The Power of No: Führungskräfte müssen Nein sagen können
Ein Nein ist häufig mit negativen Emotionen behaftet. Zu Unrecht – gut durchdacht und begründet, eröffnet es neue positive Möglichkeiten.

"Nein" als Führungsstärke: Klare Prioritäten für nachhaltigen Erfolg setzen.
Foto: PantherMedia / Andriy Popov
Langfristige Unternehmensziele definieren, strategische Unternehmenspartnerschaften eingehen, in Technologien und Tools investieren, innovative Arbeitskonzepte einführen, neue Projektideen bewerten – diese und viele weitere Entscheidungssituationen machen die Arbeit von Führungskräften aus. „Entscheidungen zu formulieren, bedeutet, Prioritäten zu setzen, und ist eine der wesentlichsten Kompetenzen von Führungskräften in unserer turbulenten Business-Welt“, weiß Bodo B. Schlegelmilch, Dekan der Wiener WU Executive Academy. Doch er weiß auch: „Das gezielte Nein-Sagen gestaltet sich in der Praxis häufig schwieriger, als es scheint.“
Ein roter „No-Button“ auf dem Schreibtisch
Auf dem Schreibtisch von Bodo Schlegelmilch liegt das Geschenk eines Kollegen: ein roter, batteriebetriebener „No-Button“: Drückt man ihn, ertönt ein „No“, das bei mehrmaligem Drücken immer lauter wird. Schlegelmilch mag den Button, und er mag deutliche Worte: „Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht“, sagt er mit einem Augenzwinkern und erklärt: „Klare Prioritäten zu setzen bedeutet, zwischen dem zu unterscheiden, was für das Unternehmen und die eigene Position wirklich wichtig ist und dem, was ablenkt oder unnötig Ressourcen bindet und damit Zeit und Energie kostet.“
Nein-Sagen als Herausforderung
Führungskraft ist nicht gleich Führungskraft. Unterschiedlichste Charaktere schaffen es in die Leitungsebene, und nicht allen fällt es gleichermaßen leicht, ein „Nein“ auszusprechen, berichtet Kussai El-Chichakli, selbst langjährige Führungskraft bei Procter & Gamble und Coca-Cola, Gründer der Management-Beratung The Center und Dozent an der WU Academy. „Nein zu sagen, ist oft eine persönliche Herausforderung, die ein gewisses Maß an Selbstreflexion erfordert, um die eigenen und vor allem auch die Grenzen anderer zu erkennen und zu respektieren.“ Besonders schwer fällt das Nein-Sagen nach Beobachtung von El-Chichakli zwei Typen von Führungskräften: Over-Achiever und People-Pleaser.
Warum Over-Achiever ungern Nein sagen
Der Leadership-Experte erklärt: „Klassischerweise steigen Führungskräfte auf, weil sie die Erwartungen und Anforderungen an ihren Job übertreffen und mehr tun als andere – also zu den Over-Achievern gehören.“ Allerdings könne das stetige Mehr an Arbeit und die wachsende Verantwortung zur Überlastung führen. Aus der Gewohnheit, immer die „extra Meile“ gehen zu wollen, würden viele Over-Achiever schließlich das Gespür verlieren, wann ein Nein wichtig wäre.
Warum People-Pleaser ungern Nein sagen
Das typische Merkmal der People-Pleaser ist, beschreibt El-Chichakli, Wünsche anderer stets erfüllen zu wollen: „Um niemanden zu enttäuschen, sagen sie oft Ja, selbst wenn sie wissen, dass sie eigentlich Nein sagen sollten. Dieses Verhalten kann dazu führen, dass sie ihre eigenen Prioritäten, Werte und Prinzipien aus den Augen verlieren – denn für sie ist dringlich und wichtig, was andere für dringlich und wichtig halten.“ Die negativen Folgen beschreibt El-Chichakli so: „People-Pleasing hat aber weder für die Mitarbeiter noch für die Führungskraft einen Mehrwert und kann schnell zu Überlastungsreaktionen und Orientierungslosigkeit führen.“
Warum Nein-Sagen für Führungskräfte wichtig ist
Bodo Schlegelmilch, Dekan der WU Academy, kennt diese Zusammenhänge. Für ihn ist ein gut begründetes Nein, ob an ein Teammitglied oder auch an einen Vorgesetzten gerichtet, ein Zeichen von Wertschätzung und Klarheit. „Wenn ich erklären kann, warum ich Nein sage, zeigt das, dass ich meine Prioritäten durchdacht habe und die Auswirkungen und Folgen meiner Entscheidung für mich und andere auf dem Schirm habe und auch beherzige.“ Schlegelmilch und El-Chichakli sind sich einig: Nein-Sagen ist ein unverzichtbares Führungsinstrument.
Self-Leadership als Basis
„Auf der Ebene des Self-Leadership ist ein klares Nein absolut notwendig, um mit den eigenen Ressourcen haushalten zu können. Zeit ist die wichtigste Ressource im Management. Limits für die eigene Zeit und Energie zu setzen, fällt aber vielen Führungskräften schwer. Bevor man im Sinne der Organisation Nein sagt, sollte man bei sich selbst beginnen“, rät Kussai El-Chichakli.
Situationen, in denen ein Nein sinnvoll sein kann
„Die wichtigste Ressource eines Managers ist seine eigene Zeit, die wichtigste Ressource eines Leaders ist die Energie, die er oder sie selbst hat und gemeinsam mit anderen erzeugen kann“, erklärt der Experte und empfiehlt Führungskräften, diese Einsicht als Entscheidungsgrundlage zu nutzen: „Welche Meetings würden problemlos stattfinden, auch wenn ich als Führungskraft nicht dabei wäre? Oft bringt eine Teilnahme keinen echten Mehrwert, ein Nein setzt Ressourcen wieder frei.“ Schlegelmilch nennt ein anderes Beispiel: „Ein Auftrag von außen sollte nur angenommen werden, wenn er das Unternehmen weiterbringt, seine Ziele bestmöglich unterstützt – ansonsten ist ein Nein die richtige Antwort.“
Ein Nein muss sachlich begründet werden
Schlegelmilch rät: „Es darf nie rigoros ausfallen, muss im Gespräch sachlich und wertschätzend begründet werden, indem man die Folgen aufzeigt – etwa, weil ein dringliches Projekt zu kurz kommt oder eine Deadline eingehalten werden muss.“ Er beobachtet: „So kann das Gegenüber das Nein nicht nur akzeptieren, sondern oft gelingt es auch ein echtes Verständnis für die Entscheidung zu erzeugen, was sich sowohl auf die Motivation der Mitarbeiter als auch auf das Ergebnis positiv auswirkt.“
„Ja“ zum Nein
Schlegelmilch und El-Chichakli sind sich einig:
- Ein Nein ist viel mehr als eine Ablehnung.
- Es ist eine bewusste Entscheidung für das Wesentliche.
- Es kann den Druck von Teams nehmen, indem keine überflüssigen Aufgaben übertragen werden.
- In Change-Prozessen ist Nein-Sagen eine Schlüsselkompetenz – ohne Nein zum Gewohnten kann es keine Transformation geben.
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