Temperament gehört in Italien zum Geschäft
Die historisch gewachsenen Kulturen und Mentalitäten beeinflussen noch heute viele Prozesse im Arbeitsleben. Das sagt u. a. Jacques Pateau, der seit zehn Jahren multinationale Unternehmen betreut und Fusionen über Ländergrenzen hinweg moderiert.
Alle Menschen und Gesellschaften werden durch ihre Geschichte geprägt. Das was sie selbst mitprägen, kann nur die Zukunft sein“, sagt Jacques Pateau, promovierter Germanist und Soziologe an der Universität von Compiègne. An Beispielen deutscher und französischer Verhaltensweisen belegt er, warum diese Betrachtung nicht von der Hand zu weisen ist. Pateau: „Im deutschen Arbeitsverhalten spielen Aufgabenorientierung, Fachkompetenz und das Denken in Zuständigkeitsbereichen eine zentrale Rolle.“ Geschichtlich finde man dieses Verhalten in der deutschen Stammeskultur wieder, die Kultur des kleinen Territoriums oder auch Gemeinschaftskultur genannt. Diese sei wiederzufinden in der Struktur der ehemals vielen deutschen Kleinstaaten, die bis in das letzte Jahrhundert Bestand hatten und die die Wurzel der deutschen Neigung zur Konsens-Bildung bilden.
Frankreich hingegen ist seit mehreren hundert Jahren zentralistisch aufgebaut. Das alles dominierende Machtzentrum heißt Paris. Dies ist nach Pateaus Worten eine der maßgeblichen Grundlagen der „höfisch“ geprägten Arbeitskultur. Der persönliche Erfolg wird durch andere Mechanismen erreicht als in Deutschland. In Frankreich domininiert diplomatisches Verhalten, konsequente Beachtung der Etikette und die Kommunikation „zwischen den Zeilen“. Letztere spielt auch eine wichtige Rolle im Miteinander zwischen Deutschen und Franzosen.
In Deutschland „wird etwas auf den Punkt gebracht und in Frankreich angedeutet oder umschrieben. Mit der Konsequenz, dass die „leisen Umschreibungen“ der Franzosen von Deutschen vielfach nicht gehört werden, oder die deutsche, direkte Aussage einem Franzosen gegenüber fast einem Affront gleichkommt“, berichtet Pateau, der über die Ländergrenzen hinweg Unternehmen berät und derzeit die Fusion zweier Konzerne betreut. „Sind diese Unterschiede auch aus der Betrachtung der Geschichte heraus erst einmal thematisiert, lassen sie sich relativ zügig und leicht methodisch überwinden.
Bei einem Unternehmenszusammenschluss sei es deshalb unerlässlich, dass der kulturintegrierende Prozess zur Chefsache erklärt wird. „Ansonsten besteht ein sehr hohes Risiko, dass das Zusammenwachsen misslingt“, sagt Pateau, der Experte für Interkulturelles Management.
Auch zwischen Frankreich und Italien gibt es gravierende Unterschiede. Das Temperament, die ausdrucksstarke Lebensfreude und die ausgeprägte Streitkultur, werden dort auch im Arbeitsleben ausgelebt. Für Deutsche und Franzosen gleichermaßen ungewohnt, muss sich ein italienischer Vorgesetzter durchaus einer Diskussion stellen, bei der er seine Entscheidungen begründet, so Claudio Guidi, Deutschlandkorrespondent der Italienischen Tageszeitung IL TEMPO. Guidi, der selbst sieben Jahre in Paris lebte und seit 13 Jahren in Deutschland arbeitet, kennt die national-kulturellen Unterschiede aus der täglichen Arbeit.
„Ein Wesenszug vieler Italiener ist, dass wir uns leidenschaftlich gerne auseinander setzen“. Der promovierte Philosoph meint damit nicht die negative belegte Deutung des Begriffes „Auseinandersetzung“. Er meint die sehr temperamentvollen und eher spielerischen Diskussionen mit seinen Landsleuten. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass ein italienischer Vorgesetzter im Gespräch mit seinen Mitarbeitern begründen muss, warum er eine Entscheidung getroffen hat. Und damit nicht genug, es ist auch selbstverständlich, als „Untergebener“ klar seine vielleicht entgegengesetzte Meinung gegenüber dem Vorgesetzten zu äußern und zu vertreten. „Probleme haben damit nur die wenigsten Vorgesetzten.“
Auf einen Nenner gebracht herrscht in Italien eher die Einstellung vor, sich auch mal mit Dingen zu befassen, die außerhalb der persönlichen Zuständigkeit liegen. „Das deutsche Kästchendenken ist nicht meine Baustelle“, sagt Guidi. Auch gebe es in Italien nicht den Begriff der „inneren Kündigung“. Dadurch, dass miteinander konstruktiv gestritten wird, bleibt die Auseinandersetzung auf einer sehr sachlichen Ebene. Frei von persönlichen Attacken können dabei Dinge klargestellt und aus der Welt geschafft werden. „In den seltensten Fällen kommt es zu Kränkungen oder Beleidigungen „, sagt Guidi.
