Ingenieure erobern die Personalabteilungen
Personalarbeit ist eine Querschnittsfunktion. Hier arbeiten Betriebswirte, Psychologen, Juristen und Ingenieure. Letztere sind vor allem dann anzutreffen, wenn es um ihren eigenen Berufsstand geht. Der Vorteil: Sie sprechen sozusagen dieselbe Sprache und verstehen die Probleme der Ingenieure. Kurzum: Sie können glaubwürdig auftreten. VDI nachrichten, Ellwangen, 24. 4. 09, cha
Jan Eggert hat in Berkeley, Kalifornien, Maschinenbau studiert und anschließend als Ingenieur bei BMW in München im Bereich Produktionsstrategie und Vorentwicklung seine erste Stelle angenommen. Das war im Sommer 2002. Schon zwei Jahre später traf er seine Bekannten in den USA wieder, denn Eggert wurde Projektleiter in der Vorentwicklung im BMW Technology Office in Palo Alto, Kalifornien. Ebenfalls zwei Jahre dauerte dieses Engagement, bevor es ihn nach München zurückzog. Bei dieser Gelegenheit krempelte der 31-Jährige sein Berufsleben komplett um.
„Ich hatte schon immer Interesse an unterschiedlichen Kulturen und Organisationsformen, der Psychologie und Philosophie“, sagt Eggert. Sein Wunsch war es deshalb, in den Personalbereich zu wechseln. Die Chancen dafür waren gut, denn bei BMW ist es an der Tagesordnung, dass Mitarbeiter aus einem anderen Fachbereich ins Personal wechseln, seien es Spezialisten fürs Marketing, Controlling, den Einkauf oder eben Ingenieure. Der neue Personalvorstand Harald Krüger will künftig noch mehr Leute im Personalbereich haben, die in ihrem Berufsleben mehr gesehen haben als die Personalabteilung. Der Grund liegt auf der Hand: Personaler mit operativer Linienerfahrung wissen, wovon sie reden.
Auch deshalb hat es bei Eggert geklappt. Seit Sommer 2006 ist er als Personalreferent zuständig für zwei Fachbereiche in der Entwicklung mit über 1000 Beschäftigten, die meisten davon sind wie er Ingenieur. Dass sich die Entwicklungsstrategen einschließlich deren Führungskräfte mit dem Personalreferenten blendend verstehen, liegt auf der Hand. „Wir sprechen dieselbe Sprache.“ Das ist nach Meinung von Eggert ein Grund, weshalb Ingenieure im Personalbereich eines Technologieunternehmens gut aufgehoben sind. Ein weiterer: „Ich verstehe die Sorgen und Probleme meines Berufsstandes.“ Zur Vorbereitung auf seine neue Aufgabe hat Eggert an einer Schulung teilgenommen, die über mehrere Monate lief und insgesamt etwa zehn Tage dauerte.
Danach fühlte er sich fit für seine Arbeit – und vielleicht macht er sogar Karriere. Denn bei BMW hat es Tradition, dass die Personalvorstände Ingenieure sind: Harald Krüger, seit 1. Dezember 2008 Personalvorstand bei BMW, ist wie sein Vorgänger Ernst Baumann gelernter Maschinenbau-Ingenieur.
„Vor allem in technisch orientierten Unternehmen ist es nicht unüblich, dass Ingenieure und Wirtschaftsingenieure Aufgaben im Personalbereich übernehmen“, weiß Professor Gerold Frick, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) in Düsseldorf. Die Begründung liegt auf der Hand: „Personalarbeit ist eine Querschnittsfunktion.“
Ingenieure werden bekanntlich zu Problemlösern ausgebildet, von denen sich manche die Frage stellen: Welche Auswirkungen hat die Technik auf den Menschen oder wie lässt sich die Mensch-Maschine-Beziehung optimieren? „Wenn sich Ingenieure im Studium in diese Fragen vertiefen, werden sie häufig im produktionsnahen Umfeld eingesetzt, übernehmen arbeitswissenschaftliche Aufgaben und wachsen damit eventuell ins Personalmanagement hinein“, meint Frick.
