Ingenieure auf dem Weg zur Führungskraft begleiten
Birgit Szillat berät und trainiert bei der AVL List GmbH Führungskräfte mit technischem Hintergrund beim Aufstieg auf der Karriereleiter. Ingenieure seien Teamplayer und Problemlöser und eignen sich ihrer Ansicht nach sehr gut für Führungspositionen.
VDI nachrichten: Noch immer gibt es in vielen Köpfen das Klischee vom Ingenieur als Tüftler und weniger den mit Softskills gesegneten Mitarbeiter.
Szillat: Es besteht immer noch das Vorurteil „Ingenieuren mangelt es an Softskills“ und in vielen Unternehmen nimmt es noch weit mehr Einfluss, als man oft meint – was die Unternehmer übrigens nicht davon abhält, ihre Techniker und Ingenieure trotzdem in Führungspositionen zu setzen.
In Unternehmen werden gern die BWLer oder ähnliche Berufsstände zu Führungspersönlichkeiten gemacht, warum? Warum nicht viel häufiger Ingenieure?
Dafür gibt es vor allem zwei Ursachen: Zum einen fehlen der Wirtschaft immer noch Fachkräfte, das heißt, gute Entwicklungsingenieure und technische Experten sind Mangelware. Also halten viele Unternehmen sie auf Positionen, von denen sie annehmen, dass sie ihnen dort am meisten nutzen. Also in der Forschung und Entwicklung. Zum anderen haben Sie selbst es ja schon angesprochen: Klischees und Vorurteile.
Welche Defizite weisen Ihrer Erfahrung nach Ingenieure auf?
Oft werden Techniker und Ingenieure ohne große Vorbereitung auf Führungspositionen gesetzt und wenn sie dann konkreten Problemen gegenüberstehen, greifen sie auf vertraute Methoden zurück: analysieren, tüfteln, beheben.
Das kann man an drei typischen Führungssituationen gut sehen:
Erstens ist ihre Herangehensweise in Konflikten mit Mitarbeitern oder Kunden oft zu sehr sachlich orientiert. Um Widerständen aus dem Weg zu gehen, ziehen sie sich auf das vertraute Feld der technischen Ursachenforschung zurück und lassen dabei das Zwischenmenschliche außen vor. Auf eine emotionale und persönliche Ebene zu kommen, die Interessen und Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erkennen, das fällt vielen Ingenieuren schwer.
Zweite Herausforderung ist das Delegieren, denn wenn sie etwas fachlich sehr interessiert, möchten sie am liebsten alles selbst machen. So bremsen sie Mitarbeiter, die sich mit ihrem Elan und ihrer Begeisterung in die Lösung des Problems einbringen wollen. Außerdem sind viele Projekte nur durch Delegation von Aufgaben zu stemmen.
Und drittens haben Ingenieure Schwierigkeiten mit Führungsstilen. Welcher Führungsstil ist wann angemessen? Wie variiere ich meinen Führungsstil? Womit erreiche ich was? Das sind alles Fragen, die Ingenieure in Führungspositionen nicht intuitiv beantworten können, aber müssen – dort helfen Praxisübungen. Es sind nämlich nicht unbedingt die Ingenieure selbst, die Defizite aufweisen, sondern die Unterstützung für sie auf dem Weg zur Führungskraft.
Welche Skills haben Ingenieure, die gut für eine Leitungsfunktion sind?
Ingenieure bringen durch ihre prozess- und technikorientierte Ausbildung vor allem zwei Vorzüge für eine Leitungsposition mit: Sie sind Problemlöser und Teamplayer zugleich.
Lassen sich die „Führungs-Skills“ erlernen?
Die Erlernbarkeit solcher Skills ist Grundvoraussetzung für erfolgreiches Führen. Nur wenige Mitarbeiter sind Naturtalente im Führen, weder mit kaufmännischem noch mit technischem Hintergrund. Die Schwierigkeit für Ingenieure und Techniker liegt im Zugang: Bei ihren ersten Schritten als Führungskraft tun sie sich meist schwer. Sie müssen ihre Welt der eindeutig regelbaren Prozesse verlassen und sind stattdessen mit unvorhersehbarem, zwischenmenschlichem Verhalten konfrontiert – es fehlt ihnen die Expertise.
Kann jeder Ingenieur führen?
Grundsätzlich versuchen wir, durch das Seminar die gleichen fachlichen Voraussetzungen zu schaffen. Es richtet sich an Entwicklungsingenieure, ganz gleich ob sie sich für eine Führungs- oder Fachkarriere entscheiden. Bei der AVL haben zum Beispiel etwa 40 % der Ingenieure das Potenzial zu hervorragenden Führungskräften, ein Drittel ist grundsätzlich geeignet und weitere 30 % sind für die Fachkarriere prädestiniert.
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