Karrieretipp 08.04.2013, 15:09 Uhr

Geheimkodes der Top-Entscheider verstehen

Auf Spitzenposten in Unternehmen kommen nicht nur die Besten. Vielmehr entscheiden auch geheime Kodes darüber, die man wahrnehmen und zu deuten wissen muss – was Ingenieuren oft nicht gelingt. Doch sie können die Spielregeln lernen, um Karrierechancen zu nutzen.

Gudrun Happich, Inhaberin des Kölner Galileo-Instituts für Human Excellence, berät auch Ingenieure auf dem Weg nach oben.

Gudrun Happich, Inhaberin des Kölner Galileo-Instituts für Human Excellence, berät auch Ingenieure auf dem Weg nach oben.

Foto: Galileo-Institut

Der Projektmanager galt als Mann für schwierige Fälle. Alle zwei Jahre wurde ihm ein neues Aufgabenfeld übertragen, auf dem er sein Image weiter kultivierte. In seiner offenen, direkten und inhaltsorientierten Art kam er prima mit seinem Chef aus. Der wurde in den Vorstand berufen, worauf auch für den verdienten Ingenieur eine Beförderung fällig wurde. Alles schien jetzt möglich. Doch nun lief es nicht mehr gut mit dem früheren Chef – so als ob das Dreamteam von einst plötzlich nicht mehr die gleiche Sprache spräche.

Regeln und Gesetze im Management sind anders

Der Ingenieur blieb sich treu, tat das, was er schon immer machte, fühlte sich aber unverstanden, gab noch mehr Gas, aber auch das half nichts. Schließlich verließ er das Unternehmen. Was er nicht begriffen hatte: Regeln und Gesetze im Management sind anders. Es gibt geheime Kodes, die zum Aufstieg verhelfen, die ein Rekrutierungsmuster festlegen und die die Verhältnisse in der Top-Etage stabilisieren. Der zum Vorstand berufene Ex-Chef des Ingenieurs beherrschte die Spielregeln, der Ingenieur nicht. Ein Fall, den Gudrun Happich, Inhaberin des Kölner Galileo-Instituts für Human Excellence, schildert.

Sie hat die Erfahrung gemacht, dass Ingenieure oft blind sind für die geheimen Kodes, die darauf deuten, dass sie zu einem Kreis gehören, der für Höheres im Unternehmen bestimmt ist: „Es fehlt die Sensibilität für Zwischentöne“, bemerkt Happich. Wenn etwa Top-Entscheider den Ingenieur im Mittelbau nach seiner Meinung fragen. Oder wenn zu Gesprächskreisen eingeladen wird, obwohl man von der Hierarchie her da gar nicht hingehört. Oder wenn betont herausfordernde Aufgaben, die auch noch diplomatisches Fingerspitzengefühl erfordern, auf dem Ingenieurtisch landen. Oder wenn es gar einen Mentor gibt, der dem Ingenieur Kontakte im Unternehmen verschafft, für ihn einsteht und Tipps gibt, die er eigentlich nicht geben müsste.

Gut zu sein, reicht nicht aus

Happich: „Das sind alles Zeichen, für die hochintelligente Ingenieure oft keinen Blick haben, weil sie solche Kleinigkeiten normal finden.“ Doch das sind sie nicht. „Ingenieure wissen solche Kodes nicht zu deuten, weil sie inhaltlich orientiert sind und dem Glaubenssatz folgen: Wenn ich gut bin, reicht das“, sagt die Trainerin. Lässt sich unter diesen Voraussetzungen überhaupt ein Gespür für die feinen Zeichen entwickeln? Durchaus.

Happich empfiehlt einen Trick: Ingenieure sollten sich auf dem Weg nach oben vorstellen, sie wären in einem fremden Land gelandet, dessen Sprache sie nicht sprechen. Was ist zu tun? Sich umsehen, beobachten, beschreiben, analysieren, interpretieren, kurz: Herausfinden, wie die Leute ticken. Die fremde ferne Welt ist nichts anders als das Top-Management, dessen Sprache man auch nicht spricht. Und um sich die zu erschließen, müssen Ingenieure nur das tun, was ihnen ohnehin liegt: Analysieren, interpretieren… „Eine Entdeckungsreise, die die Wahrnehmung erhöht“, versichert Happich.

