Claudia Petersen ist als Spritzen-Expertin erfolgreich
Herbstzeit, Grippezeit. Die Spritze, die der Arzt beispielsweise für eine Grippeschutzimpfung nimmt, könnte aus Bünde in Ostwestfalen kommen. Hier stellt der Geschäftsbereich Tubular Glass der Gerresheimer AG täglich rund um die Uhr Ready-to-Fill-Spritzen im siebenstelligen Bereich her. Claudia Petersen (45) ist dort verantwortlich für das Business Development und sorgt als eine Art Trendscout für die Weiterentwicklung der Spritzen-Produkte und für Produktinnovationen.
Eigentlich wollte Claudia Petersen als junges Mädchen Tierärztin werden. Klar, auf einem Bauernhof in der Nähe von Flensburg aufgewachsen, wo es „mehr Kühe als Einwohner gab“, Pferde im Stall, da lag das nah. Und sie wäre sicher auch sehr gut in diesem Job geworden. Was für ein Glück für Gerresheimer, dass sie sich doch noch anders entschieden hat.
Die diplomierte Bio-Verfahrenstechnikerin mit dem herzlichen Lachen absolvierte zunächst eine Ausbildung als Chemielaborantin und ging dann den technisch orientierten Studiengang an der TU Berlin an. Naturwissenschaften haben ihr schon immer gelegen, zudem hatte sie damals viele Bekannte, die Maschinenbau oder Ähnliches studierten. „Da habe ich gedacht, doofer bin ich auch nicht“, sagt Petersen und lacht. Eigentlich, so fügt sie hinzu, habe sie darüber gar nicht so viel nachgedacht. Sie hat einfach gemacht.
Claudia Petersen ist aktiv, aufgeschlossen, humorvoll und wissbegierig
Und das ist es wohl, was sich durch das Berufsleben der zierlichen Frau zieht und auch ihren Erfolg mitbegründet: Sie ist aktiv, aufgeschlossen, humorvoll und wissbegierig, und zwar mit Leidenschaft, das wird in jedem ihrer Sätze deutlich, und auch durch ihre Taten: Um im kaufmännischen Bereich firm zu sein, absolvierte sie später noch ein Aufbaustudium BWL und Marketing an der Fernuni Hagen. „Das war wichtig“, betont sie.
Nach dem regulären Bio-Verfahrenstechnikstudium stieg sie zunächst bei einem amerikanischen Joint Venture ein, das schlüsselfertige pharmazeutische Anlagen für Kunden baut und war dort schließlich leitende Validierungs-Ingenieurin. Später wechselte sie zu einem Hersteller für Produkte aus pharmazeutischem Gummi, beriet Kunden in Europa und Amerika und auch Japan im Technical Support.
Zu Gerresheimer kam sie eher durch einen Zufall. Es passte gut in ihre Lebensplanung: Da ihr Freund, ein Ingenieur, und sie eine Fernbeziehung führen (er ist in Hannover), war die Bünde-Stelle eine gute Gelegenheit für sie, die Distanz zu ihm zu verringern. Bei näherer Betrachtung des Lebenslaufs scheint es so, als wenn Claudia Petersen dort anfangen musste, denn hier kann sie ihr bis dahin weltweit erworbenes Know-how aus der Welt der Materialien und Pharmatechnik bündeln und gewinnbringend einsetzen. Gleich geht sie in eine Besprechung zur Produktentwicklung für einen Kunden in Amerika, es geht um die Angebotserstellung und weitere Fragen. „Ich wundere mich manchmal schon, was ich so alles mache“, sagt sie und lacht. Kein Tag ist wie der andere, mindestens 50 % der Arbeitszeit verbringt sie auf Dienstreisen, mit Kundengesprächen, Vorträgen, Messen… Da bleibt nicht viel Zeit für private Hobbys. „Der Job fordert schon Verzicht“, sagt Petersen.
