Erfolgsfaktor: Mitarbeiter am Gewinn beteiligen
Die Beteiligung von Mitarbeitern am Kapital ihres Unternehmens ist seit dem 1. April 09 in Deutschland in einem größeren Umfang möglich als zuvor. Beschlossen wurde die Gesetzesänderung noch von der großen Koalition. Damit hat sich der Betrag, der Mitarbeitern steuerfrei als Unternehmensbeteiligung zur Verfügung gestellt wird, von 135 € auf 360 € p. a. erhöht. So hat das Medium der „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“ an Bedeutung gewonnen. VDI nachrichten, Düsseldorf, 22. 1. 10, jul
„Ohne die Beteiligung meiner Mitarbeiter hätte unser Unternehmen niemals Bestand gehabt“, sagte Reinhard Mohn, der im Oktober letzten Jahres verstorbene Inhaber und langjährige Vorstandsvorsitzende des Weltkonzerns Bertelsmann, und er wusste, wovon er sprach. Am Beginn seines Weges nach oben stand die Fast-Insolvenz seines Hauses, die er vorwiegend nur mit dem Geld seiner Mitarbeiter, die bereit waren, sich an seinem Unternehmen zu beteiligen, vermeiden konnte, und die Beteiligten hatten den Grundstein für ein wachsendes Vermögen gewonnen.
Trotz dieses prominenten Beispiels und manchem renommierten Nachfolge-Unternehmen ist die Kapitalbeteiligung von Belegschaftsmitgliedern hierzulande noch immer wenig verbreitet. Dabei gilt die Feststellung: Fast alle wissenschaftlichen Untersuchungen, die auf diesem Gebiet unternommen wurden, (u. a. vom Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, IAB, dem IFO-Institut oder dem Institut für angewandte Wirtschaftspolitik, IAW) ergaben, dass Beteiligungsfirmen eine um 20 % bis 30 % höhere Produktivität, eine höhere Innovationsrate, eine höhere Eigenkapitalquote und sogar niedrigere Krankenstände haben als Unternehmensorganisationen, die dieses Medium nicht nutzen.
Seit mehr als vier Jahrzehnten setzt sich die Arbeitsgemeinschaft für Partnerschaft in der Wirtschaft, AGP, mit Sitz in Kassel, für eine Erweiterung der Mitarbeiterbeteiligung und eine Verbesserung ihrer legislativen Voraussetzungen ein. Ihr Geschäftsführer Heinrich Beyer gibt zu Protokoll: „Was das Thema Mitarbeiterbeteiligungen betrifft, so gibt es in Deutschland einen erheblichen Nachholbedarf, zumal seit 2008 viele Beteiligte ihre Anteile gekündigt haben, um Bargeld in die Hand zu bekommen. Deshalb ist auch die Zahl der Belegschaftsaktionäre von 2,3 Mio. auf 2 Mio. zurückgegangen. Dagegen ist die Zahl der Betriebe mit Beteiligungsmodellen nicht zuletzt durch die Verbesserung der dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen von 4400 auf 4600 angestiegen.
Beteiligungsfirmen haben eine höhere Produktivität und Innovationsrate
Dabei unterscheiden sich die Modelle der einzelnen Firmen deutlich voneinander. Die dominierenden Formen sind bis heute die „Stille Beteiligung“ oder das „Genussrecht“. Aber natürlich gibt es auch noch andere Beteiligungsformen wie Mitarbeiterdarlehen oder Mitarbeiterguthaben und Wertguthaben für Arbeitszeit, die im Rahmen von flexiblen Arbeitszeitmodellen gutgeschrieben wurden.
