Bei Innovationen Bedenkenträger mit ins Boot holen
Meist versanden Innovationen und gute Ideen, weil hartnäckige Bedenkenträger im Unternehmen sie torpedieren. Dabei müssen längst nicht alle im Team einen Wandlungsprozess mittragen. Statt sämtliche Energie in die Überzeugungsarbeit zu stecken, sollten Manager lieber in Multiplikatoren investieren – und dabei nicht taub für Bedenken werden.
Im Grunde verhält es sich bei Veränderungen im Job wie bei einem Rührei mit Speck, meint Change-Berater Georg Kraus. Für das Schwein, das den Speck liefert, geht es um Leben und Tod, während das Huhn weiterlebt – es gibt nur ein paar Eier ab. „Steht ein Wandel im Unternehmen an, erleben das viele als Verlustmoment, der unterschiedlich stark wahrgenommen wird“, sagt Kraus.
Manager sind, um im Bild zu bleiben, dabei oft die Hühner und Mitarbeiter die „Schweine“, die ihr Team, ihre Karrieremöglichkeiten, ihr Fachgebiet oder gar ihren Job verlieren. „Das gilt es zu verstehen, wenn eine Veränderung ansteht“, betont Kraus.
Verlustängste bremsen Innovationen
Die Gefahr: Innovationen und kreative Initiativen bleiben auf der Strecke, weil Verlustängste mächtiger sind – Unternehmen verkrusten, weil Bedenkenträger Überhand gewinnen. Es gilt, Blockierer mitzunehmen, zu überzeugen, ohne dass sie sich wie der Speck im Rührei fühlen. Und das ist gar nicht so schwer.
Eine Grundregel für Berater Kraus lautet: „Bevor jemand als Bremser in eine Schublade gesteckt wird, sollte ergründet werden, woher sein Widerstand rührt.“ Möglicherweise ist der angestrebte Wandel oder das innovative Produkt tatsächlich Unsinn. Kraus: „Dann wäre es mutig, dagegen vorzugehen.“ Falsch ist, Einwände zu ignorieren oder Bedenkenträger auszugrenzen. Auch aus diesem Grund: „Ein neues Projekt blöd zu finden, kann auch eine Ausrede dafür sein, dass dem Bedenkenträger schlicht die Fähigkeiten für die neue Aufgabe fehlen“, weiß der Experte.
Sind Argumente nur vorgeschoben, gilt es, etwaige Ängste und Befürchtungen durch detaillierte Informationen und motivierende Ausblicke zu entkräften. „Wenn es sich um berechtigte Einwände handelt, tun Führungskräfte gut daran, diese als Informationsquelle zu nutzen, welche Bedürfnisse der Beteiligten noch nicht ausreichend berücksichtigt wurden“, sagt Caterine Schwierz, Mitglied der Geschäftsleitung bei von Rundstedt HR Partners. „Häufig liegen die Gründe darin, dass Mitarbeiter Kosten und Nutzen der Veränderung nicht ausreichend verstehen, den Gesamtprozess nicht überblicken können oder sich mit dem Prozess und seinen Maßnahmen nicht identifizieren können.“
Bei Innovation gilt: Notorische Nein-Sager isolieren
Wer darauf eingeht und aufklärt, dem gelingt es eher, Bedenkenträger mit ins Boot holen. Bei allen wird das aber nicht glücken. Doch es gibt eine kritische Größe, die erreicht werden sollte, wenn ein Wandel glücken soll. Schwierz: „Es hat sich gezeigt, dass man zwischen 20 % und 30 % Unterstützer braucht, damit ein Change-Prozess gelingt.“
Nicht jeder muss mitziehen. Dies möchten jedoch viele Manager. Das ist aber falsch: „Führungskräfte verwenden viel Zeit und Energie auf die Nein-Sager“, weiß Schwierz. Sie sollten mit ihrer Energie haushalten und sich verstärkt um jene kümmern, die den Wandel unterstützen und um das große Mittelfeld, das dem Wandel (noch) neutral gegenübersteht, rät sie. „Die wirklich notorischen Nein-Sager müssen Führungskräfte isolieren und darauf achten, dass andere nicht negativ beeinflusst werden“, sagt Schwierz.
Multiplikatoren kommt eine entscheidende Rolle zu. Ist beispielsweise ein ganzer in die Jahre gekommener Produktbereich bedroht, weil er einer innovativen Idee weichen muss, sollten Multiplikatoren jedem Einzelnen erklären, welche Konsequenzen das für ihn hat: „Wichtig sind Verbündete, die in der Lage sind, das Positive und die Chancen eines neuen Produktes oder Wachstumsfeldes zu erklären. Nur das überzeugt Bedenkenträger“, sagt Markus Albrecht, Partner der Managementberatung Accenture, der dort den Bereich Veränderungsprozesse und -kommunikation verantwortet.
Je besser erklärt werden kann, welche neuen Fähigkeiten gefordert sind, desto eher gelingt es, Bremsern ihre Ängste zu nehmen. Im Kern stehe die Frage: „Was ist mein Beitrag dabei?“ Denn oft herrsche die Furcht vor, an Einfluss oder Macht zu verlieren, hat auch Schwierz beobachtet: „Um diese Ängste aufzulösen, müssen Führungskräfte ihren Mitarbeitern gut zu hören, nachhören und im Idealfall Unterstützung, etwa in Form eines Coachings, anbieten.“
Innovations-Bremser sind oftmals durch negative, persönliche Erfahrungen geprägt
Unter Umständen zeige sich in diesen Gesprächen auch, dass der Widerstand gar nichts mit dem aktuellen Veränderungsprozess zu tun hat, sondern das Ergebnis negativer Erfahrungen in anderen Lebensbereichen ist. Schwierz: „In diesen Fällen ist es ratsam, dem Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, neue positive Erfahrungen zu machen: ihm Raum zu geben, neue Verhaltensweisen auszuprobieren.“
Überhaupt Ausprobieren. Daran mangele es gerade deutschen technologiegetriebenen Unternehmen, meint Accenture-Berater Albrecht. Allzu gern versandeten gute Ideen oder kämen zu spät auf den Markt aus der Angst, der Kunde könnte ein neues Produkt nicht goutieren. Gerade bei ingenieurgetriebenen Produkten und Dienstleistungen hätten Bremser zuweilen Oberwasser. Als gutes Gegenmittel empfiehlt Albrecht eine tolerante Fehlerkultur. Flops müssen erlaubt sein, wenn sie dazu führen, dass daraus gelernt und mehr gewagt wird. Und noch etwas gibt Albrecht Führungskräften mit auf den Weg, die auf Bremser stoßen: „Hoffnungslose Fälle gibt es nicht. Fast jeder kann für Neues begeistert werden.“
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