„Boxen statt Mimimi“ – Wie ein Ingenieur diese Sportart zur Stärkung von Führungskräften einsetzt
Christoph Teege, Maschinenbauingenieur und heutiger Boxcoach, entdeckte seine Leidenschaft für den Boxsport in der Sendung TV total Quizboxen mit Stefan Raab. Ursprünglich als Hobby zum Stressabbau begonnen, entwickelte er das Boxtraining zu einem Kernelement seines beruflichen Konzepts weiter.
In der Show konnte er sich gegen alle Mitstreiter durchsetzen und wurde zum Quizbox-Weltmeister – ein Erlebnis, das ihm zeigte, wie effektiv Boxen nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale Stärke fördern kann. Inspiriert von diesen Erfahrungen begann er, Boxübungen in seine Seminare zu integrieren, was bei den Teilnehmenden auf große Begeisterung stieß.
Motiviert von der positiven Resonanz entwickelte er das Konzept weiter und etablierte 2013 das „Boxen statt Mimimi“-Event: ein praxisnahes Boxtraining, das Führungskräften dabei hilft, sich körperlich und mental auf berufliche Herausforderungen vorzubereiten.
Christoph, warum Mimimi?
Gute Frage! Boxen statt Mimimi entstand tatsächlich aus einem Gespräch mit Teilnehmenden während einer Übung. Einige haben dabei spaßeshalber gesagt: ‚Los, weitermachen, jetzt nicht gleich aufgeben – wir sind hier beim Boxen und nicht beim Mimimi!‘ Das Motto war geboren und hat sich schnell durchgesetzt. Es bedeutet sinngemäß, nicht beim ersten Rückschlag aufzugeben, sondern dranzubleiben und sich durchzukämpfen – nicht gegen andere, sondern gegen den inneren Schweinehund. Es geht darum, mental stark zu bleiben und Hindernisse zu überwinden.
Gilt das eher für Führungskräfte oder für Angestellte?
Es betrifft sowohl Fach- als auch Führungskräfte, ebenso wie Teams. In meinen Boxen statt Mimimi-Events arbeite ich mit diesen Personen zusammen, gebe Impulse und begleite Einzelne oder ganze Teams im Coaching. Dabei erörtern wir genau diese Fragen so, dass sich jeder Gehör fühlt. Am Ende ist es wichtig, dass das gesamte Team am gleichen Strang zieht und auf dasselbe Ziel hinarbeitet.
Das ist also eine Form von Teambuilding, aber auf eine andere Art, richtig?
Genau, es ist eine sehr bewegte und spielerische Art des Teambuildings. Durch die praktischen Boxübungen bewegst du deinen Körper und bekommst ein Verständnis für das Boxen. Dabei entstehen zahlreiche Bilder und Vergleiche, die es einfacher machen, die Konzepte zu begreifen. Wenn das Verständnis steigt, ist auch die Bereitschaft, das Gelernte umzusetzen, viel höher, als wenn man nur darüber spricht.
„Es gibt keine blauen Augen und keine blutigen Nasen“
In diesen Workshops kämpfen die Mitarbeiter also nicht gegeneinander, sondern arbeiten mit Geräten?
Es gibt keine blauen Augen und keine blutigen Nasen.
Es wird auch niemand bloßgestellt. Das Ziel ist, dass die Teilnehmer zusammen trainieren und gemeinsam arbeiten. Dabei sind Männer und Frauen, Führungskräfte und Mitarbeitende vertreten. Sie absolvieren verschiedene Übungen zusammen, wobei sie nicht gegeneinander kämpfen, sondern auf sogenannte Schlagpolster schlagen.
Geht es also weniger darum, sich gegen Kollegen oder den Chef durchzusetzen, sondern vielmehr darum, die eigenen inneren Grenzen zu überwinden?
Das sind alles nur Klischees und Vorurteile, die in den Köpfen der Menschen feststecken. Deshalb bin ich sehr transparent in meiner Kommunikation. Ich schreibe viel und bin aktiv in den sozialen Medien, um diese Klischees zu entkräften.
