Interview 30.09.2011, 12:06 Uhr

Praxistauglich: Lean Management im Mittelstand

Lean Management (LM) ist längst eine anerkannte Methode, um alle Aktivitäten, die für die Wertschöpfung notwendig sind, optimal aufeinander abzustimmen und überflüssige Tätigkeiten zu vermeiden. Doch in mittelständischen Unternehmen kommt das Management-Tool nur selten zum Einsatz. Dabei wird es gerade dort gebraucht, „denn der Mittelstand kann mit Lean Management hervorragende Resultate erzielen“, sagt Michael Ladi von der P3 Ingenieurgesellschaft, und legt nachfolgend die Gründe dar.

VDI nachrichten/INGENIEUR.de: Gemeinsam mit dem Arbeitswissenschaftlichen Institut Bremen (AIB) haben Sie eine Umfrage zum Lean Management im Mittelstand durchgeführt. Was war der ausschlaggebende Grund für diese Umfrage?

Michael Ladi: Wir haben einige Erfahrungen mit Lean Management-Projekten in großen Betrieben gemacht, die unternehmensweite Effizienzprogramme auflegten. Dabei haben viele gute Ansätze durch grundlegende Schwierigkeiten in der Unternehmenskultur großer Konzerne an Schwung verloren, z. B. durch die Distanz zwischen Top-Management und operativer Ebene.

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In Projekten bei kleineren Unternehmen tauchten diese Probleme dagegen kaum auf, da die Geschäftsführung in der Regel einen engen Kontakt zur operativen Ebene pflegt und die Mitarbeiter offener gegenüber Verbesserungsvorschlägen sind. Allerdings kommt es bei mittelständischen Unternehmen meist gar nicht zur Anwendung von Lean Management, da sie es für einen aufwendigen und kaum umsetzbaren Ansatz halten. Doch wir sind davon überzeugt, dass gerade der Mittelstand hervorragende Resultate mit Lean Management erzielen kann. Und das wollten wir in Form einer neutralen Studie gemeinsam mit dem AIB prüfen.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Ladi: Es hat sich herausgestellt, dass Lean Management eine wirkungsvolle Grundlage für einen effizienten Mittelständler ist und dass die Befragten die Lean Methoden als geeignet zur Lösung mittelständischer Probleme ansehen. Interessanterweise waren den Teilnehmern einige dieser Methoden bekannt, jedoch wurden diese Werkzeuge nur vereinzelt angewandt und das gesamte Potenzial dieser Methoden daher kaum genutzt.

Insgesamt teilten die Teilnehmer unsere Einschätzung, dass Lean Management zur Steigerung der Unternehmenseffizienz und zur Reduzierung operativer und strategischer Schwierigkeiten ihrer Unternehmen beitragen kann.

Was macht Lean Management gerade im Mittelstand so bedeutsam?

Ladi: Mit Lean Management verfügt ein mittelständisches Unternehmen über gute Grundlagen, schnell und effizient hochwertige Ergebnisse zu erzielen. Dabei bilden die Stärken des Mittelstandes, z. B. Flexibilität, einfache und funktionale Technologie sowie flache Hierarchien hervorragende Voraussetzungen.

Gerade ein Mittelständler steht im intensiven Wettbewerb, ohne dass es große finanzielle Reserven für Ausfälle durch Fehlentwicklung oder fehlerhafte Herstellung von Produkten gibt. Wenn man nicht gerade Monopolist in einer Nische ist, werden Ineffizienzen und mangelhafte Produkte schnell vom Markt bestraft.

Nachhaltiges Lean Management kann dem langfristig vorbeugen. Und das ohne aufwendige Verbesserungsprojekte, denn LM findet im Alltag statt und kann, entgegen der allgemeinen Annahme, ohne große finanzielle bzw. personelle Mehraufwände betrieben werden.

Woran liegt es, dass zwar 77 % der Befragten etwas mit Lean Management anfangen können, jedoch nicht oder nur unzureichend wissen, wie es konkret angewandt und umgesetzt wird?

Ladi: Kleinere Unternehmen verfügen weder über Personal noch über ausreichend Geld, um sich explizit mit Fragen der Unternehmensführung zu beschäftigen. Neue Managementansätze werden daher im Mittelstand oftmals nur am Rande wahrgenommen.

Laut Umfrage haben KMU im Vergleich zu Großunternehmen wesentlich bessere Voraussetzungen für eine Lean Management-Einführung. Warum?

Ladi: Lean Management ist einerseits ein großer Werkzeugkoffer mit Methoden, die im operativen Alltag große Verbesserungen erzielen. Aber dahinter steht auch eine Philosophie, nämlich die, Verschwendung zu vermeiden, indem man sich darauf konzentriert, die Kundenwünsche zu erfüllen. Das sind sowohl die Endkunden, die Produkte eines Unternehmens kaufen, aber auch interne Kunden, z. B. der Monteur, der auf korrekte Zeichnungen aus der Entwicklung wartet.

Die Methoden greifen nur, wenn alle Beteiligten den Grundgedanken verstanden haben und voll hinter der Philosophie stehen und sie leben. Dazu gehört eine starke Verbindung zwischen Unternehmensführung und Belegschaft.

Die Sicht des Kunden ist der Ausgangspunkt im Lean Management. Warum?

Ladi: Alle Tätigkeiten im Unternehmen dienen letztlich dazu, Geld zu verdienen. Und dieses Geld kommt von den Kunden des Unternehmens. Also sollten idealerweise alle Aktivitäten darauf ausgerichtet sein, dass der Kunde das bekommt, was er bestellt. Alles andere ist Verschwendung, zum Beispiel Nachbesserungen, Zusatzaufwand oder Wartezeiten.

Inwiefern steigert LM den Unternehmenserfolg?

Ladi: Durch effizientere Prozesse in einem schlanken Unternehmen können die Kundenwünsche schneller und mit großer Zufriedenheit erfüllt werden. Dies schafft Kundenbindung. Darüber hinaus können durch schlanke Prozesse Mitarbeiter von unnötigen Tätigkeiten entbunden werden, wodurch sie sich anderen, vielleicht auch neuen Aufgaben widmen können. Grundsätzlich dient Lean Management nicht der Freisetzung von Ressourcen bei gleichbleibendem Geschäft, sondern dem Wachstum durch das Bedienen weiterer Kunden mit der gleichen Mannschaft.

Gibt es auch mittelständische Unternehmen, denen Sie von der Einführung und Umsetzung von Lean Management abraten? Wenn ja, warum?

Ladi: Grundsätzlich ist Lean Management für alle Unternehmen geeignet. Die Philosophie funktioniert bei jedem Betrieb. Allerdings sollte jedes Unternehmen gesondert betrachtet werden, um zu entscheiden, welche Methoden im Alltag zur Anwendung kommen sollten und welche Maßnahmen zur Einführung von Lean Management sinnvoll sind. Das kann von einer eintägigen Schulung bis zu einem größeren Projekt reichen. Eine kurze Analyse hierzu ist sehr hilfreich, bevor man mit der Einführung beginnt. P3 bietet z. B. eine solche Vorabbetrachtung in Form eines Quick Checks an.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Nutzung von Förderprogrammen von Behörden oder den IHK, die u. a. speziell die Analysephase, aber auch die Umsetzungsphase zur Erreichung einer höheren Materialeffizienz, unterstützen.

Ein Beitrag von:

  • Julia Schlingmann

    Redakteurin VDI nachrichten im Ressort Management und Karriere.

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