Ingenieure überführen Betrüger
Fraud Manager oder Analysten (Betrugsermittler) werden immer dann aktiv, wenn es in der eigenen Firma um Unterschlagung, Betrug und Korruption geht. Doch der Ausbildungsweg zum internen Betrugsermittler formt sich erst langsam. Dabei bietet sich hier auch für Ingenieure ein neues zukunftsträchtiges Berufsfeld, das noch von Ex-Polizisten, Staatsanwälten und Wirtschaftsprüfern dominiert wird.
Der Kölner U-Bahnbau brachte nicht nur Tiefbauern eine Menge Arbeit, sondern auch Staatsanwälten. Nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs, der wohl im Zusammenhang mit den unterirdischen Arbeiten steht, kam die Sache ins Rollen: Mitarbeiter stehen im Verdacht, technische Aufzeichnungen gefälscht zu haben, und es gibt Betrugsvorwürfe. In den Schlitzwänden, die die U-Bahnröhren stabilisieren, sollen deutlich weniger Stahlbügel eingebaut worden sein als nötig – stattdessen wurde mutmaßlich das Material von Mitarbeitern der Baufirmen an Schrotthändler verhökert.
Hier geht es nicht nur um Pfusch, sondern um waschechte Wirtschaftskriminalität. Damit sich der Schaden für die beteiligten Unternehmen in Grenzen hält, muss die Sache schnell aufgeklärt werden – ein Job für sogenannte Fraud Analysten, „Betrugsermittler“ also. Ein Berufszweig, der in den USA schon lange etabliert ist und hierzulande erst langsam an Bedeutung gewinnt. Fraud Spezialisten werden allerdings nicht nur aktiv, wenn es wie in Köln schon zu spät ist, sondern sie verhindern im Vorfeld, dass es in Unternehmen zu Betrügereien, Bestechung und Korruption kommt.
Schätzungsweise arbeiten in Deutschland 500 dieser Experten. Einer davon ist Bernd Hoffmann. Der Ex-Kriminalhauptkommissar trägt den Titel „Certified Fraud Examiner“ und ist Senior Manager im Bereich Fraud Risk Compliance bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft RölfsPartner. Außerdem ist er Vorstandsmitglied der deutschen Association of Certified Fraud Examiners (ACFE), die Fraud-Spezialisten ausbildet. „Prävention, Aufdeckung und Aufklärung sind die wesentlichen Aufgabengebiete“, erklärt Hoffmann. Er selber übernimmt im Auftrag von Unternehmen Risikoanalysen, klopft Geschäftsprozesse darauf hin ab, ob sie Schlupflöcher für Kriminelle bieten, führt Hinweisgeberstrukturen ein, sucht nach Anhaltspunkten für Verstöße und ist investigativ unterwegs, um Verdachtsmomente aufzuklären.
Damit hat der 43-Jährige einen zukunftssicheren Job. Denn in wirtschaftlichen Umbruchphasen wächst bei vielen tatsächlich oder vermeintlich zu kurz gekommenen Mitarbeitern die kriminelle Energie gegen das eigene Unternehmen, in dem man ohnehin nicht mehr für ein Arbeitsleben lang bleiben wird, was nicht eben loyaler macht. Und: Verstöße gegen geltendes Recht werden immer härter verfolgt.
„Prominente Korruptionsfälle der Vergangenheit und die gestiegene Komplexität rechtlicher Anforderungen an Unternehmen, etwa im Datenschutz und Arbeitsrecht, lassen den Bedarf an Fraud-Spezialisten wachsen“, berichtet Uwe Heim, Partner und Forensikexperte des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte. In seinem Team finden sich unter anderem ehemalige Polizisten, Juristen, Banker, aber auch Ingenieure, Mathematiker, Informatiker und Physiker. „Aufgrund der verschiedenen Aufgaben, die ein hohes Maß an Spezialistenwissen erfordern, müssen wir interdisziplinär arbeiten können“, sagt Heim.
So wie der Feind in der eigenen Firma geschickt sein gesetzeswidriges Verhalten mit technischer Finesse verschleiert, so müssen die Ermittler ihm mit ihrem Wissen auf die Schliche kommen. „Daher braucht auch ein Ingenieur, der als Fraud-Spezialist tätig ist, kriminelle Fantasie“, betont der Experte. Und psychologisches Geschick, um arglistige Lügen als solche zu entlarven. Mittlerweile laufe fast nichts mehr ohne IT-Experten, da häufig riesige Datenmengen analysiert, diese gegebenenfalls gemäß den gesetzlichen Bestimmungen und gerichtsverwertbar gesichert werden müssen. Grundsätzlich gebe es auch viel auf dem Bau für Ingenieure zu tun – ohne ihr technisches Verständnis ließen sich schwer Beweise führen.
Das heißt auch: „Eine theoretische Ausbildung hilft da nicht weiter. Berufserfahrung ist unerlässlich“, betont Heim. Damit wird Seiteneinsteigerei zum Standard. In Deutschland gibt es seit kurzem eine Handvoll Weiterbildungsmöglichkeiten. So werden etwa seit diesem Jahr Fach- und Führungskräfte an der Frankfurt School of Finance & Management in dem berufsbegleitenden Zertifikatsstudiengang zum „Certified Fraud Manager“ (CFM) ausgebildet. Dabei lernen die angehenden CFMs auch, weswegen ein beschuldigter Mitarbeiter nie in oberen Stockwerken befragt werden sollte – Überführte sind schon aus dem Fenster gesprungen. „Das sind alles Dinge, die in keinem Lehrbuch stehen“, sagt Projektleiter Christian de Lamboy von der Frankfurt School of Finance & Management. Die Kosten liegen bei fast 10 000 €, 25 Studienplätze gibt es, eine Warteliste existiere.
Am Institut für Risk & Fraud Management der Steinbeis-Hochschule Berlin sind knapp 13 000 € für den Zertifikatsstudiengang fällig und rund 30 000 € für den zweijährigen berufsbegleitenden MBA-Studiengang. „Der MBA richtet sich branchenübergreifend an Fach- und Führungskräfte mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung“, erklärt Birgit Galley, Direktorin der Steinbeis School of Governance, Risk & Compliance.
Sie selbst arbeitet seit 15 Jahren als Betrugsermittlerin, war unter anderem an der Aufklärung der Leuna-Affäre beteiligt. „Initialzündung, um die Studiengänge zu gründen, waren Anfragen aus Unternehmen, wie und wo man das lernen kann“, erzählt Galley. Seit 2007 haben 80 Absolventen die Steinbeis-Schule verlassen. Die verfügen jetzt auch über das Handwerkszeug, um Industriespionage einen Riegel vorzuschieben. Galley: „Der Know-how-Abfluss wird zu einem immer bedrohlicheren Problem.“
Man sieht: An Aufgaben und immer neuen Bedrohungen wird es Fraud Managern auch künftig nicht mangeln. CHRIS LÖWER
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