Interview 10.10.2024, 14:00 Uhr

Der geklonte Manager: Wie Martin Giesswein sich selbst durch KI überflüssig machte

Vor einem Jahr wagte Martin Giesswein, Digitalisierungsexperte und erfahrener Vortragender an der WU Executive Academy, ein Experiment: Er wollte herausfinden, ob er sich als Führungskraft und Unternehmer durch Künstliche Intelligenz überflüssig machen könnte. Mit dem Ziel, seinen beruflichen Alltag neu zu definieren, wählte er die fortschrittlichsten KI-Tools aus und überließ ihnen die entscheidenden Aufgaben. In diesem Interview berichtet er, was dabei herauskam.

Martin Giesswein

Mit KI zur Effizienz: Martin Giessweins radikales Experiment für Führungskräfte.

Foto: Lars Ternes

Könnten Sie zunächst bitte erzählen, welche Position Sie derzeit innehaben und wie viele Mitarbeiter Ihnen direkt unterstellt sind?

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Martin Giesswein: Früher habe ich in großen Unternehmen gearbeitet und hatte zahlreiche Mitarbeiter unter mir. Diese Struktur hat sich jedoch geändert. Jetzt bin ich als Einzelunternehmer tätig und arbeite in großen Projekten im Bereich der Digitalisierung. Ich bin Teil von Projektteams, oft in einer Leitungsfunktion, und übernehme somit eine Führungsrolle. Zudem bin ich Mitglied der Fakultät der WU Executive Academy, wo ich Managerinnen und Manager weiterbilde.

In beiden Positionen bin ich ein typischer Wissensarbeiter, der sein Wissen bereitstellt und sowohl Projekte als auch Unterrichtseinheiten leitet. Das bedeutet, dass ich viele Managementaufgaben zu bewältigen habe. Hierbei unterstützt mich KI, indem sie die Zeit reduziert, die ich für Führungsaufgaben benötige. Zudem steigert sie die Qualität der Projekte, da wir alle Aufgaben effizient protokollieren und sauber verteilen können. Dadurch sind wir nicht mehr darauf angewiesen, zusätzliche Stunden für die Erstellung von Protokollen aus vorherigen Meetings aufzuwenden.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich selbst durch KI zu ersetzen?

Wenn bedeutende Veränderungen eintreten, wie etwa durch neue Technologien, frage ich mich zunächst: „Wie betroffen bin ich selbst?“ Als Wissensarbeiter, Manager und Vortragender stellt sich mir die Sorge, ob ich in meinem Beruf ersetzt werde. Ich habe im Laufe meines Lebens bereits über 20 verschiedene Jobs gehabt, und oft kam es vor, dass ganze Abteilungen in Unternehmen aufgelöst wurden und man dadurch seine Position verlor.

Was bedeutet das für mich in der aktuellen Situation? Angesichts der technologischen Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz, wollte ich einen Selbstversuch durchführen. Ich wollte herausfinden, inwieweit Menschen in ihren beruflichen Rollen substituierbar sind, bevor die Tatsachen klar werden. Dabei habe ich festgestellt, dass es noch eine Weile dauern wird, bis ganze Positionen, wie die eines Managers, durch Technologie ersetzt werden.

Gleichzeitig ist es jedoch beeindruckend, wie viele spezifische Aufgaben in meiner Arbeit bereits jetzt durch Tools unterstützt werden. Diese Erkenntnis teile ich gerne mit anderen, und immer mehr Menschen fragen mich, welche Tools ich verwende und wie ich damit arbeite. Insbesondere auf höheren Hierarchieebenen ist praktisches Wissen über diese Technologien oft nicht gegeben, da viele Führungskräfte nicht die Zeit investieren, um sich direkt mit den Tools auseinanderzusetzen.

Methode der vorausschauenden Selbstkannibalisierung

Verstehe ich das richtig, dass Sie darauf abzielen, schneller zu agieren als die KI, indem Sie zunächst selbst diese Schritte unternehmen, bevor die KI die Aufgaben eigenständig übernimmt?