Wenn man tiefer ins Boxen eintaucht, sei es durch das Lesen von Blogartikeln, Interviews oder das Besuchen eines Vortrags auf einer Messe, wird vieles klarer. Es geht nicht darum, den Chef oder die Mitarbeitenden umzuhauen, sondern vielmehr darum, sich selbst zu stärken und andere zu unterstützen.
Am Ende wollen wir alle das Gleiche: ein gutes Arbeitsklima. Zumindest 91 % der Menschen streben nach einem positiven Umfeld im Unternehmen. Wir alle tragen durch unser Verhalten dazu bei, dass sich jeder wohlfühlt. Dabei sind bestimmte Charaktereigenschaften wichtig, die man durch Boxen trainieren kann, wie beispielsweise Eigeninitiative.
Beim Wettkampfboxen steht man einem echten Gegner gegenüber. Im Alltag jedoch haben wir keinen direkten Gegner – unser eigentlicher ‚Gegner‘ sind oft wir selbst oder die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Das Ziel ist also, die inneren Hürden zu überwinden und an der eigenen mentalen Stärke zu arbeiten.
Analysieren, nicht aufgeben und weitermachen
Das passt wahrscheinlich auch für diejenigen, die noch nicht im Job sind und ständig Absagen erhalten. Was würdest du dieser Zielgruppe empfehlen, um mit diesen Rückschlägen umzugehen?
Auf jeden Fall! Das ist genau das, was ich auch in der Karriereberatung empfehle, besonders im 1:1-Coaching mit Studierenden oder Berufseinsteigern: Analysieren, nicht aufgeben und weitermachen.
Ingenieure sind sehr kluge Menschen, die gut analysieren können. Oft kommen sie selbst darauf, woran es lag. Zum Beispiel, wenn ein Unternehmen einen Maschinenbauer sucht und ich mich als Wirtschaftsingenieur bewerbe – oder noch krasser: Wenn ich mich als Wirtschaftsingenieur mit zehn Jahren Berufserfahrung auf eine Stelle für Berufseinsteiger bewerbe, ist es ziemlich offensichtlich, warum ich nicht in die engere Auswahl komme.
Es ist oft klar, warum eine Absage kommt – weil bestimmte Anforderungen nicht erfüllt sind. Daher ist es wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein: Was bringe ich mit? Was sind meine Qualifikationen und Stärken, und wie passen diese zu den Stellenanzeigen?
Wenn ich viele Absagen erhalte, sollte ich analysieren, woran das liegt, und vor allem Eigeninitiative zeigen. Es gibt beim VDI oder bei den Recruitingtagen kostenlose Karriereberatungen. Dort kann man seinen Lebenslauf von einer externen Person überprüfen lassen. Außerdem kann eine Mitgliedschaft beim VDI Zugang zu zahlreichen Karrieretipps bieten. Das hilft oft, die Gründe für die Absagen zu erkennen und mögliche Verbesserungen zu finden.
Wie würdest du deine Zielgruppe für deine Workshops definieren?
Meine Zielgruppe besteht überwiegend aus Unternehmen. Innerhalb dieser Unternehmen gibt es verschiedene Schwerpunkte. Zum einen biete ich Workshops für spezifische Teams an, zum anderen organisiere ich auch öffentliche Veranstaltungen, an denen Mitarbeitende aus allen Bereichen teilnehmen können. Diese Seminare sind in der Regel firmenintern und richten sich an alle Mitarbeiter.
„Weder im Boxen noch im Berufsleben gewinnt man allein“
Könntest du ein konkretes Beispiel aus dem Karrierebereich geben, wie Boxen in bestimmten Situationen hilfreich sein kann?
