Made in Germany: Erfolgsfaktor oder Handicap?
Qualität „Made in Germany“ ist und bleibt nach Ansicht vieler Entscheider ein Exportschlager. Dabei sei nicht ausschlaggebend, ob ein Produkt aus Deutschland stammt, sondern ob deutsche Qualitätskultur in dessen Herstellung einfließt. Dessen sollte sich bewusst sein, wer sich auf der Fachmesse für Qualitätssicherung – Control – über neue Technologien informieren will.
Messen, Prüfen, Analysieren: das Einmaleins der Qualitätssicherung in der Industrie. Eine moderne Fertigung ohne Produktionskontrolle: undenkbar. Und so wird es nächste Woche auf der Fachmesse für Qualitätssicherung – der Control – von Sensoren, Messköpfen, Analysegeräten, Waagen und Zählern nur so wimmeln.
Das technologische Fundament für Qualität „made in Germany“ – es steht. Aber ist das schon alles? Was macht deutsche Qualität im Kern aus? Und was bedeutet sie im internationalen Wettbewerb? Einen Vorteil? Oder gar einen Nachteil? Fünf Entscheider aus Wirtschaft und Wissenschaft suchten in einer Podiumsdiskussion auf der diesjährigen Hannover Messe nach Antworten auf diese Fragen.
„Es geht um die Qualitätskultur ,made in Germany‘. Wo das Produkt hergestellt wird, ist weniger wichtig“, erklärte Rolf-Jürgen Ahlers, Geschäftsführender Gesellschafter des Optoelektronikspezialisten ProxiVision. „Wichtiger als ,Made in Germany‘ ist der Einfluss des deutschen Qualitätsgeists“, fand Eike Böhm, der das Qualitätsmanagement bei Mercedes-Benz Cars in Stuttgart leitet.
So klingt das, wenn die Diskutanten einer Podiumsdiskussion in einem Punkt keinen Diskussionsbedarf haben. Einig waren sie sich auch darüber, dass die Anforderungen an die Qualitätssicherung mit der Zeit weiter zunehmen.
Produkte kommen immer schneller auf den Markt
Ulrich Schrickel, Leiter Qualitätsmanagement bei Bosch in Gerlingen, berichtete, dass Produkte immer schneller an den Markt gebracht werden müssten. Daimler-Mann Böhm ergänzte: „Die Ansprüche der Kunden steigen.“ Und in den Worten von Frank Brode, Vorstand Qualität und Neue Technologien des Mindener Steckerherstellers Harting: „Qualität geht weit über die Frage hinaus, ob mein Produkt kaputtgeht oder nicht.“
„Sowohl die Produkte als auch die Herstellungsprozesse werden immer komplexer“, berichtete Brode. Die Kunden würden darauf Wert legen, Qualität gepaart mit Innovation einzukaufen. Er setzt auf die Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen, „um die neuesten Technologien in die Produkte zu bringen“. Das Unternehmen Harting ist sich sein eigener Ausrüster. „In unseren Anlagen benutzen wir unsere eigenen Produkte“, sagte er in Hannover.
Einen starken Trend machte Brode zudem in der Individualisierung von Produkten aus: „Massenproduktion wird den Bedürfnissen der Kunden nicht immer gerecht. Es kommt deshalb darauf an, die Produktionsprozesse mit Intelligenz auszustatten.“
Produkte sollten an lokale Märkte angepasst werden
Bosch-Qualitätsmanager Schrickel machte einen entscheidenden Aspekt von Qualität im Local-for-local-Gedanken aus. Das bedeutet, dass Produkte und Dienstleistungen auf den jeweiligen Kunden in der jeweiligen Region abgestimmt sind. Es sei nicht damit getan, im Sinne eines „Copy and Paste“ einfach zu übernehmen, was in einem anderen Markt funktioniert hat, fand auch Ulrich Weinberg, Leiter der School of Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. „Die Produkte, aber auch die Bildungs- und Schulungssysteme sollten an den Bedürfnissen des Kunden vor Ort ausgerichtet werden.“
Weinberg regte an, dass sich die Fertigungsindustrie an der Softwareproduktion orientieren könnte. Diese vollziehe sich immer von Neuem in Iterationsschleifen und befinde sich deshalb andauernd im Prozess. „Diese Denke ist der Fertigungsindustrie noch fern“, stellte er fest. Schrickel glaubte gar, dass in Zukunft zwischen Hardware und Software nicht mehr unterschieden werde.
Die Experten sahen in Deutschland großes Potenzial, bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen Maßstäbe zu setzen. Laut Weinberg setze dies allerdings voraus, dass die Akteurinnen und Akteure in Bildung, Forschung und Wirtschaft sich früher und effektiver vernetzen und interdisziplinär denken. Dort sah er Nachholbedarf: „Wir sind im vernetzten Denken nicht ausgebildet, sondern darin separat zu denken.“ Entsprechende Aus- und Fortbildungskonzepte müssten im deutschen Bildungssystem verankert werden.
Qualität ist und bleibt für die Experten ein Zukunftsthema. Böhm: „Den Leuten wird zunehmend klar, wie wichtig Qualität eigentlich ist.“
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