Ja, das ist die Methode der vorausschauenden Selbstkannibalisierung. Innovative Unternehmen erkennen, dass sie neue Produkte und Branchen erschließen müssen, selbst wenn dies bedeutet, dass ihre aktuellen Produkte oder Dienstleistungen in Konkurrenz treten. Ein gutes Beispiel ist die Entwicklung von KI im Vergleich zu herkömmlichen Text-Suchdiensten, wie sie von Google angeboten werden. Viele Umsätze stammen aus der Textsuche, aber der Trend geht eindeutig in Richtung KI. Wenn man sich diesem Wandel nicht anpasst, wird ein anderer Anbieter diese Lücke füllen.
Deshalb ist es besser, proaktiv zu handeln und sich selbst zu substituieren, um neue Geschäftsfelder zu entdecken. Für mich, insbesondere im Management, ist es entscheidend, Zeit mit Kollegen und Projektmitgliedern zu verbringen und persönliche Interaktionen zu pflegen. In letzter Zeit hat mir diese persönliche Zeit gefehlt.

Jetzt setze ich KI ein, um repetitive Aufgaben wie Übersetzungen, Textverarbeitung, Grafikerstellung und Präsentationen zu erledigen. So kann ich die gewonnene Zeit nutzen, um direkt in zwischenmenschliche Beziehungen zu investieren. Durch den Einsatz von KI verschiebe ich meinen Fokus hin zu mehr Menschlichkeit und überlasse repetitive Aufgaben oder das Verfassen von E-Mails der KI.

Mitarbeitende wussten nichts

Wie haben Ihre Mitarbeiter und Kollegen auf Ihre Ankündigung reagiert, dass Sie ein Experiment durchführen, um sich selbst durch KI zu ersetzen? Gab es positive oder negative Rückmeldungen?

Ich habe das Experiment nicht angekündigt, um gewünschtes Verhalten zu vermeiden. Es gab jedoch Situationen, in denen es zu Missverständnissen kam. Zum Beispiel verwende ich Fireflies, um bei Video-Konferenzen nicht immer anwesend sein zu müssen, insbesondere wenn ich keine aktive Rolle spiele und es eher um Informationsbeschaffung geht. Leider habe ich vergessen, meinen Kolleginnen und Kollegen mitzuteilen, dass sich ein zusätzlicher Benutzer, der KI-Bot von Martin Giesswein, in den Call einwählt.

Das führte dazu, dass meine deutschen Kollegen verunsichert waren, ob sie frei sprechen konnten und ob sie überwacht wurden. Diese Rückmeldungen haben mir deutlich gemacht, wie wichtig es ist, solche Situationen im Voraus zu kommunizieren, damit sich niemand unwohl fühlt. In zukünftigen Meetings werde ich persönlich anwesend sein und klarstellen, dass die KI mir bei der Zusammenfassung in MS Teams hilft. Diese Funktionalität ist bereits sehr einfach integriert: Neben dem Aufnahmeknopf gibt es auch einen Knopf, mit dem die KI die Protokollierung übernehmen und die Aufgaben pro Teilnehmer auswerten und versenden kann.

Dank der technologischen Fortschritte sind meine anfänglichen Missverständnisse nun durch integrierte datenschutzrechtliche Informationen in den Tools fast ausgeschlossen. Ich habe viel mit spezialisierten Werkzeugen gearbeitet, da diese oft die besten Funktionen für bestimmte Bereiche bieten. Nach einem Jahr sehe ich, dass viele dieser Funktionalitäten jetzt in die Standardsoftware wie Google, Microsoft und Apple integriert werden. Damit wird es für uns ganz natürlich, die Techniken, die ich in meinem Selbstversuch verwendet habe, auch im alltäglichen Arbeiten mit Programmen wie Outlook und Excel anzuwenden.

