Social Business auf dem Vormarsch
Unternehmen gründen, um soziale Probleme zu lösen: Dies ist der Kern der von Muhammad Yunus geborenen Idee des „Social Business“. In seiner Heimat Bangladesch setzt der Friedensnobelpreisträger sie schon lange in die Tat um. Doch auch in Europa befindet sich sein Geschäftsmodell auf dem Vormarsch.
„Ich lebe in einem Land, in dem es nichts anderes gibt als Probleme.“ Yunus ist ein Mann mit Charisma, aber auch mit klarem Blick auf die Realität. Wohltätigkeit ist nach seiner Überzeugung nicht das richtige Rezept, um Armut und andere gesellschaftliche Probleme aus der Welt zu schaffen. Stattdessen baut der Wirtschaftsexperte auf den Willen und die Fähigkeit der Menschen, ihre Existenz aus eigener Kraft zu sichern, und auf das ökonomische Know-how von Unternehmern, die bereit sind, zugunsten der Schwachen auf eigenen Profit zu verzichten.
1983 gründete Yunus in Bangladesch die Grameen Bank, ein Geldinstitut, das heute mehr als 2500 Niederlassungen hat und so genannte Mikrokredite für rund 8 Mio. arme Menschen in gut 81 000 Dörfern anbietet. Anders als herkömmliche Banken gehört die Grameen Bank den Kreditnehmern und basiert ausschließlich auf Vertrauen. 97 % der Kreditnehmer sind Frauen. Der gewährte Kredit entspricht in der Regel der Summe ihres Ersparten.
Mittlerweile steht der 70-Jährige an der Spitze einer ganzen Gruppe von Firmen, die in Bangladesch nach dem Prinzip des Social Business arbeiten vom Telekommunikations- bis zum Energieunternehmen. Alle, versichert der Ökonom, trügen sich finanziell selbst, die Gewinne würden reinvestiert, er selbst verdiene nichts mit seinem Social-Business-Imperium.
Sein Konzept stößt auf Resonanz – auch bei Großunternehmen, die sich der „Grameen Unternehmensgruppe“ in den letzten Jahren in Joint Ventures angeschlossen haben. Zu den Pionieren zählt der Joghurthersteller Danone, der 2006 das Sozialunternehmen „Grameen Danone Foods“ gegründet hat.
In Bogra, einer Kleinstadt nordwestlich von Dkaka, betreibt Danone eine Joghurtfabrik mit rund 40 Mitarbeitern, die aus der Milch dort ansässiger Bauern einen Joghurt namens „Shokti+“ produziert, der den Ernährungsbedürfnissen der Bangladeschi angepasst ist. Kleine Läden verkaufen ihn, aber auch rund 650 so genannte Grameen Ladies, Frauen, die den Joghurt an der Haustür anbieten.
Ein Becher kostet 6 Taka, umgerechnet rund 6 Eurocent. Die Erträgefließen ins Unternehmen zurück. Die Grameen Bank wiederum vergibt Kleinstkredite von umgerechnet 30 € bis 40 €, mit deren Hilfe die Bauern Milchkühe und Futter und die Grameen Ladies ihre Kühltaschen erwerben können.
Es reiche nicht aus, betont Danone-Manager Ramin Khabirpour, nur das Profitwachstum als Unternehmensziel im Auge zu haben. Heute würden Manager auch danach bewertet, wie sie mit sozialen und gesellschaftlichen Problemen umgingen. Social Business sei kein Allheilmittel, aber ein chancenreicher Ansatz.
„Social Business ist nicht nur eine Bangladesch-Geschichte“, ist Yunus überzeugt. Ein Blick nach Berlin und Wiesbaden zeigt, wie seine Idee auch in kleinerem Rahmen funktionieren kann. Friedrich Kiesinger, Chef der Pegasus GmbH für soziale und gesundheitliche Innovation, hält wie Yunus wenig von Spenden, die Hilfsbedürftige weiter in ihren Abhängigkeitsstrukturen belassen. In der Bundeshauptstadt betreibt der 58-Jährige deswegen ein Dienstleistungsunternehmen, das Arbeits- und Ausbildungsplätze auch für Menschen mit Handicap bietet.
Im Maler- und Ausbaugewerbe, im Facility-Management und in der EDV-Verwaltung ist Kiesinger so gut im Geschäft, dass er den dort erwirtschafteten Gewinn in den Ausbau anderer Geschäftsfelder stecken und damit noch mehr Arbeitsplätze schaffen kann. „Kein Betriebsteil darf dauerhaft stark defizitär werden“, betont er.
Etwa 3 Mio. € Umsatz pro Jahr erzielt das Unternehmen, das derzeit rund 130 Menschen Arbeit bietet. Firmenchef Kiesinger, der hauptberuflich als Psychologe arbeitet, schüttet sich derzeit ein Salär von monatlich 1500 € aus. Ethisch Wirtschaften mit klaren sozialen Zielen: Dieses Prinzip hat sich auch der Wiesbadener Eventmanager Hans Reitz zu eigen gemacht. Seine Agentur „circ“ organisiert Veranstaltungen für Kunden wie E.on oder T-Systems und ist wie die Unternehmenstochter „circ responsibility“ ein Social Business. Letztere gehört als Joint Venture zum 2008 gegründeten „Grameen Creative Lab“. Es soll das Thema in Europa voranbringen.
Auch in der Hochschulwelt sind Yunus“ Ideen angekommen. Danone finanziert einen Stiftungslehrstuhl zum Thema Social Business an der privaten European Business School (EBS). Diese Form des Wirtschaftens soll erforscht und als Geschäftsmodell weiterentwickelt werden. Für EBS-Präsident Christopher Jahns ist klar, dass Social Business nichts für „Sozialromantiker“ ist: „Es braucht extrem professionelle Manager“, sagt der Betriebswirt, „sonst scheitert es.“ JUTTA WITTE
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