven Trend erkennen lassen: das Vermessungswesen mit einem Frauenanteil von 30 %, die Materialwissenschaft und Werkstofftechnik mit 25 %, das Wirtschaftsingenieurwesen mit ingenieurwissenschaftlichem Schwerpunkt mit 22 % und die Informatik mit 21 %. Generell kann man also sagen: Die beliebtesten Ingenieurstudiengänge bei Frauen sind Kombinationen der Ingenieurwissenschaften mit anderen, lebensnäheren Disziplinen wie Design, Biologie, Gesundheit oder Wirtschaft.
In den klassischen ingenieurwissenschaftlichen Fächern dagegen bleiben Frauen auch Anfang des 21. Jahrhunderts unterrepräsentiert. Unter den klassischen Maschinenbaustudierenden war im Wintersemester 2016/17 jede Zehnte eine Frau. Klassische deshalb, weil in einzelnen Disziplinen des Studienbereiches Maschinenbau sehr wohl gute Frauenquote anzutreffen waren, etwa in der dazu zählenden Gesundheitstechnik oder der Textil- und Umwelttechnik. Mau sieht es auch in der Elektrotechnik (worunter auch IT fällt) und in der Mechatronik aus (13 % und 9 %). Ebenso unterrepräsentiert waren Frauen im Studienbereich Verkehrstechnik (12,5 %), wozu die Studienfächer Fahrzeug-, Luft- und Raumfahrt- sowie Schiffstechnik, Verkehrsingenieurwesen und Nautik zählen.
Immer mehr Ingenieurinnen in allen Arbeitsbereichen
Im Arbeitsmarkt angekommen machten Frauen zuletzt gerade einmal 18 % aller erwerbstätigen Ingenieure in Deutschland aus. Das sind Zahlen, die das Institut der deutschen Wirtschaft Köln in regelmäßigen Abständen im Auftrag des VDI erhebt. Gemessen an der Zahl von 1,756 Millionen Ingenieuren in Deutschland und der Tatsache, dass bei erwerbstätigen Akademikern anderer Fachrichtungen mittlerweile weitgehend Parität herrscht, sind das eindeutig zu wenige. Andererseits waren es im Jahr 2005 noch weniger erwerbstätige Ingenieurinnen, nämlich 205.000 statt heute 312.900. Die Anzahl der Ingenieurinnen steigt also deutlich, ihr Anteil aber nur gemächlich an.
Ihre Arbeitsbereiche sind sehr vielfältig. Etwa jede dritte Ingenieurin findet den Weg in den Sekundärbereich, etwa ins Baugewerbe, in die Energie- und Wasserversorgung, die Elektroindustrie, den Fahrzeug- oder Maschinenbau. Die allermeisten Ingenieurinnen zieht es aber in den Tertiärbereich. Ein Fünftel von ihnen war zuletzt in der wissensintensiven Dienstleistung tätig, sie könnten etwa Forscherinnen sein. Rund 6 % der ausgebildeten Ingenieurinnen waren im Bereich Erziehung und Unterricht tätig. Hier werden auch die Grenzen der Aussagefähigkeit deutlich: Ob die ausgebildeten Ingenieurinnen tatsächlich in einem Ingenieurberuf oder als Managerinnen sowie Professorinnen mit ingenieurwissenschaftlichem Background arbeiten, bleibt unklar. Gewiss ist aber: In Deutschland gelingt es, peu à peu mehr Frauen für den Ingenieurberuf zu begeistern. Und mit der steigenden Anzahl von Ingenieurinnen steigt auch jene von überzeugenden Mentorinnen für die nachkommenden Generationen.
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