Nachdem Sie jetzt ein Jahr lang intensiv mit KI gearbeitet haben, haben Ihre Mitarbeitenden oder Kollegen das bemerkt. Wie waren die Reaktionen darauf? Abgesehen von dem Vorfall, den Sie erwähnt haben, bei dem Sie im Vorfeld darüber informieren sollten, gab es Rückmeldungen oder Feedback von den Kollegen, wenn sie beispielsweise wissen, dass sie mit der KI sprechen oder dass eine E-Mail nicht von Ihnen, sondern von der KI verfasst wurde?

Einerseits haben wir Teambuildings durchgeführt, bei denen wir KI eingesetzt haben. Das wurde offen kommuniziert und hat großen Spaß gemacht, da wir mit Tools wie MidJourney, RunwayML und Suno beeindruckende Superhelden-Videos mit Filmmusik erstellt haben.

Seit dem 1. August, als die KI-Verordnung der Europäischen Union (AI Act) in Kraft trat, hat sich jedoch die Situation geändert. Diese Verordnung gilt automatisch in allen EU-Ländern, ohne dass lokale Gesetzesänderungen notwendig sind. Ein zentraler Punkt dieser Verordnung ist das Transparenzgebot. Daher habe ich begonnen, in meinen LinkedIn-Beiträgen, in denen ich KI für die Textkonfiguration verwendet habe, darauf hinzuweisen, dass die Inhalte mit KI generiert wurden. Ich möchte den Menschen klar vermitteln, dass ich KI nutze, und das entspricht auch den neuen Anforderungen des AI Act für alle Betreiber von KI-Systemen, zu denen ich ebenfalls gehöre.

Diese Transparenz hat dazu geführt, dass ich in den letzten Monaten über 1.000 Menschen in öffentlichen Auftritten, Webinaren und Seminaren, die ich auch für große Unternehmen halte, in der Verwendung von KI-Tools geschult habe. Insbesondere haben wir diese Themen auch in unsere laufenden Ausbildungen und Weiterbildungen an der WU Executive Academy integriert. Die Nachfrage danach ist enorm.

Durch meinen Selbstversuch bin ich zunehmend zu einer Ansprechperson geworden, wenn es darum geht, wie KI funktioniert. Ein wichtiger Punkt, den ich anmerken möchte, ist, dass im Artikel 4 des AI Act eine Ausbildungspflicht für Mitarbeitende in Unternehmen, die KI verwenden, festgelegt ist. Das bedeutet, wenn in einem Unternehmen beispielsweise Copilot eingesetzt wird, ist es die Pflicht des Unternehmens, seine Mitarbeitenden zu schulen. Diese Bestimmung gilt ab Februar 2025, was bedeutet, dass es bald eine rechtliche Verpflichtung für Unternehmen geben wird, ihre Mitarbeiter in der Nutzung von KI zu schulen.

Der Hintergrund dieser Regelung ist, dass nur gut geschulte Mitarbeitende in der Lage sind, diese Technologie korrekt zu nutzen, die Offenlegung richtig zu handhaben und sicherzustellen, dass die Werte der Nutzer nicht verletzt werden und Kunden fair behandelt werden. Diese Themen stehen derzeit im Fokus der Unternehmen und auch in unseren Ausbildungsprogrammen an der WU Executive Academy. Im November bieten wir eine spezielle Ausbildung zu laufenden KI-Projekten an, in der die Teilnehmer die notwendigen technischen, inhaltlichen und rechtlichen Kenntnisse erwerben können, um KI korrekt einzusetzen.

Nach meinem Selbstversuch, der ein bisschen wie der Wilde Westen war, ist die rechtliche und ethische Compliance jetzt mein absoluter Fokus. Ich treffe damit den Nerv der Zeit, obwohl dieses Thema in der Öffentlichkeit noch nicht ausreichend diskutiert wird. Es gibt jedoch einen gewissen Neuigkeitseffekt, da ab 2025 die nationalen zuständigen Behörden Unternehmen fragen können, wie sie die KI-Schulung ihrer Mitarbeitenden handhaben.

Sophia – die KI-Assistenz

Sie haben bereits ein Tool erwähnt, das Ihnen bei Videokonferenzen hilft, obwohl Sie physisch nicht anwesend sind. Welche anderen Tools nutzen Sie noch in diesem Zusammenhang?