Als Basismodell für eine Gewinnbeteiligung von Mitarbeitern, die sich zunächst auf den Ertrag konzentriert und das Firmenkapital noch nicht berührt haben, gilt die Formel: Der Gewinn wird geteilt: 50 % behält die Firma, 50 % werden den Mitarbeitern gutgeschrieben , deren Anteil erneut halbiert und zu einer Hälfte zu gleichen Teilen, zur anderen entgeltbezogen verrechnet wird. Der den Mitarbeitern zugeschriebene Gewinnanteil ist in den zurückliegenden Jahren steuerlich unterschiedlich behandelt worden. Oft konnten die Mitarbeiter davon auch ihrerseits Firmenanteile erwerben. Der Vorteil für die Firma liegt dann vor allem in der Verbesserung ihrer Liquidität.
Zu den gegenwärtig besonders erfolgreichen Beteiligungsbetrieben gehört u. a. zum Beispiel die Firma D+H Mechatronic AG, Rauchabzug und natürliche Lüftung, die 253 Mitarbeiter beschäftigt und Umsätze von 35 Mio. € bis 40 Mio. € erreicht. Rund 40 % der Belegschaft nehmen an ihrem vor 20 Jahren eingeführten Beteiligungsmodell teil und stellen der Firma bisher 517 000 € Mitarbeiterdarlehen zur Verfügung. D. h. der Mitarbeiter kann bis zu 800 % aus Teilen des Arbeitslohnes als Arbeitnehmerdarlehen mit gewinnabhängiger Verzinsung bis zu 5 % anlegen. Das Unternehmen steuert dafür zusätzlich p. a., 150 € bei, die steuerfrei bleiben. Dazu Firmengründer und Aufsichtsratsvorsitzender Henner Dingfelder: „Durch die jährliche Zinszahlung und den laufenden Abschluss neuer Mitarbeiterverträge hat sich ein lebendiges System entwickelt, das das Bewusstsein stärkt, mit der eigenen Leistung zum Unternehmenserfolg beizutragen.“
Einen Überblick über die gesamte deutsche Beteiligungsszene hat der frühere AGP-Geschäftsführer, Michael Lezius, der die Organisation in fast vier Jahrzehnten auf- und ausgebaut hat. Er fasst die Situation der Mitarbeiterbeteiligung in deutschen Unternehmen zusammen: „Für Firmen, die ein Beteiligungs-Modell praktizieren, hat das neue Gesetz vom 1. April 09 nicht nur den steuerfreien Betrag, den ein Unternehmen seinen Mitarbeitern im Rahmen von Kapitalbeteiligungen gewähren kann, erhöht, sondern auch die Einkommensgrenzen für die Arbeitnehmersparzulage von 20 000 € auf 40 000 € erweitert und die Sparzulage selbst von 18 % auf 20 % des Förderbetrages gesteigert, sodass der Mitarbeiterbeteiligung neue Türen geöffnet wurden.“
„Was das Thema Mitarbeiterbeteiligungen betrifft, gibt es in Deutschland einen erheblichen Nachholbedarf“
Vor allem aber sollte gerade in Anbetracht der Finanzkrise die Möglichkeit geschaffen werden, auch höhere Mitarbeiteranteile zu begünstigen, meinen Michael Lezius und die Beteiligungsunternehmer. Z. B. monatlich 100 € anstatt 30 € (die jetzt den jährlichen Steuerfreibetrag von 360 € ergeben), und in diesem Falle eine nachgelagerte Besteuerung zu wählen, um die Kapitalanteile der Mitarbeiter für die Unternehmen wirklich relevant werden zu lassen.
Für besonders wichtig erachtet es Lezius auch, das am 1. Januar 2011 mit Sicherheit hart einschlagende Ende der Kurzarbeiterregelung abzumildern. Falls dann 20 % des Lohnaufkommens als Investivlohn behandelt werden könnten, würde das für viele Betriebe sogar eine Existenzsicherung bieten können, „ohne“, wie er formuliert, „die Machtverhältnisse im Unternehmen zu verändern“. Und er fügt an: „Wir sollten nicht vergessen, dass in Deutschland 70 Firmen mit Belegschaftsstärken zwischen 30 und 500 Mitarbeitern dadurch vor dem drohenden Konkurs gerettet wurden, dass sie von ihren Mitarbeitern übernommen wurden.“ R. FIEDLER-WINTER
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