Porträt: Sandra Behrend 30.11.2012, 20:10 Uhr

„Durch Fachwissen allein steigt niemand auf“

Sandra Behrend ist Projektleiterin der Technischen Gebäudeausrüstung im Generalplanungsunternehmen Carpus+Partner. Die Ingenieurin ermutigt darüber hinaus als VDI Role Model und Cybermentorin junge Frauen, den Weg in die Technikwelt zu wagen. Mit den VDI nachrichten sprach sie über Vorteile einer Frau im Männerberuf, den notwendigen Willen zum beruflichen Aufstieg und den ganz alltäglichen Luxus.

Thema: Frauen in Männerberufen.

Thema: Frauen in Männerberufen.

Foto: vodafone

Wenn Sandra Behrend sich an den Kopf des Tisches setzt, wirkt sie nicht vereinnahmend. Wenn sie spricht, redet sie sachlich, ohne emotionslos zu sein. Sandra Behrend ist das, was Wissenschaftler der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg „zur Führung motiviert“ nennen. In der Studie „Führungsmotivation im Geschlechtervergleich“ wird Frauen unterstellt, sie würden durch mangelndes Selbstvertrauen abhängig von ihrer Umgebung. Wer Behrend beobachtet, wird diese Erkenntnis nicht teilen können.

Als Projektleiterin der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) hat die auf den ersten Blick zurückhaltende Frau gelernt, sich durchzusetzen – ihr Erfolgsrezept ist einfach: „Zunächst möchte ich keine Zweifel an meiner Kompetenz aufkommen lassen.“ Unsicherheiten beuge sie vor, indem sie bei jedem neuen Projekt fachliche oder technische Fragen unverzüglich beantworte, sofern dies im Dialog möglich sei. „In Besprechungen ständig zu sagen ,Das muss ich klären‘, kommt nicht gut an“, stellt sie klar.

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Sandra Behrend: Früher dachte ich, nur das fachliche Know-how zählt

Die Konsequenz sei, dass sie immer das Gefühl habe, einen Schritt besser sein zu müssen als die anderen. In einer normalen Bauherrensitzung seien von 20 Leuten drei weiblich – dieser Situation müsse man sich als Ingenieurin bewusst sein.

Den Umgang mit den Kollegen muss man lernen. „Früher dachte ich, nur das fachliche Know-how zählt“, schmunzelt Behrend. „Das stimmt aber nicht.“ Um in leitende Positionen zu kommen, müssten sich Männer und Frauen sowohl auf ihr fachliches Know-how als auch auf ihr Auftreten konzentrieren. Bei ihrem Arbeitgeber Carpus+Partner erhalten aufstrebende Mitarbeiter mit Seminaren und Schulungen die notwendige Nachhilfe.

Bei Behrend hat es gewirkt. Die 37-Jährige ist als Projektleiterin TGA für ein rund 10-köpfiges Planungsteam verantwortlich, das schwankt mit der Größe des Projekts. Am liebsten hat sie das volle Programm: „Generalplanungsprojekte sind einfach schön. Irgendwann steht man vor einem fertigen Gebäude und sieht, was man erreicht hat“, schwärmt sie. Zudem haben Generalplanungsprojekte den Vorteil, dass die Architekten aus ihrem Kollegenkreis kommen und sie bei Schwierigkeiten nur einmal über den Flur laufen muss.

Vor dreieinhalb Jahren kam sie zur Carpus+Partner AG, die damals gezielt nach einer Frau für die leitende Funktion suchte. Bis heute ist Sandra Behrend die einzige Frau in einer TGA-Führungsposition geblieben. Der Grund dafür erschließt sich bei einem Blick auf Behrends Arbeitsalltag: Die 37-Jährige empfindet eine 47-Stunden-Woche als „gewöhnlich“. Um an ihrem Schreibtisch sitzen zu können, nimmt sie jeden Morgen eine Fahrt von 80 km auf sich. Es kann vorkommen, dass kurz vor Fertigstellung einer Leistung auch einmal an einem Wochenende gearbeitet wird. Hierfür habe ihr Mann Verständnis, da er denselben Beruf ausübt und dies auch Vorteile mit sich bringe, da man beispielsweise gemeinsam eine Messe besuchen könne. Nur manchmal habe sie Termine in Aachen, zu denen sie zu Fuß gehen könne – „einfach Luxus“.