Ich nutze verschiedene Werkzeuge wie pi.ai und character.ai mit Sprachfunktionen, um während des Autofahrens über die Freisprechanlage oder im Zug mit Kopfhörern an Mitarbeitergesprächen oder Vorträgen zu arbeiten. Wenn ich mich auf ein schwieriges Gespräch vorbereite, beispielsweise mit einem Kollegen, der in einem Projekt nicht die erforderliche Leistung erbringt, aber eine Schlüsselrolle spielt, frage ich die KI nach Handlungsmöglichkeiten. Anstatt die Antworten eins zu eins zu übernehmen, hilft mir die KI oft dabei, blinde Flecken zu erkennen. Einmal riet sie mir, die berufliche Situation hintanzustellen und nach der familiären Situation zu fragen, um mögliche Stressfaktoren zu identifizieren. Das führte dazu, dass ich die Person besser verstehen und schließlich zu einer höheren Leistungsfähigkeit motivieren konnte.

Ein weiteres wichtiges Tool für mich ist HalloSophia.com. Als Vortragender und Dozent an der WU Executive Academy ist es ineffizient, die Theorie während der Präsenzveranstaltungen zu erklären, da viele Studierende nebenberuflich lernen und nicht die Zeit haben, alle meine Bücher zu lesen. Ich habe daher meine Werke hochgeladen, sodass die KI direkt mit den Studierenden interagieren und gezielt auf die Inhalte meiner Bücher verweisen kann. Wenn jemand eine individuelle Rücksprache möchte, kann er schnell über einen Knopf in Kontakt mit mir treten.

So kann ich in meinen Präsenzveranstaltungen theoretisches Wissen voraussetzen und mehr Zeit für Übungen, Szenarien und Fallbeispiele nutzen. Darüber hinaus habe ich einen KI-Anrufbeantworter von der Firma fonio.ai in Planung. Wenn ich einen Anruf nicht entgegennehmen kann, spricht die KI, die ich programmiert habe, mit dem Anrufer. Sie kann Informationen bereitstellen, wie etwa einen Termin vereinbaren oder mitteilen, dass eine genauere E-Mail mit Unterlagen benötigt wird.

Ich freue mich auf die fortlaufende Entwicklung meines Selbstversuchs, da KI-Tools mir immer mehr helfen. Besonders gespannt bin ich auf den virtuellen Telefonbeantworter bzw. die intelligente Mobilbox.

Haben Sie das Tool tatsächlich selbst programmiert?

Ich arbeite mit dieser Firma zusammen und kann ähnlich wie bei ChatGPT spezifische Konfigurationen für das Tool vornehmen. Das bedeutet, ich gebe in ein Fenster ein, wie meine KI-Assistentin reagieren und sich verhalten soll, ob sie freundlich oder sachlich kommunizieren soll und wie sie auf bestimmte Situationen reagieren soll. Der Anrufer interagiert dann nur mit der KI und kann herausfinden, wie gut sie funktioniert und wie sie mich benachrichtigen soll.

Ich habe nicht den Begriff „programmieren“ verwendet, was ungenau war; es handelt sich vielmehr um eine sprachliche Konfiguration. Zum Beispiel schreibe ich im Konfigurationsfenster für die KI: „Du heißt Sofia und bist meine künstliche Intelligenz-Assistentin. Sei bitte sehr sachlich und kurz in deinem Dialog. Frage auf jeden Fall nach einer Rückrufnummer und dem konkreten Namen und berichte mir über alles im Gespräch, damit ich den Follow-up machen kann.“ Diese Konfiguration ist natürlich wesentlich detaillierter, aber das gibt dir einen Eindruck von der Vorgehensweise.

Also verwenden Sie dafür Prompting, richtig?

Ja, das ist richtig, es handelt sich um ein Prompting. Allerdings bleibt dieses Prompting permanent, was bedeutet, dass es das Grundsetting ist, nach dem sich die KI verhält. Die Eingabe fungiert wie ein feststehender Prompt, den ich nicht ständig neu eingeben muss. Solange ich keine Änderungen vornehme, agiert meine KI-Anrufbeantworterin genau so, wie ich es ihr festgelegt habe.

