IFRS: Mehr Transparenz, bessere Kontrolle
Viele Mittelständler überlegen, ob sie ihre Jahresabschlüsse künftig nach den internationalen Bilanzierungsstandards IFRS anfertigen sollen. Zu den Hauptgründen gehört der verbesserte Einblick in die Finanz- und Ertragslage und auch ein effektiveres Controlling. Doch bislang überwiegt die Skepsis.
Sie fordert eine Menge ab, die Umstellung der Rechnungslegung auf den Internationalen Bilanzierungsstandard IFRS. Das können Unternehmen, die an den Kapitalmarkt gegangen sind und ihre Zahlen bislang nach dem deutschen Handelsrecht aufbereitet hatten, bestätigen. Dennoch wollen sich dieser Herausforderung immer mehr mittelständische Gesellschaften stellen.
Die Möglichkeit dazu gibt es grundsätzlich seit dem Dezember 2004. Damals wurde durch Verabschiedung des Bilanzrechtsreformgesetztes (BilReG) für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen das Wahlrecht geschaffen, einen befreienden Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen. Befreiung bedeutet, dass dieser dann den Abschluss nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) ersetzt.
Eine Umstellung ist aber sehr aufwändig, erst recht für kleine und mittlere Unternehmen. Daher beschloss das standardsetzende Gremium International Accounting Standards Board (IASB) die Entwicklung einer vereinfachten Version, die IFRS-SME (International Financial Reporting Standard for small and medium-sized entities) für kleine und mittlere Unternehmen.
Dieser Standard trat im Juli 2009 in Kraft. Er enthält eine im Vergleich zu den Full-IFRS erhebliche Vereinfachung von Ansatz- und Bewertungsvorschriften. Auch wurde der Umfang der Angaben im Anhang reduziert. Dennoch stellt auch die Anwendung dieser „kleinen“ IFRS keine Übung dar, die man so einfach mal nebenbei erledigt. Außerdem ersetzt diese Version der IFRS nicht den Abschluss nach HGB, geben Experten zu bedenken. Der muss nach wie vor angefertigt werden, was im Klartext zunächst einmal nichts anderes bedeutet als steigende Kosten.
Daher fragen sich nach wie vor viele Unternehmen, ob sie sich diesen Stress freiwillig antun sollen. Schließlich verlässt man die bekannte HGB-Welt und taucht in ein neues, komplexes Regelwerk ein.
Als Hauptargument für eine Umstellung wird von Experten angeführt, dass die IFRS einen besseren Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage geben und daher eine bessere Risikoeinschätzung des Unternehmens ermöglichen. Das bestätigt auch Thorsten Sellhorn, Inhaber des Lehrstuhls für externes Rechnungswesen an der WHU – Otto Beisheim School of Management. „Dem IFRS-Abschluss eilt der Ruf voraus, insbesondere für Investoren nützlichere Informationen zu bieten. Diese sind zudem international vergleichbar. Die Vollversion der IFRS darf in Deutschland im Konzernabschluss anstelle der HGB-Vorschriften verwendet werden. Damit bieten sie sich insbesondere für als Konzerne organisierte, größere Mittelständler an.“ Solche Unternehmen könnten, so Sellhorn, von einer Einführung der IFRS dann profitieren, wenn sie
– mittelfristig einen Börsengang anstreben,
– die Platzierung einer Anleihe planen und hierzu ggfs. ein Rating erstellen lassen wollen,
– als Tochterunternehmen bzw. Teilkonzern eines nach IFRS bilanzierenden Unternehmens ohnehin IFRS-Zahlen an die Mutter liefern müssen,
– ihren Banken für größere Fremdfinanzierungsvolumina IFRS-Zahlen vorlegen müssen,
– stark international tätig sind und Zahlen präsentieren wollen, die mit denen ihrer ausländischen Wettbewerber vergleichbar sind oder
– in den Lieferantenkreis eines größeren Unternehmens aufgenommen werden wollen.
So sei es etwa in der Automobilbranche üblich, dass Fachleute in den Beschaffungsabteilungen die Zahlen potenzieller Lieferanten systematisch durchleuchten würden. „Hier präsentiert man sich mit einem IFRS-Abschluss transparenter und vergleichbarer.“ Die „kleinen“ IFRS würden derselben Philosophie von Transparenz und Vergleichbarkeit folgen wie die „großen“ IFRS von Vorteil für Mittelständler sei jedoch, dass ihr Umfang nur einen Bruchteil desjenigen der Full-IFRS ausmache. „Sie sind in der Anwendung deutlich einfacher und kostengünstiger, u. a. wegen deutlich geringerer Offenlegungspflichten. Wer also für eine Umstellung auf die Full-IFRS „üben“ will, könnte von einem Einstieg über die IFRS-SME profitieren“, erklärte Sellhorn.
Inzwischen gibt es auch erste Reaktionen von Unternehmen. Vom November 2009 bis März 2010 hatte die Europäische Kommission im Rahmen einer Überprüfung der Rechnungslegungs-Richtlinien eine europaweite Befragung zum Thema IFRS für KMU durchgeführt.
Die Antworten fielen unterschiedlich aus. Die Befürworter betonten, dass die Regeln einen internationalen Vergleich von Abschlüssen ermöglichen und dadurch u. a. die Finanzierungsmöglichkeiten erweitern, die Kapitalkosten senken, den Handel ausweiten und die Zahl der grenzübergreifenden Fusionen und Übernahmen erhöhen. Kritische Stimmen merkten an, dass die „kleinere“ Version der IFRS einerseits für kleine Unternehmen trotz der Vereinfachungen nach wie vor zu komplex sei, andererseits aber für die größeren Anwender bereits zu stark vereinfacht sei. Experten beziffern die Kosten einer Umstellung auf IFRS – je nach Geschäftsmodell, Internationalität und Systemabbildung – auf rund 0,1 % bis 0,5 % des Umsatzes. Allein die direkten Umstellungskosten werden bereits bei kleinen Unternehmen auf mindestens 100 000 € geschätzt, der Großteil der Umstellungen wird zwischen 200 000 € und 500 000 € kosten. Hinzu kommen Folgekosten für Personal, Schulungen, externe Beratungen usw.
Einen freiwilligen IFRS-Abschluss würden – so die Skeptiker unter den Fachleuten – kleine und mittelgroße Gesellschaften deshalb allein des hohen Aufwandes wegen wohl kaum erstellen. Auch wird auf zusätzliche Steuerbelastungen hingewiesen, die eine Umstellung mit sich bringen würde.
Prof. Sven Hayn von der Hamburger Universität und IFRS-Spezialist bei Ernst & Young plädiert dennoch für einen freiwilligen zusätzlichen Abschluss, etwa wenn man wissen will, wo die Hauptunterschiede zu ausländischen Wettbewerbern oder Zulieferern liegen. Auch dürfe nicht übersehen werden, dass durch die Osterweiterung der EU schon heute Länder wie Polen, Tschechien und Kroatien nach den Full-IFRS im Einzelabschluss bilanzieren würden, fügt Hayn hinzu. Wer sich dort mit einem Unternehmen vergleichen will oder von einem Zulieferer oder einem Kunden eine Bilanz sehen will, der müsse in der Lage sein, diese Rechnungslegungssprache zu sprechen. REINHARD LÜCKMANN
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