Ja, es gibt mehrere klassische Beispiele. Stellen wir uns vor, jemand möchte sich beruflich neu orientieren. Ähnlich wie im Boxen geht es zuerst um die Vorbereitung: Man klärt für sich, was die eigenen Stärken und Schwächen sind, welche beruflichen Ziele man verfolgt und was man vermeiden möchte. Anschließend folgt die Frage nach dem passenden Unternehmen: Soll es ein kleines, mittelständisches oder großes Unternehmen sein? Welche Branche, welche Produkte oder Dienstleistungen passen zu den eigenen Vorstellungen?
Wenn diese Orientierung klar ist, geht es um die Eigeninitiative. Man recherchiert Stellenanzeigen, bewirbt sich und geht aktiv auf Unternehmen zu. Hat man es dann zum Vorstellungsgespräch geschafft, ist eine gründliche Vorbereitung entscheidend, genau wie vor einem Boxkampf. Auch im Job selbst hilft Boxen, indem es Körper und Geist fit hält. Gerade in stressigen Phasen ist es wichtig, den Kopf frei zu haben, Stress abzubauen und leistungsfähig zu bleiben.
Ein letzter Punkt: Weder im Boxen noch im Berufsleben gewinnt man allein. Man braucht ein gutes Team, auf das man sich verlassen kann. Teamgeist ist essenziell – das bedeutet, sich selbst treu zu bleiben, gleichzeitig aber auch das Wohl und die Dynamik des Teams im Auge zu behalten.
Und wie sieht es mit der Schlagfertigkeit aus? Man sagt ja oft, dass Schlagfertigkeit auch im Beruf wichtig ist, um in verschiedenen Situationen schnell und angemessen reagieren zu können. Könntest du hier eine Parallele zum Boxen ziehen?
Schlagfertigkeit spielt eine wichtige Rolle, besonders bei verbalen Angriffen. Nehmen wir an, im Büro sagt jemand: ‚Du bist zu jung, zu alt, zu unerfahren oder hast keine Expertise – warum willst du die Projektleitung übernehmen?‘ In solchen Momenten kann eine schlagfertige Antwort hilfreich sein, aber sie sollte wohlüberlegt sein.
Eine unbedachte Antwort kann dazu führen, dass das Gespräch eskaliert, während eine geschickte, schlagfertige Reaktion dazu beitragen kann, die Kommunikation auf einem respektvollen Niveau zu halten.
Es ist wichtig, sich auf solche Situationen vorzubereiten, besonders wenn man weiß, dass Kritik oder negative Bemerkungen kommen könnten. Man kann sich Strategien überlegen, um selbstbewusst und gelassen zu reagieren, ohne die Beziehung zu den Kollegen zu gefährden. So bleibt das Gespräch konstruktiv, und man zeigt, dass man sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.
Eine Antwort, die ich oft empfehle, lautet: ‚Was genau meinen Sie damit?‘ Wenn beispielsweise jemand sagt: ‚Du bist zu jung‘ oder ‚Du bist zu alt‘, könnte man nachfragen: ‚Was genau meinen Sie mit ‚zu jung‘ oder ‚zu alt‘?‘ Diese neutrale Formulierung eignet sich für nahezu alle verbalen Angriffe und bringt den anderen dazu, seinen Kommentar zu konkretisieren. Viele tun sich schwer, dies zu tun, wodurch die Dynamik des Gesprächs verändert wird. So bleibt man selbst ruhig und lenkt die Diskussion zurück auf eine sachliche Ebene.
Welche weiteren Parallelen siehst du zwischen Boxen und dem Berufsalltag?
Es geht generell um den Umgang mit Rückschlägen, das Thema Motivation und das Thema Veränderung.
Ein Ziel ist wie ein Boxkampf
Könntest du ein wenig ausführlicher darauf eingehen, wie Motivation in diesem Kontext eine Rolle spielt?
Ich arbeite oft mit Boxmetaphern, also mit Bildern und Konzepten aus dem Boxen, die sich gut auf den Alltag übertragen lassen. Ein Beispiel: Ein Ziel zu erreichen ist wie einen Boxkampf zu gewinnen. Diese These führt zu vielen Fragen.