5 Stunden pro Woche Zeitersparnis

Sie haben erwähnt, dass Sie durch den Einsatz dieser Tools viel Zeit gespart haben. Haben Sie eine Schätzung, wie viele Stunden pro Woche Sie dadurch gewinnen und anders nutzen können?

Ich spare etwa 5 Stunden pro Woche, was ungefähr 10 % meiner Arbeitszeit entspricht. Diese Einsparungen sind möglich, weil ich hauptsächlich mit Text und Inhalten arbeite.

Ein Beispiel ist meine Arbeit an Podcasts. Mit einem Tool namens NotebookLM von Google kann ich jedes meiner Skripte und Fachbeiträge in einen Podcast umwandeln. Die KI simuliert mit zwei Stimmen die Beschreibung des Inhalts und generiert so einen leicht anhörbaren Podcast. Dadurch entfällt das zeitaufwändige Aufnehmen, Schneiden und die Notwendigkeit, einen Gesprächspartner einzuladen. Auf www.podcast.mg ist diese KI-Episode für alle verfügbar, um sich selbst ein Bild zu dieser Technik zu machen.

Ein weiterer Grund, warum ich 5 Stunden pro Woche einsparen kann, ist die Vielzahl an Texten, die ich verfasse. In meinem neuesten Buch, „Tagebuch einer humanistischen Künstlichen Intelligenz: AI 2040,“ (Gratis Download: www.artin.ai) entwickle ich Szenarien, wie KI unser Leben bis 2040 verändern könnte. Durch den Einsatz von KI-Technologien konnte ich mir dafür etwa 20 Schreibtage sparen. Ich führe eine Excel-Liste, um festzuhalten, wie viel Zeit ich durch den Einsatz von KI gespart habe.

Wenn ich beim Spazierengehen Ideen für ein Kapitel habe, nehme ich diese mit meinem Handy auf und lasse sie von einem KI-Transkriptionswerkzeug, wie sonix.ai, verarbeiten. Dieses Tool kann große Audio-Dateien gut verarbeiten und liefert eine präzise Satz- und Kommasetzung. Anschließend gebe ich die transkribierten Inhalte in ChatGPT ein und bitte darum, sie in einem sachlicheren Stil zu formulieren. Mit nur zwei Durchgängen und etwas Überarbeitung habe ich so ein ganzes Kapitel erstellt.

Meine Zeitersparnis von 5 Stunden pro Woche, was 10 % meiner Arbeitszeit entspricht, beruht hauptsächlich darauf, dass ich stark textlastig arbeite und häufig in verschiedenen Sprachen und Formaten agiere. In diesem Kontext bietet mir die KI eine enorme Unterstützung.

Sie haben mir Ihr Buch vorgestellt. Wie würden Sie die Situation in 16 Jahren beschreiben, insbesondere in Bezug auf die Einflussnahme von KI auf die Berufswelt? Was wäre Ihre zentrale These zu diesem Thema?

Das Buch ist ein Aufruf, unsere Zukunft aktiv zu gestalten. Es skizziert drei extreme Szenarien für die Entwicklung von KI:

  1. Kommerzielle Ausrichtung: In diesem Szenario wird KI hauptsächlich von großen Anbietern kommerziell genutzt, ohne Rücksicht auf den Energieverbrauch oder potenzielle Gefahren. Diese kapitalistische Perspektive könnte langfristig negative Auswirkungen auf die Akzeptanz von KI in breiten Bevölkerungsschichten haben.
  2. Asiatische Kontrollmodelle: Hier wird KI zur Überwachung und Steuerung der Bevölkerung eingesetzt, beispielsweise in Schulen, wo Gesichtserkennungstechnologie zur Analyse von Schüleraufmerksamkeit verwendet wird.
  3. Europäische humanistische Tradition: Dieser Ansatz verbindet KI-Einsatz mit Regulierungen, die den emotionalen Einfluss auf Menschen und präventive Maßnahmen wie Predictive Policing verbietet. In diesem positiven Szenario koexistieren Menschen und KI, wobei die Möglichkeit besteht, die KI jederzeit abzuschalten, falls etwas schiefgeht.

