Haben Mitarbeiter Einfluss auf den Ertrag?
Die Gehälter der rund 41 000 Mitarbeiter der E.ON Energie AG werden sich künftig nach dem Erfolg des Unternehmens richten. Außerdem werden mit einer einmaligen Pauschalzahlung von 35 000 DM das früher üppige Weihnachtsgeld und andere Sonderleistungen abgegolten.
Unterschiedliche Entgelt-Strukturen treffen bei nahezu allen Fusionen aufeinander, weil die Mitarbeiter zusammen geführt werden, deren alte Tarifregelungen oft weiter Bestand haben. Bei E.ON Energie hatten die Manager allerdings den Ehrgeiz, etwas ganz Neues zu schaffen.
Dafür wurden zunächst die alten Betriebsvereinbarungen aus den Unternehmen, die später zu E.ON fusionierten, gestrichen. Sie garantierten beispielsweise Zuwendungen für die Fahrt zum Arbeitsplatz, die Kontoführung, vor allem aber deutlich aufgestockte Weihnachts- und Urlaubsgelder. Im Gegenzug bekommen die Mitarbeiter eine einmalige Pauschalzahlung von rund 35 000 DM, wie die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) bestätigt. Eine Summe, die auch versteuert werden muss.
Eine weitere Vorgabe war, dass E.ON-Finanzchef Dr. Erhard Schipporeit den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens mit zum Maßstab der Vergütung machen wollte. Dabei kommt die betriebswirtschaftliche Größe Roce zum Einsatz, die, so das Unternehmen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abbilde und von bilanztechnischen Einflüssen „weitgehend“ unabhängig sei.
Ausgehandelt wurde ein Vergütungssystem, das gegenüber den alten Regelungen stark vereinfacht ist, keine „Regelbeförderung“ nach Dienstjahren mehr vorsieht und eine Basisvergütung um drei Komponenten aufstockt: um die Erfahrungs-, Anforderungs- und die Leistungskomponente. Mit der Erfahrungskomponente werden Berufsjahre in einer Tätigkeit honoriert. Die Anforderungskomponente soll für besondere Fertigkeiten entschädigen. Die Leistungskomponente schließlich wird fixiert, nachdem die erwartete Leistung des Mitarbeiters per Zielvereinbarung festgelegt wird.
Die Basisvergütung ist in neun Gruppen aufgeteilt (A ist die niedrigste, I die höchste), die sich zwischen 1347 und 3768 Euro bewegt. Auf dieses Grundentgelt werden die Komponenten addiert. Ein Mitarbeiter in der Gruppe E beispielsweise verdient 2311 Euro im Monat. Hinzu kommen ab fünf Jahren Tätigkeit 116 Euro Erfahrungskomponente, zwischen 139 Euro und 277 Euro Anforderungskomponente sowie 46 Euro Leistungskomponente.
Die zwölf Monatsgehälter werden um ein Weihnachtsgeld und eine Zahlung, die zwischen einem Fünftel und einer ganzen Monatsvergütung liegt, aufgestockt sie ist vom Erfolg des Unternehmens abhängig.
Noch sind die Verträge nicht endgültig unter Dach und Fach, doch vor einigen Wochen wurden sie beim Gewerkschaftstag von ver.di in Magdeburg präsentiert und stießen auf ein unterschiedliches Echo. E.ON Energie selbst will sich offiziell noch nicht zu dem Tarifwerk äußern, sieht aber einen großen Wurf gelungen.
Auch die gewerkschaftlichen Verhandlungsführer, die mit E.ON den Tarif aushandelten, sprechen von einem Erfolg. Alt-Mitarbeiter könnten sogar nach dem neuen Tarif mehr als zuvor verdienen. Die IGBCE, die bei den Energieversorgern traditionell in Konkurrenz zu ver.di – der früheren ÖTV – steht, zeigt sich ebenfalls zufrieden.
Ver.di-Mitglieder und -Funktionäre selbst, die nicht für E.ON-Energie arbeiten, befürchten, dass die Anforderungs- und Leistungskomponente vom Wohlwollen des Vorgesetzten abhängt. Diese Komponenten seien „Nasenprämien“. Zudem sehen sie die Vergütung nach dem Unternehmenserfolg kritisch. „Wie kann ein Kraftwerk-Mitarbeiter durch gute oder schlechte Leistung den Unternehmensertrag maßgeblich beeinflussen?“, fragen sie. Bei den kreativen Möglichkeiten der modernen Bilanzgestaltung könne sich auch ein gut verdienender E.ON-Energie-Konzern durchaus „arm rechnen“ und beim Gehalt sparen.
Die IGBCE argumentiert dagegen, dass die Kennziffer Roce für die Sonderzahlung für alle E.ON-Energie-Mitarbeiter – also auch für leitende Angestellte bis zum Vorstand – gelte. Damit bestehe keine Gefahr, dass das Management des Unternehmens Gewinne versteckt.
E.ON Energie hat den neuen Tarif mit kräftigen Gehalts- und Lohnerhöhungen ab Januar 2002 „garniert“. So steigt die Vergütung für die Mitarbeiter zum Jahreswechsel um 2,5 %, zum 1. Januar 2003 um weitere 2 %. Die Leistungskomponente wird im kommenden Jahr mit 2 % festgelegt, ab dem Jahr 2003 sind Erhöhungen der Komponente auf bis zu 8 % möglich, die 2 % aber garantiert.
Wie sich die Leistungsvergütung dann entwickelt, ist offen. Vielen Gewerkschaftern passte grundsätzlich die Linie nicht: Ein Mitarbeiter müsse ein festes Entgelt erzielen, das er jeden Monat einkalkulieren könne. Und dafür sei der neue Mindest-Ecklohn zu niedrig. Für die RWE AG (Essen), bei der am 28. November der Auftakt für die Tarifverhandlungen über einen Gemeinschaftsvertrag ist, soll der E.ON-Tarifvertrag daher nicht Schule machen, heißt es bei ver.di. M. ROTHENBERG
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