Erstens: Was ist aktuell mein ‚Wettkampf‘? Was ist das Ziel, das ich verfolge? So wie ein Boxer nur einen Wettkampf gleichzeitig bestreiten kann, macht es Sinn, sich im Alltag auf ein Ziel zu konzentrieren.
Die nächste Frage ist: Warum steige ich in den Ring? Was motiviert mich, dieses Ziel zu erreichen? Dann stellt sich die Frage, was ich tun muss, um am Ende als Sieger den Ring zu verlassen. Was sind die konkreten Schritte, die ich unternehmen muss?
Es geht darum, aktiv zu werden und dranzubleiben, bis ich mein Ziel erreicht habe. Und auch hier kommt die Frage auf: Wenn ich Rückschläge erleide und schwierige Phasen durchmache, wann gebe ich auf und wann kämpfe ich weiter?
Die Antworten auf diese Fragen müssen von der Person oder dem Team selbst kommen, denn sie können nicht vorgegeben werden. So wird der Prozess des Zielverfolgens zu einer persönlichen und individuellen Reise.
Wie hilft das Boxtraining beim Stressabbau? Viele Menschen nutzen solche Aktivitäten, um Stress zu reduzieren.
Für alle, die unter Stress leiden, gibt es drei Möglichkeiten, damit umzugehen. Die erste ist, Stress durch Bewegung abzubauen. Die zweite besteht darin, zu lernen, Grenzen zu setzen. Die dritte Möglichkeit ist, die eigenen Stressauslöser zu reflektieren. Boxen kann bei all diesen Ansätzen helfen:
Durch die körperliche Bewegung beim Boxen kannst du Stress effektiv abbauen. Gleichzeitig stärkt es dein Selbstvertrauen, was dir wiederum dabei hilft, im Alltag leichter Grenzen zu setzen.
Der nächste Schritt ist, darüber nachzudenken, wer oder was dich stresst und warum. So kannst du herausfinden, welche Maßnahmen du ergreifen kannst, um dein Stresslevel auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und besser zu bewältigen.
Boxen gegen stärkt körperliche Ressourcen
Du hast erwähnt, dass du einen Ingenieurhintergrund im Maschinenbau hast. Da unsere Zielgruppe ebenfalls Ingenieure sind, wie würdest du deine Erfahrungen in diesem Kontext beschreiben?
Ingenieure arbeiten viel mit dem Kopf. Sie sind oft damit beschäftigt, zu analysieren, zu planen und Probleme zu lösen. Das führt dazu, dass ihr Geist stark gefordert ist, während sie häufig wenig Bewegung bekommen, da sie viel im Büro sitzen. Dadurch sind sie anfällig für Rückenschmerzen und Burnout.
Boxen ist für sie ideal, weil es nicht nur hilft, den Kopf freizukriegen, sondern auch die körperlichen Ressourcen stärkt. Dies trägt dazu bei, Rückenschmerzen vorzubeugen und das Risiko von Burnout zu verringern.
Was bereitet dir bei deiner Arbeit und deiner Beratung am meisten Freude?
Am meisten Freude bereitet mir, zu sehen, wie die Menschen anfangen zu leuchten. Zu Beginn sind sie oft zurückhaltend und skeptisch, aber spätestens wenn sie mit dem Boxen beginnen, ändert sich das. Ich merke, wie der Stress nachlässt, wie sie entspannter werden und selbstbewusster auftreten. Es ist großartig zu beobachten, wie sie aufrechter stehen und strahlen.
Besonders schön sind die Rückmeldungen, die ich manchmal per E-Mail oder über LinkedIn erhalte, in denen die Teilnehmer sagen: ‚Das war richtig cool‘ oder ‚Das, was wir in der Reflektion erarbeitet haben, konnte ich super anwenden. Danke!‘ Solche Rückmeldungen bestätigen mir, dass das Boxen vielen Menschen tatsächlich helfen kann.
Christoph Teege spricht auch zu diesem Thema am 7. November bei unserem VDI nachrichten Recruiting Tag in Köln.
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