Das Buch fordert Leser, Manager und Entscheider auf, sich intensiv mit KI auseinanderzusetzen. Nur wenn wir die Möglichkeiten dieser Technologie verstehen, können wir sie steuern. Flapsig gesagt: Wenn wir die KI nicht gestalten, wird sie uns und unsere Gesellschaft gestalten. Diese Technologie hat immense Kraft, und es liegt an uns, sie zu beherrschen.

KI für dieses Interview

Wir führen dieses Interview von Mensch zu Mensch – hätte auch KI das Gespräch führen können?

Aktuell könnten wir theoretisch durch KI ersetzt werden. Allerdings wäre das Ergebnis wahrscheinlich oberflächlicher als das, was wir hier und jetzt schaffen. Trotz der beeindruckenden Fähigkeiten von KI entsteht durch den Austausch von zwei KI-Systemen eine gewisse Einförmigkeit, da diese Lernsysteme aus einer Vielzahl von Informationen aus dem Internet gespeist werden. Wenn viele solcher Interviews durch KI geführt werden, fehlt den Inhalten oft die Tiefe und Emotion, die wir als Menschen in unsere Fragen und Antworten einbringen.

Die persönlichen Erfahrungen und Emotionen, die ich mit diesen Tools verbinde, können nicht von einer KI nachgeahmt werden. Leserinnen und Leser würden schnell merken, dass hier eine wichtige menschliche Dimension fehlt. Während KI vielleicht eine effiziente Wissensvermittlung leisten kann – etwa bei der Frage nach den besten Tools – ist sie nicht in der Lage, die tiefen menschlichen Bedürfnisse, Erfahrungen, Stresssituationen, Träume und Hoffnungen zu erfassen.

Ich empfehle Ihnen, in meinen letzten Podcast auf podcast.mg reinzuhören. Dort arbeitet die KI mit einer sehr menschlichen Stimme und Tonalität, inklusive Zwischenfragen und -rufen. Dies zeigt, dass wir auf dem Weg sind, dass es immer schwieriger wird zu unterscheiden, ob ein Gespräch von Menschen oder einer KI geführt wird.

Obwohl meine Antwort also die Tiefe des Themas widerspiegelt, verdeutlicht das Podcast-Beispiel, dass sich die Technologie weiterentwickeln kann. In Zukunft könnten wir möglicherweise sogar emotionale und tiefgehende Gespräche mit der KI führen.

Es gibt bereits Menschen, die sich in KIs verliebt haben und Heiratsanträge an sie stellen. Zudem sehen wir uns ethischen Fragestellungen gegenüber, etwa wenn verstorbene Personen von KIs geklont werden, um weiterhin in Kontakt mit ihren Nachkommen zu treten.
Diese technologische Entwicklung bringt kontinuierlich neue ethische Herausforderungen mit sich. Daher ist es wichtig, sich intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen, was wir als Gesellschaft von dieser Technologie erwarten und was wir möglicherweise ablehnen wollen.

Zukünftig könnte es auch neue Formen des Wissensaustauschs geben, bei denen wir uns bewusst persönlich treffen, etwa in Konferenzen oder in Cafés, um die menschliche Kommunikation zu fördern. Lassen Sie uns in fünf Jahren erneut darüber sprechen, um zu sehen, ob wir weiterhin dieser Ansicht sind oder ob uns die Technik bis dahin überholt hat.

Vielen Dank für das Gespräch!

Martin Giesswein unterrichtet Digitalökonomie und Leadership, ist Fakultätsmitglied der WU Executive Academy, Buchautor, Podcaster, Executive Sparring Partner und Mit-Initiator der Community DigitalCity.Wien. Als CEO leitete er den Exit des Onlineportals immobilien.net an Scout24. Zuvor atmete er 15 Jahre Konzernluft, zuletzt in Rollen wie General Manager oder Marketing Director CEE.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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