„Frauen profitieren von Videokonferenzen“
Auf 44,8 Mrd. € schätzt der Verband Deutsches Reisemanagement die Reisekosten in deutschen Unternehmen im Jahr 2011. Fast zwei Drittel der Betriebe nutzen deshalb für internationale Projektteams Videokonferenzen. Ob die virtuellen Teams genauso gut kommunizieren und arbeiten wie solche, die sich persönlich treffen, hat Jürgen Wegge erforscht, Arbeitspsychologe an der TU Dresden.
Wegge: Durch das Bild, das ja mit übertragen wird, sieht man auch nonverbale Signale: Schwankt jemand mit seinem Oberkörper nervös hin und her oder runzelt er die Augenbrauen? Das Bild ist einer der entscheidenden Vorteile einer Videokonferenz gegenüber rein textlicher Kommunikation oder einem bloßen Telefongespräch. Natürlich spielen hierbei auch die technischen Rahmenbedingungen eine große Rolle: In einem professionellen Studio geht weniger verloren als bei einer schlechten Datenverbindung über Skype. Studien zeigen, dass typische Probleme der fehlende Augenkontakt und die zeitliche Verzögerung sind. Diese Probleme lassen sich aber durch eine entsprechende Schulung beheben und es gibt Untersuchungen, bei denen durch eine Videokonferenz sogar bessere Ergebnisse erzielt wurden als Face-to-Face, also im direkten Gespräch.
Ich hätte tatsächlich erwartet, dass Persönlichkeitsmerkmale wie beispielsweise Extraversion oder Gewissenhaftigkeit für den Erfolg einer Videokonferenz eine Rolle spielen. In unseren Experimenten haben wir aber keine starken Effekte der jeweiligen Persönlichkeit gefunden. Auch ob es sich um Männer oder Frauen handelt oder eher ängstliche bzw. nicht-ängstliche Personen, war für den Erfolg der Konferenzen nicht sehr wichtig. Eine größere Rolle spielt die persönliche Erfahrung mit der Videokonferenztechnik selbst, weil diese helfen kann, sich besser vorzubereiten.
Es ist von Vorteil, seine Gesprächspartner namentlich anzusprechen, damit diese gleich wissen, wer gemeint ist. Häufig fehlt ein Moderator, sodass die Steuerung des Rederechts ein Problem ist. Ganz neue, sehr aufwendige und teure Anlagen schaffen es, dass man sogar das Gefühl hat, die anderen Konferenzteilnehmer schauen einen an. Das hat positive Effekte für Videokonferenzen, weil man eine natürliche Gesprächssituation hat und das Rederecht dann besser wie gewohnt gesteuert werden kann. Wenn die Übertragungszeit zwischen den Stationen kurz ist, kommt es zu weniger Unterbrechungen und man kann das Gespräch besser verfolgen.
Man sollte sich auch nicht zu oft hin- und herbewegen und keine gemusterte Kleidung anziehen, denn das schafft veränderte Bildsituationen und blockiert Übertragungskapazität. Man muss auch darauf gefasst sein, dass es bei strittigen Fragen zu einer Frontenbildung kommt: Wir hier und die dort. Deshalb ist eine gute Vorbereitung bei Videokonferenzen besonders wichtig: Dokumente müssen für jeden zugänglich sein, bei einem Bild- oder Tonausfall muss technische Unterstützung gewährleistet sein.
Viele Ratgeber sagen das. Wir haben eines der wenigen Experimente gemacht, die es zu dieser Frage gibt. Dabei haben wir nicht die Situation größerer Projekte untersucht, sondern die Möglichkeit der Mitarbeiterführung per Videokonferenz. Wir haben verglichen, ob der Vorgesetzte die Aufgabenerfüllung seiner Mitarbeiter besser beeinflussen kann, wenn er sie vorab persönlich getroffen hat. Beim Vergleich mit einem ausschließlich per Video geführten Gespräch haben wir aber keinen deutlichen Vorteil eines vorherigen persönlichen Treffens gefunden.
Gerade Frauen profitieren in einer Führungssituation womöglich davon, wenn sie die ihnen unterstellten Mitarbeiter gar nicht persönlich treffen, sondern diese ausschließlich per Videokonferenz führen. Wenn wir in unseren Experimenten Führungsgespräche per Videokonferenz simulieren, ist der Erfolg der Führung per Videokonferenz größer als in Face-to-Face-Gesprächssituationen. Das könnte daran liegen, dass in einer Videokonferenz manche Signale wie die Körpergröße oder andere Symbole für Macht ausgeblendet werden, die bei normalen Gesprächssituationen dazu führen, dass Frauen als Führungskraft nicht so leicht wie Männer akzeptiert werden.
Vielleicht kommt es Frauen auch entgegen, dass man bei Videokonferenzen häufig eher ein partnerschaftliches Gespräch erwartet. In unseren Experimenten war es so, dass die partizipative Führung, bei der man die Mitarbeiter ernst nimmt und bei der Formulierung herausfordernder Ziele mitreden lässt, besonders positive Effekte hatte. Diese Art der Führung wird von Frauen häufiger gepflegt als von Männern – das zeigt die Führungsforschung. Frauen könnten also auch deshalb von einer Führung per Videokonferenz mehr profitieren als Männer, weil ihnen der hier erwartete und auch sinnvollste Führungsstil – eine partizipative Führung – mehr liegt.
Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Geführten in einer solchen Gesprächssituation Mitsprache einfach erwarten. Denn die Abstimmung per Video zeigt ja schon, dass man räumlich verteilt arbeitet und häufig auch Expertenstatus genießt. Womöglich sitzen die Konferenzteilnehmer in ihrem Home-Office und sprechen von dort aus mit ihrem Vorgesetzten in der Firma oder einem Satelliten-Büro. Schon die Tatsache, dass sie zuhause arbeiten dürfen, zeigt ja, dass man ihnen Vertrauen entgegen bringt, dass man ihnen zutraut, sich selbst zu steuern und sie bei der Arbeit nicht kontrolliert werden müssen. In einer solchen Arbeits- und Führungs-Situation entspricht das Medium Videokonferenz den Erwartungen der Team-Mitglieder auf Mitsprache und ist deswegen gut geeignet.
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