Ingenieure lernen in ihrer Ausbildung viel über komplexe technische Zusammenhänge und Prozesse. Deshalb tun sie sich beim Entwickeln von Kompetenzprofilen und beim Formulieren von Stellenanzeigen für Ingenieurstellen leichter als beispielsweise ein Psychologe. Sie eignen sich auch als Personalentwickler, wenn es um die technische Qualifizierung geht.
Nach Ansicht von Frick sind zunächst einmal alle Ingenieure für das Personalwesen geeignet, die Menschen mögen und ausgeprägte soziale Qualitäten wie eine ausgleichende und integrierende Art haben sowie stark in der Kommunikation sind. „Wer in die Technik verliebt ist, sollte besser dabeibleiben“, rät er. Für andere, die in den Personalbereich wechseln wollen, bietet die DGFP-Akademie Ausbildungsgänge und Seminare an, vom Personalsachbearbeiter über den Personalreferenten bis hin zum gesamtverantwortlichen Personalmanager. Die Teilnahme lohnt sich, denn nach Erkenntnissen der Gesellschaft verdienen Ingenieure im Personalbereich meist mehr als beispielsweise in der Konstruktion oder Forschung und Entwicklung, weil sie häufig umfangreiche Personal- und Budgetverantwortung haben.
Wie bei BMW geplant, sieht es auch Frick als sinnvoll an, dass Personaler über operative Linienerfahrung aus anderen Bereichen verfügen. Dennoch macht er dringenden Handlungsbedarf in der einschlägigen Qualifizierung des Personalernachwuchses aus. Seiner Meinung nach muss mit neuen Studiengängen und Vertiefungsrichtungen sowie geeigneten Ausbildungsgängen das Personalmanagement zunehmend professionalisiert werden. Markus Dörle ist Wirtschaftsingenieur und gehört zu denjenigen Ingenieuren, die nach Ansicht von Frick die idealen Voraussetzungen für das Personalwesen mitbringen, weil er sowohl technisches als auch kaufmännisches Wissen hat. Zudem hat auch Dörle Karriere gemacht: Er ist Bereichsleiter Personal bei Stihl in Waiblingen. „Ich habe nach dem Studium direkt im Personalbereich angefangen und mich regelmäßig über Seminare und Trainings weitergebildet, beispielsweise im Arbeits- und Sozialrecht oder in der Personalentwicklung“, sagt Dörle.
Ingenieure werden als Personalreferenten eingesetzt, wo sie einen Mehrwert generieren – und das nicht nur in Technologieunternehmen. In dem Strategieberatungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) ist der Maschinenbauingenieur Christian Greiser gemeinsam mit einem Geschäftsführungskollegen für die Personalsuche und -auswahl zuständig. „Weil bei uns viele Ingenieure arbeiten, gibt es auch viele, die sich im Recruiting engagieren. Ich bin also bei Weitem nicht er einzige Ingenieur, der bei BCG Personalaufgaben übernimmt.“ PETER ILG
Vom Schlosser zum Arbeitsdirektor
In manchen Unternehmen gibt es den Arbeitsdirektor. Arbeitsdirektor ist ein Begriff, der sich aus dem Montanbestimmungsgesetz und dem Mitbestimmungsgesetz ableitet.
Nach den beiden Gesetzen müssen Kapitalgesellschaften mit mehr als 2000 Mitarbeitern einen Arbeitsdirektor berufen. Die Arbeitnehmerseite soll in den Aufsichtsratsgremien vertreten sein, ist der Gedanke, der hinter den gesetzlichen Bestimmungen steckt.
Die paritätisch besetzten Aufsichtsräte wählen den Arbeitsdirektor. So kommt es, dass häufig Arbeitsdirektoren frühere Betriebsräte oder deren Vorsitzende sind.
Beispiele für den Aufstieg vom Betriebsrat oder Gewerkschafter zum Arbeitsdirektor sind u.a. Werner Widuckel, Personalvorstand der Audi AG, und Ralph Labonte, Mitglied des Vorstands der Thyssen Krupp Technologies AG. PETER ILG
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