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Und die muss jeder in jeder neuen Situation wieder antreten. Denn Happich sieht die Unternehmenskultur und Kodes nicht nur von Branche zu Branche verschieden, sondern auch von Unternehmen zu Unternehmen und sogar von Abteilung zu Abteilung.

Souveränität ist das A und O

Wo auch immer man landet und hin möchte: Ingenieure mit Aufstiegsambitionen sollten jedenfalls mit den Kodes der Elite vertraut sein, sagt Michael Hartmann, Professur für Elite- und Organisationssoziologie an der Technischen Universität Darmstadt. Denn Spitzenpositionen werden gerne an Kandidaten vergeben, die qua ihrer Herkunft den richtigen Stallgeruch mitbringen. Vor allem geht es um die Art des Auftretens: „Sie sollten stets Selbstbewusstsein ausstrahlen. Souveränität ist das A und O“, unterstreicht Hartmann. Speziell in Deutschland spiele außerdem ein bildungsbürgerlicher Background eine große Rolle.

Das bekämen insbesondere Ingenieure zu spüren, unter denen es einen höheren Anteil sozialer Aufsteiger gebe als etwa unter Medizinern oder Juristen. „Von ihrer Familie her sind Ingenieure daher weniger mit den Kodes vertraut“, sagt Hartmann. Das hat Folgen: Der Soziologe hat in früheren Untersuchungen bei Informatikern herausgefunden, dass deren fachliche Expertise zwar hochgeschätzt ist, sie aber das Nachsehen haben, wenn es darum geht, Führungspositionen zu besetzen. Als Manko werde ihnen angekreidet, über zu wenig soziale Kompetenz zu verfügen und weniger in der Lage zu sein, mit Fachfremden eine gepflegte Konversation zu betreiben.

Gefragt sind Generalisten

Kenntnisreich über neueste Theaterinszenierungen oder Intendantenwechsel beim Smalltalk zu parlieren, ist tatsächlich nicht jedem in die Wiege gelegt worden. Eine vermeintlich leichte Plauderei weckt bei einem wenig bewanderten Ingenieur jedoch Unsicherheit aus der Angst vor einer Blamage – Souveränität verströmt dieser Zustand nicht. Das zu ändern, dürfte schwer fallen: „Sich schnell ein breites bildungsbürgerliches Wissen anzueignen, ist außerordentlich schwer“, so Hartmann.

Dessen ungeachtet schaffen es Ingenieure natürlich in Vorstände – häufiger als die Juristen, berichtet der Soziologe. Bei sozialen Aufsteigern haben Chancen vor allem jene, die fachlich außergewöhnlich gut sind und deshalb einen Förderer im Unternehmen finden, der sich mit den geheimen Kodes auskennt und weiß, wie mit Entscheidern umgegangen werden sollte. Damit lasse sich fehlendes Gespür für die Feinheiten in Führungszirkeln zumindest zum Teil ausgleichen.

Reines Fachwissen hilft immer weniger für einen Karrieresprung. „Anders als früher gibt es Führungslaufbahnen als Kaminkarrieren immer seltener, etwa vom Techniker zum technischen Vorstand“, erklärt Hartmann. Gefragt seien Generalisten, die für bestimmte Unternehmensbereiche Verantwortung übernehmen können, gepaart mit eben jener Souveränität, die die Botschaft ausstrahlt: Ich gehöre dazu! 

Ein Beitrag von:

  • Chris Löwer

    Chris Löwer

    Chris Löwer arbeitet seit mehr als 20 Jahren als freier Journalist für überregionale Medien. Seine Themenschwerpunkte sind Wissenschaft, Technik und Karriere.

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