Versicherungen für Unternehmen 22.06.2012, 11:55 Uhr

D&O-Haftpflichtversicherungen für Mittelstand und Kleingewerbe

Die kleine, aber feine Versicherungssparte der Directors-and-Officers (D&O) Versicherungen sucht im Mittelstand und im Kleingewerbe nach neuen Kunden. Weil der Wettbewerb unter den Versicherern tobt, sind die Prämien historisch niedrig. Das Argument soll jetzt Familienunternehmer und ehrenamtlich tätige Aufseher überzeugen.

Wenn Kapitalanleger, Unternehmen oder Insolvenzverwalter die Mitglieder eines Vorstands oder Aufsichtsrats wegen Pflichtverletzungen auf Schadenersatz verklagen, grätscht die Directors and Officers Liability (D&O), die Berufshaftpflicht für das Führungspersonal, regelmäßig dazwischen. Die Versicherer prüfen die Richtigkeit der Ansprüche und entschädigen den Klagesteller, wenn dem Manager schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden kann. Damit ist die D&O-Police eine Art Berufshaftpflichtversicherung. Dank ihrer müssen die Leitenden nicht um ihr privates Vermögen bangen, wenn sie riskante Entscheidungen zu treffen haben.

Dieses Sicherheitsnetz gehört mittlerweile auch in Deutschland zum Vertragspaket von Top-Managern und deren Aufsehern. „Bei den Dax-30-Unternehmen herrscht hundertprozentige Abdeckung im Markt“, behauptet Jose David Jimenez, Manager bei der Chubb Insurance Company of Europe SE in Düsseldorf, „und eine sehr hohe im Bereich darunter, also im M-Dax und im Tech-Dax.“

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Vertriebspotenzial sehen er und seine Kollegen noch im Mittelstand, besonders bei den familiengeführten Unternehmen. Dort sei erst jeder dritte Spitzenmanager im Besitz einer Police, schätzt Heiner Eickhoff, Geschäftsführer der Dual Versicherung in Köln.

Seine Branchenkollegin Nicole Weyerstall von der Zurich Versicherung in Bonn erklärt, warum sie das für Sparen am falschen Platz hält: „Bei mittelständischen Unternehmen treten ebenso häufig Schäden auf wie bei Konzernen. Die Familienunternehmen haben sich in den letzten zwei, drei Jahren gewandelt, es gab Generationswechsel, fremde Geschäftsführer kommen hinein, und die fragen nach einer D&O-Police. Oder die Kinder haben das Unternehmen übernommen, und dann gibt es Inanspruchnahmen. Oft hält die ältere Generation auch noch Anteile und hat den Kindern nur die Geschäftsführung übertragen. Die treffen womöglich falsche Entscheidungen, und dadurch sinkt der Unternehmenswert.“

D&O-Haftpflichtversicherungen für Vorstände von Vereinen und Stiftungen sinnvoll

Diederik Sutorius von der Kölner VOV, einem Zusammenschluss mehrerer Assekuranzen, sieht eine weitere Zielgruppe bei solchen Gesellschaftsformen, in denen das Gleichgewicht zwischen einer Entlohnung der Tätigkeit und der persönlichen Haftung der Organmitglieder nicht mehr existiert. Beispiel dafür seien ehrenamtlich tätige Vorstände von Vereinen und Stiftungen. „Zudem birgt der kommunale Bereich Potenziale“, so der Niederländer, „etwa für in den Aufsichtsrat kommunaler Gesellschaften entsandte Vertreter.“ Solchen Arbeitgebern entstünde geradezu eine moralische Verpflichtung, diesen Personenkreis durch eine D&O-Police abzusichern.

