Fehler machen, das gehört zum (Berufs-) Alltag
In der Krise häufen sich die Misserfolge in den Unternehmen. Je höher der Druck der Märkte steigt, umso anspruchsvoller werden die Ziele – ein Scheitern rückt damit näher. Wichtig ist dabei der konstruktive Umgang mit Fehlern. Denn aus Misserfolgen kann Neues, Überraschendes entstehen. Mitarbeiter entwickeln ihre Fähigkeiten, statt die Motivation zu verlieren.
„Wer auf unsichere Situationen reagiert, geht ein verstärktes Risiko ein“, sagt Diplompsychologe Olaf Morgenroth, der am Institut für Psychologie der Universität Halle-Wittenberg lehrt. Er geht davon aus, dass Ingenieure besonders betroffen sind. „Die Erwartungen an neue Produkte sind hoch, verbunden mit wenig Zeit für Forschung und Entwicklung.“
Eine gute Fehlerkultur verzichtet laut Morgenroth auf den erhobenen Zeigefinger. „Misserfolge sollten nicht gleich negativ bewertet, sondern als Ansatzpunkt für neue Ideen gesehen werden“, betont Morgenroth. Es sind eher die größeren Unternehmen, die diese Chance erkennen. Als Vorbilder nennt er Hewlett Packard und 3M. Bei letzterem entstanden die Post-It-Zettel aus einem missglückten Produkt: Ein Klebstoff löste sich immer wieder ab – ideal für die kleine Innovation.
Fehler sind besonders in Deutschland schlecht angesehen. Morgenroth vergleicht es mit einem Medienphänomen: „So lange Prominente Erfolg haben, werden sie gefeiert – bei Misserfolgen sogleich stark stigmatisiert.“ In den USA hingegen gilt: Man hat es eben versucht. Und probiert dann etwas Neues. Auch die kollektivistische japanische Kultur sieht in Fehlern keine persönliche Katastrophe, sondern eine Sache, die die Gruppe betrifft. All das ist von Vorteil. Denn wenn laut Morgenroth „die Angst vor Fehlern das Handeln dominiert, werden keine Risiken mehr eingegangen.“
Misserfolge sind oft hausgemacht. „Sie werden auch durch unrealistische Ziele produziert“, sagt Morgenroth und verweist auf eine Studie der Gewerkschaft Verdi, die von Bankangestellten berichtet, die eine zu hohe Zahl von Produkten pro Woche verkaufen sollten. „Wer das Ziel nur erfüllt hatte, wurde schon negativ bewertet.“ Auch bei Projektarbeiten in anderen Branchen gebe es häufig Probleme: „Oft sind die Ziele zu hoch gesteckt, die Mittel aber unzureichend.“ Die Folge: ein belastendes Arbeitsklima. Ziele sollten deshalb ebenso realistisch wie herausfordernd sein. Hilfreich ist dabei die sogenannte Lernziel-Orientierung. Der Handelnde fragt sich: „Wie sieht der nächste Schritt aus? Wie kann ich mich verbessern?“ Lernziele sind konstruktiver als Leistungsziele, die auf Konkurrenz basieren, so Morgenroth.
Ist der Fehler dann passiert, herrscht selten Einigkeit über die Ursache. Der Handelnde macht meist die Situation verantwortlich, der Beobachter die Person. Morgenroth: „Aus der Fehlerforschung weiß man jedoch heute, dass die Gründe oft in der Situation liegen.“ Eine Führungskraft sollte also die Argumente ihrer Mitarbeiter ernst nehmen. Und sich beim Feedback auf Faktoren konzentrieren, die der Betroffene beeinflussen kann, die nicht die Persönlichkeit betreffen. „Das bedroht weniger den Selbstwert.“
Der Mitarbeiter selbst sollte Misserfolge nicht persönlich nehmen, sondern sich sagen: Ich habe mein Bestes gegeben, ich versuche es noch mal. „Die Angst vor dem Scheitern ist immer größer als die negativen Emotionen, wenn es wirklich passiert“, sagt Morgenroth.
„Misserfolge sind normal“, sagt Egon Endres, Präsident der Katholischen Stiftungsfachhochschule München. Es sei jedoch wichtig, Warnsysteme zu entwickeln, um Probleme früh aufzudecken. „Fehler passieren nicht zufällig, sondern folgen bestimmten Gesetzen.“ Laut Endres bewerten zwar viele Unternehmen das Konzept der Fehlerfreundlichkeit positiv, doch „finden sie oft nicht den richtigen Weg, es umzusetzen.“
Heimliche Spielregeln prägen oftmals die Unternehmenskultur, so Endres. Probleme werden unter den Tisch gekehrt. Jeder tut so, als hätte er alles im Griff. Denn viele haben Angst, dass ihnen bei Fehlermeldungen „der Kopf abgesägt werde“, meint der Sozialwissenschaftler. So trauen sich seiner Meinung nach Beschäftigte in der Fertigung oft nicht, Probleme anzusprechen. Weil sie glauben, sowieso kein Gehör bei „denen da oben“ zu finden, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Also geht alles seinen Gang, dann passiert ein großer Fehler – und die „Blaumänner“ haben aufgrund ihrer Sachkenntnis plötzlich den viel gelobten Einsatz als Feuerwehrmänner, so Endres.
Die unheilvolle Spielregel muss also außer Kraft gesetzt werden. Endres: „Gut wäre ein regelmäßiger Austausch von Erfahrungsträgern, also von Steuernden und Handelnden.“ Hilfreich seien auch sogenannte Grenzgänger, die über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinweg Probleme aufspüren und Störungen vermeiden helfen.
Denn eine Krise sendet ihre Signale frühzeitig. Und es ist natürlich auch die Aufgabe einer Führungskraft, diese rechtzeitig zu erkennen. „Sie muss Netzwerke in und außerhalb des Unternehmens aufbauen“, betont Egon Endres. Feedback und Kommunikation nach innen und außen sind wichtig. Das biete Raum für wichtige Impulse – die Innovationen in Gang setzen können.
ANNETTE ZELLNER
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