Technikethik: „Ingenieure dürfen nicht ins Blaue planen“
Für moralisch einwandfreies Verhalten braucht der Ingenieur Richtlinien. Dass Verhaltenskodices allein nicht immer reichen, darüber waren sich die Teilnehmer einer Diskussion an der Hochschule Amberg-Weiden weitgehend einig. „Wir müssen Verantwortung organisieren“, forderte der Technikethiker Kurt Detzer.
Wernher von Braun war ein begnadeter Ingenieur. Daran ist genauso wenig zu zweifeln wie an seiner tatkräftigen Unterstützung des Naziregimes. Der Technische Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde war wesentlich an der Entwicklung der V2, der Vergeltungswaffe 2, beteiligt. Mit dem Einsatz der Rakete sollte der deutschen Bevölkerung vorgegaukelt werden, der Krieg sei noch zu gewinnen. Wernher von Braun war sich durchaus bewusst, welche Verbrechen an der Menschheit allein mit dem Bau der Waffe verbunden waren. Er war selbst im KZ Buchenwald, wo Inhaftierte Teile der Rakete fertigten.
Fanatische Technikbegeisterung ist der falsche Weg wie die Historie zeigt
Für Andreas P. Weiß ist Wernher von Braun ein warnendes Beispiel dafür, wohin fanatische Technikbegeisterung verbunden mit Scheuklappendenken führen kann. Der Ingenieurprofessor an der Hochschule Amberg-Weiden (HAW) leitete jüngst an seiner Hochschule die Diskussion „Ethik und Technik – von der Verantwortung des Ingenieurs“.
Reine Appelle reichten nicht aus, um eine nachhaltige Technikgestaltung zu ermöglichen, ist Kurt Detzer überzeugt. Als VDI-Präsidiumsmitglied sowie als Lehrstuhlinhaber an der Ludwig-Maximilians-Universität München widmete sich Detzer jahrelang den Themen Wirtschafts- und Technikethik. „Wir müssen Verantwortung organisieren“, um der Umwelt, den Interessen der Wirtschaft, den Bedürfnissen der Verbraucher und Nachfrager sowie den Intentionen der Politik Genüge zu tun. Produziere die Gesellschaft Fachleute ohne Sinn für die Technikfolgen, würden die Vorurteile von den „marktorientierten Technokraten“ oder den „verantwortungslosen Zauberlehrlingen“ wiederbelebt.
Die Verantwortung liege aber nicht allein beim Ingenieur. Viele Akteure seien, so Detzer, in verantwortungsvolles Handeln eingebunden. Beispiel Auto. Wenn die Zahl protziger Stadt-Geländewagen zunehme, dann liege das in erster Linie am Wunsch potenzieller Käufer.
Verhaltenskodices begrenzt sinnvoll
Verhaltenskodices seien begrenzt sinnvoll, leider enthielten sie aber keinen konkreten Ethik-Rahmen, an dem sich Ingenieure orientierten könnten. Wie es funktionieren könnte, zeigte Detzer am Beispiel des Begleitscheins, der die Entsorgung von Sonderabfällen vom ersten bis zum letzten Prozess erfasst.
Auch die Analyse sämtlicher Umweltwirkungen während der Produktion, der Nutzungsphase und der Entsorgung eines Produktes, zusammengefasst unter dem Begriff der „Ökobilanz“, könnte Ingenieure vor unethischem Verhalten schützen. Das entbinde sie aber nicht von der Aufgabe, sich unabhängig davon Gedanken über ethische Prinzipien zu machen.
Auf die Bedeutung, Ethikgrundsätze in einem Unternehmen nicht nur zu installieren, sondern auch zu leben, wies Richard Weidinger, Vorstandsvorsitzender von EMB-Wertemanagement Bau, hin. Der Verein sei eine „Erfolgsgeschichte“, betonte Weidinger. Er widme sich dem Ziel, die abstrakten Begriffe Moral und Ethik auf alle Unternehmensebenen zu übertragen. Damit entstünde – je nach Firmen- und Branchenphilosophie – eine „unternehmenskulturelle Dimension“. „Im Betrieb muss der Geist herrschen: Bestimmte Dinge machen wir nicht! Da müssen alle Entscheidungsträger hinter stehen. Wenn es gelingt, den Begriff des ehrbaren Kaufmanns wieder in Unternehmen zu etablieren, ist bereits vieles geleistet.“
Je größer ein Unternehmen, desto intensiver müssten diese Glaubensgrundsätze verankert sein, fordert Weidinger. Der Unsitte von Schmiergeldzahlungen, vor allem im Baugewerbe, sei ein Anreizsystem für positives Verhalten entgegenzusetzen.
Aus Sicht der Bildung beantwortete Franz Bischof, Dekan der Fakultät Maschinenbau/Umwelttechnik an der HAW, die selbst gestellte Frage nach einem neuen Berufsbild des Ethikingenieurs mit „Nein – zumindest vorerst nicht“.
Der Umweltingenieur sei in den Unternehmen vor rund 20 Jahren auch nicht gerade mit offenen Armen, sondern eher als Störenfried empfangen worden. „Besser ist es, ingenieurwissenschaftliche Fragestellungen mit ethischen und ökologischen Inhalten anzureichern“, sagte Bischof.
Eindringlich mahnte Kurt Detzer, dass der Wille zur Fairness allein nicht ausreiche. „Ingenieure dürfen nicht ins Blaue planen. Sie müssen die Folgen ihrer Vorhaben vorhersehbar machen.“
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