Wichtige Neuregelungen wie das Vorstandsvergütungsgesetz oder die Verlängerung der gesetzlichen Verjährung für Banken und börsennotierte Aktiengesellschaften haben die Risiken aufgrund falscher Entscheidungen und Handlungen von Top-Managern erhöht. „Das hat uns über die Jahre sehr gut in die Karten gespielt“, gibt Jose David Jimenez von Chubb unverblümt zu. Arndt Reinhard, Manager Financial Line bei Chartis in Frankfurt, will das nicht so stehen lassen. „Gesetzesänderungen sind das eine“, sagt er, „die großen Haftungsfälle sind das andere. Die Gesetze haben nicht zwingend eine Haftungsverschärfung mit sich gebracht, aber die Aufmerksamkeit darauf gelenkt.“

Und das ist gut für die Branche. Je öfter von persönlicher Haftung die Rede sei, desto mehr Sorgen machten sich die Entscheider und je eher bäten sie ihren Versicherungsmakler um Beistand.

Vermittlung von D&O-Haftpflichtversicherungen fast ausschließlich über Makler

Das D&O-Geschäft in Deutschland wird nahezu ausschließlich über Makler vermittelt. „Das ist ein absolutes Makler- und Vermittlergeschäft“, bestätigt Nicole Weyerstall von der Zurich Versicherung. Michael Hendricks, Doyen der Zwischenhändler, legt viel Raum zwischen sich und die Wettbewerber: „Know-how in Sachen D&O gibt es eigentlich nur bei den Großmaklern und dort in der Qualität sehr abhängig von den jeweils zuständigen Mitarbeitern“, urteilt der Düsseldorfer und stampft die kleineren Assekuranzen in den Boden: „Sachverstand bei den Versicherern haben nur die führenden Gesellschaften und Spezialanbieter.“

Der Preis für die Abnahme des Haftungsrisikos ist in den letzten Jahren gesunken. Die Prämie für eine Haftungssumme von 10 Mio. € kostet etwa 10 000 € im Jahr. Chubb-Manager Jimenez spricht von einem „historisch niedrigen Prämienniveau“, eine sprunghafte Preisentwicklung sieht er nicht. „Trotz steigender Risiken ist noch viel Versicherungskapazität im deutschen D&O-Markt vorhanden“, sagt Diederik Sutorius, Geschäftsführer der Kölner VOV. Deshalb seien kurzfristig keine Preissteigerungen zu erwarten. „Dies könnte sich ändern, wenn das Zinsniveau so niedrig bleibt, mehrere Großschäden reguliert werden müssen und sich die Rechtsprechung verstärkt nachteilig auf die Haftungssituation der Manager auswirkt.“

D&O-Haftpflichtversicherungen noch für günstige Prämien zu haben

Doch bevor die in einem harten Verdrängungswettbewerb stehenden Versicherer die Prämien erhöhen, dürften sie eher ihre Bedingungswerke überarbeiten und kostspielige Risiken herausnehmen. Dem träten die Makler energisch entgegen, versichert Jürgen Reinschmidt vom Maklerhaus Willis: „Wir schreiben die D&O-Verträge ständig aus, um die Anbieter zu Verbesserungen der Konditionen und/oder Bedingungen zu zwingen.“

Die Bedingungswerke dürften keine Überraschungen im Kleingedruckten beinhalten, meint auch VOV-Chef Sutorius. „Aber mindestens so wichtig ist die Schadensregulierung. Wenn der D&O-Markt so weich bleibt wie derzeit, könnte eine zunehmende Schadenbelastung die Qualität der Schadensregulierung beeinträchtigen.“

Dies zeige die Erfahrung im Ausland, wo Versicherer durch ihr Verhalten im Schadensfall erhebliche Reputationsverluste hinnehmen mussten. „Deshalb könnte man sich überlegen“, schlägt Sutorius vor, „Schadenrichtlinien auf Unternehmensebene in einem Kodex festzuschreiben.“ 

Ein Beitrag von:

  • Christine Demmer

    Christine Demmer hat als Wirtschaftsjournalistin für überregionale Tageszeitungen und Magazine gearbeitet. Sie ist Managementcoach und Kommunikationsberaterin sowie Autorin von Sachbüchern zum Thema Karriere.

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