Petersen arbeitet für den Ready-to-Fill-Spritzen-Hersteller Gerresheimer
In Bünde werden jährlich Hunderte Millionen Ready-to-Fill-Spritzen hergestellt. Das läuft in groben Zügen so ab: Aus einem Glasrohr werden Stücke geschnitten, diese werden mittels Glasumformung in Karpulen (beispielsweise für Insulin) oder Spritzenkörper geformt. Dies geschieht auf speziell in Bünde entwickelten Maschinen, dann werden die Glasspritzen im Reinraum weiterverarbeitet, beispielsweise silikonisiert, d. h. auf der Innenseite mit Silikonöl beschichtet, damit die Kolbenstopfen beweglich sind, mit Schutzkappen versehen, speziell verpackt und sterilisiert. Von dort aus gehen sie dann zum Kunden aus der Pharmaindustrie, der sie unter aseptischen Bedingungen mit der jeweiligen Arznei befüllt und an Ärzte und Apotheken liefert.
Gerresheimer ist mit diesem Produkt auf Platz zwei auf dem Weltmarkt. Claudia Petersen ist mitverantwortlich für die Systemfunktionalität dieser Spritzen, beispielsweise, dass sich die Schutzkappe auch nach Lagerung noch problemlos entfernen lässt. Ein Patent hat Gerresheimer unter anderem auf ein Schraubkappen-System. Die Vorgehensweise ist eine Herausforderung, denn alles zählt zur Arzneimittelregistrierung, wenn eine Kleinigkeit wie die Kontaktfläche der Schraubkappe geändert wird, müssen die Arzneimittelhersteller das neu beantragen. So eine Entwicklung dauert Jahre, und sie sei auch noch nicht ganz abgeschlossen. Von Kunden oder anderen Firmen, die auf sie auf Konferenzen zukommen, bekommt sie neuen Input und trägt diesen in die Firma. „Ich bin so eine Art Vorfilter, ob das technisch machbar ist und sinnvoll“, sagt sie. Die eigentliche Entwicklungsarbeit macht dann die Entwicklungsabteilung, mit der sie aber ständig im Austausch steht. Dort arbeiten fünf Ingenieure und eine technische Zeichnerin.
Auch Spritzenzubehör gehört zu Petersens Aufgabengebiet. Sie ist gespannt, wie sich der Markt in Europa für Safety-Devices entwickelt, Schutzvorrichtungen, die verhindern, dass sich Krankenschwestern und andere an den Nadeln verletzen und eventuell mit schweren Krankheiten infizieren. „In den USA ist diese Art Schutz mittlerweile schon Pflicht, in der EU sollen die Länder das ab dem nächsten Jahr umsetzen“, erklärt sie.
Japan-Erfahrungen von Petersen eröffnen der Gerresheimer AG ein neues Geschäftsfeld
Hier ist sie am Ball: Wie lässt sich das umsetzen, wo sind mögliche Kooperationspartner, all das sind Fragen, die Petersen beschäftigen. Ihre Erfahrungen im japanischen Raum haben Gerresheimer ein weiteres Feld eröffnet: Die COP-Spritzen. „Das ist mein Baby“, sagt sie. Mit diesen speziellen Plastikspritzen bedient Gerresheimer einen Nischenmarkt für Kunden, bei denen Glasspritzen nicht die Anforderungen erfüllen, weil beispielsweise die Arzneimittelformulierung sehr aggressiv ist.
Die Kunden können dann auf die teureren Spritzen aus zyklischen Olefinen (COP) zurückgreifen. Gerresheimer hat dazu eine Systempartnerschaft mit einem japanischen Unternehmen aufgebaut. Die Pharmaindustrie sei eine ständige Herausforderung, weil sie doch konservativ sei. „Alle wollen neue Produktinnovationen, aber keiner will der Erste am Markt damit sein“, sagt sie. Das schreckt sie nicht ab. Eine ihrer nächsten selbstgesteckten Aufgaben: Wie lässt sich Silikonöl mittels Alternativen ersetzen?
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