Human Resource Management: Eine der größten Stellgrößen für Unternehmen
Die Unternehmensberatung Kienbaum lud rund 500 Personalexperten auf ihre Jahrestagung, um aktuelle Themen rund ums Human Resource Management aufzugreifen. Die besprochenen Lösungsansätze waren nicht immer neu. Das machte deutlich, dass die Zeit für intensive Debatten abläuft. Jetzt müssen Konzepte greifen, mahnten Diskussionsteilnehmer.
Personalfachleute warten nicht jeden Tag mit neuen Vorschlägen eines zeitgerechten Managements auf, aber die Dringlichkeit ihrer Aussagen wächst – zumindest, was die Behebung des Fachkräftemangels angeht. „Human Resource Management ist eine der größten Stellgrößen für Unternehmen weltweit. Wer hier nicht mitmacht, gehört zu den Loosern“, sagte Jochen Kienbaum, Geschäftsführer der Kienbaum Consultants GmbH, auf der 10. Jahrestagung des Gummersbacher Beratungsunternehmens. Bei seinem Geschäftsführerkollegen Walter Jochmann klang das martialischer: „Der ,war for talents‘ ist keine Welle, sondern ein Tsunami.“
Human Resource Management: Zuwanderung allein kann Fachkräftemangel nicht beheben
Um von dieser Riesenwelle nicht völlig unvorbereitet überrollt zu werden, schlug Jochmann insbesondere für Geistesarbeiter langfristig die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 69 Jahre vor, die Reduktion der immer noch zu hohen Ausbildungsabbruchquote, die Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen, eine intensive Frauenförderung sowie die Ankurbelung internationaler Mobilität. „Bei der Zuwanderung bin ich aber nicht allzu optimistisch. Weder Polen noch Chinesen oder Inder werden wir in Scharen gewinnen.“
Aber diese Seite der Medaille habe auch eine Rückseite. Von der „sehr, sehr guten“ wirtschaftlichen Entwicklung etwa in Skandinavien und Osteuropa werde auch Deutschland profitieren. „Insgesamt befinden wir uns in einer hervorragenden Position.“ Die Unternehmen sollten dies als Steilvorlage verstehen, um ihr Veränderungsmanagement als Erfolgsfaktor zu betreiben.
Auch der CDU-Politiker Carsten Linnemann sieht in „selektiver Zuwanderung, deren Möglichkeiten aber überschätzt werden“, nur einen von mehreren Bausteinen. Um das Land mit ausreichendem Fachpersonal zu versorgen, müsse „in deutsche Schlafzimmer wieder Leben einkehren“. Die Bevölkerung werde – wenn es statistisch betrachtet bei 1,3 Kindern pro Frau bliebe – langfristig von gut 80 Mio. auf 70 Mio. Bürger schrumpfen.
Solche Gedankenspiele schöben das Problem auf die lange Bank, konterte Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit. Selbst wenn ein Wunder geschähe und in Deutschland innerhalb der nächsten neun Monate die Geburtenrate rasant steige, würde sich das erst in 20 Jahren auszahlen.
Zahl der Arbeitsfähigen wird bis 2025 um 6,5 Mio. Personen sinken
Nach aktueller Lage werde die Zahl der Personen in Deutschland, die theoretisch in der Lage sind, einer Arbeit nachzugehen, bis zum Jahr 2025 um rund 6,5 Mio. Personen sinken – und damit auch das Angebot an qualifizierten Fachkräften.
Becker rechnete vor, dass bis dahin die Lücke günstigstenfalls mit dem Gewinn von 4 Mio. Frauen, bis zu 800 000 erfahrenen Arbeitskräften, die länger im Unternehmen gehalten werden, und über eine gesteuerte Zuwanderung ansatzweise zu stopfen, wenn auch nicht ganz zu schließen sei. Durch die Öffnung des Arbeitsmarktes nach Osteuropa seit dem 1. Mai würde der Zufluss von Arbeitskräften „tröpfeln“, mehr nicht. „Das ist zu wenig.“ Die deutsche Gesetzgebung wäre hier nicht sehr hilfreich. Becker suchte Zuflucht im Sarkasmus: „Das Zuwanderungsrecht ist etwas für juristische Feinschmecker.“
Zur Belebung des Arbeitsmarktes seien kurzfristig greifende Instrumente nötig. Enormes Potenzial schlummere in der hohen Zahl der Schulabbrecher, betonte Raimund Becker.
Sehnaz Özden ist skeptisch, dass sich die Sünden der Vergangenheit innerhalb kurzer Zeit gutmachen ließen. Den immer häufiger zu hörenden Rufen nach dem brach liegenden Migrantenpotenzial stünde eine „Ghettoisierung“ gegenüber, die bereits vor Jahrzehnten in Deutschland eingeleitet worden sei. Über Nacht ließe sich hier keine Arbeitsmarktrevolution erreichen, meint die Leiterin Employer Branding & Recruiting beim Autozulieferer Continental.
Human Resource Management: Frauen brauchen attraktive Rahmenbedingungen
Das „Mega-Thema Frauen“, das Jochen Kienbaum zu Beginn der Tagung ansprach, griff Angela Titzrath-Grimm auf, bei Daimler verantwortlich für die weltweite Führungskräfteentwicklung. „Ich bin gegen eine Frauenquote“, bekannte sie. Nicht aber gegen Frauenförderung, denn es sei eine wirtschaftliche Notwendigkeit, dass Belegschaften die gesellschaftliche Wirklichkeit widerspiegelten. Immerhin träfe heute bei jedem zweiten Autokauf die Frau die Entscheidung.
Nur wenn Frauen auf attraktive Rahmenbedingungen stießen, sei mit einer weiblichen Karriereoffensive zu rechnen, fügte Michael Prochaska an. Der Direktor Personal bei der Franz Haniel & Cie. GmbH meinte: „Frauen haben keine Lust auf die männlichen Machtspiele und ziehen sich häufig in die Familie zurück.“
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