Eine Work-Life-Balance, wie sie die Nachwuchskräfte der Generation Y anstreben, sieht anders aus. Und auch der Babyplanung steht ein solcher Arbeitsalltag unversöhnlich gegenüber. „In der Projektleitung ist das sicherlich schwierig“, gibt Behrend zu. Es gebe sicherlich in der Wirtschaft Positionen, in denen es Frauen einfacher haben, eine Familie zu gründen.

Behrend orientiert sich nicht nur an der eigenen schnellen Karriere

Überambitioniert, nur an der eigenen schnellen Karriere orientiert, scheint Behrend aber nicht zu sein. Nach dem Abitur entschied sie sich aus pragmatischen Gründen für eine Lehre: „Ich wollte nicht mehr so viel lernen müssen.“ So ergatterte die frisch gebackene Abiturientin einen Ausbildungsplatz als technische Zeichnerin, „ohne so richtig zu wissen, was sich dahinter verbirgt“.

Bereut hat sie diese Entscheidung nicht. Die Ausbildung öffnete ihr eine Tür zum Reich der Technik. Sie erfuhr von dem Studiengang Ver- und Entsorgungstechnik an der Fachhochschule Köln, verabschiedete sich direkt nach der Ausbildung von ihrem praktischen Ansatz und ging wieder lernen.

Dieses Mal entschied sie sich mit einem klaren Ziel vor Augen. „Ich habe nicht einfach irgendeinen Studiengang belegt. Wenn sich eine Frau für das Thema interessiert, dann steckt auch was dahinter“, sagt Behrend.

Um ihre Erfahrungen weiterzugeben und jungen Frauen Mut zu machen, den Weg in eine männerdominierte Arbeitswelt zu gehen, engagiert sich Behrend ehrenamtlich als VDI Role Model und als Cybermentorin. Es mache ihr Spaß, ihr Wissen weiterzugeben und selbst die Möglichkeit zu bekommen, ein Netzwerk aufzubauen. Bei CyberMentor, einer virtuellen Austauschplattform für MINT-interessierte Schülerinnen, berufstätige Frauen und Studentinnen in dem Bereich, sei der Austausch sehr intensiv. Grund seien die fixen Gruppen mit jeweils drei Schülerinnen und drei Mentorinnen. Bei der VDI-Initiative lerne sie dagegen bei jeder Veranstaltung neue Menschen und interessante Kolleginnen kennen. „Ich möchte jungen Menschen gerne eine Beraterin sein“, sagt sie, wenn man sie nach dem Grund ihrer Einsatzbereitschaft fragt.

Sandra Behrend: Was mir immer geholfen hat, ist, nicht frühzeitig aufzugeben

Die Wissenschaftler der Helmut-Schmidt Universität Hamburg haben herausgefunden, dass das Vorleben erfolgreicher Karrieren durch weibliche Vorbilder die Motivation junger Frauen tatsächlich positiv beeinflusst. Vorgefertigte Ratschlaglisten hat Behrend zwar nicht parat, dafür aber einen heißen Tipp: „Was mir immer geholfen hat, ist, nicht frühzeitig aufzugeben“, offenbart sie unmissverständlich. Wer eine neue Aufgabe übernehmen kann, solle es wagen. Wer als Ingenieurin nicht akzeptiert wird, sollte seinem Gegenüber aktiv entgegentreten.

Das habe viel mit Einstellung und Auftreten zu tun. Es sei daher nur konsequent, dass Hochschulen zunehmend Kurse für Rhetorik, Englisch sowie Soft-skills in die ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge integrierten. Nicht nur den Studentinnen werden diese Kenntnisse im Berufsleben zugute kommen.  

Ein Beitrag von:

  • Lisa Diez-Holz

    Die Autorin war von 2017 bis Ende 2019 Content Managerin für das TechnikKarriere-News-Portal des VDI Verlags. Zuvor schrieb sie als Redakteurin für die VDI nachrichten.

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