Für deutsche Chefs in Italien mag ein Wesenszug recht irritierend sein, wenn man ihn nicht kennt: Mitarbeiter kündigen und sie wundern sich dann, wenn der deutsche Chef sie vor die Tür setzt. Ist die Kündigung eines Mitarbeiters in Deutschland nämlich eine nicht mehr zu revidierende Entscheidung, also der Schlussstrich unter ein Arbeitsverhältnis, so hat sie in Italien eher die Bedeutung einer Aussprache. „Ein Chef bricht sich bei uns nicht den Zacken aus der Krone, wenn er fragt, was er besser machen und für seinen Mitarbeiter tun könne, damit man weiter miteinander arbeiten kann.“ Deutschen Führungskräften, die nach Italien versetzt werden, empfiehlt Guidi, die Dinge unverkrampfter zu sehen und offen zu kommunizieren. „Mit gutem sprachlichen Rüstzeug und einer großen Portion Humor gewinnt man die Italiener“, rät Guidi.
Die Autorität eines Managers in Italien hängt nicht zwangsläufig mit seiner Funktion zusammen. Sie ist Ausdruck der Persönlichkeit und des Verhaltens eines Chefs. Man soll immer darauf achten, nicht nur den Verstand seiner Mitarbeiter, sondern auch ihre Seele für sich zu gewinnen. Um dies zu erreichen, sollten Führungskräfte ihre Meinung über die alltäglichen Dinge des Lebens nicht verstecken, sondern persönliche Erfahrungen auch mal als Beispiel vortragen. Italienische Mitarbeiter möchten nicht nur den Chef, sondern auch die Person dahinter kennen- und schätzen lernen. „Igeln Sie sich nicht ein, sondern zeigen Sie auch mal Gefühle“, empfiehlt Guidi.
Der Münchener Berater Klaus Doppler geht einen ganz anderen Weg des interkulturellen Managements. Er veranstaltet zusammen mit Professor Eckhard Minx, Leiter des Bereiches „Gesellschaft und Technik“ bei DaimlerChrysler in Berlin, Professor Rudi Wimmer, Lehrstuhlinhaber am Deutsche Bank Institut für Familienunternehmen und Enno Berndt, Dozent an der Fakultät für „Business Administration“ an der Ritsumeikan University in Kyoto, eine eineinhalbjährige „interkulturelle Expedition“. Die Teilnehmer sollen unter anderem dafür sensibilisiert werden, den kontinuierlichen und schneller werdenden Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft als eine Chance für neue, persönliche Perspektiven zu erkennen und ihn für sich zu nutzen. In acht Veranstaltungsblöcken, die nach Kalifornien, Südafrika, Japan und China führen, sollen die Teilnehmer „das persönliche innere Leitsystem neu ausrichten“, so Doppler, Autor des Buches „Change Management“.
Das sogenannte „Sabbatical“ biete die Chance, sich mit den anstehenden Entwicklungen der global vernetzten Gesellschaften und dynamischer Wirtschaftsprozesse zu befassen. Dabei gehören Fragen der persönlichen Sinngestaltung , die inneren und gesellschaftlichen Werte ebenso zum Themenspektrum wie Arbeitsstrukturen, Unternehmensorganisation oder das Lernen durch Kritik. Die Teilnehmer besuchen verschiedene Unternehmen, veranstalten Diskussion und Workshops und lernen vor Ort weitere Spezialisten kennen. Die Gruppe schafft so im Verlauf der gemeinsamen Zeit eine „lernende Organisation“, wie Doppler sie nennt. Unternehmer, Manager, Projektleiter, die aus Wirtschaft, Verwaltung und ebenso aus non-Profit-Bereichen stammen, über den zeitlichen Verlauf von November 1999 bis Mai 2001 insgesamt 39 Tage in Workshops und Supervisionstermine investieren. Dopplers interkulturelle Expedition gehört damit wohl zu den nachhaltigen Veranstaltungen der Weiterbildung im Bereich des interkulturellen Managements. HERBERT JOKA
Jacques Pateau berät Unternehmen bei Firmenfusionen.
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Klaus Doppler will deutschen Managern einige kulturelle Unterschiede vermitteln.
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