Von ungenutzten Ideen in schweren Zeiten
In Krisenzeiten setzen Unternehmen den Rotstift an, wo es nur geht. Auch das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW), das seit einem Jahrzehnt als Ideenmanagement firmiert, ist diesem Sparzwang in vielen Firmen zum Opfer gefallen und tut es immer noch – auch wenn sich die Konjunktur derzeit erholt. Doch was ist das Ideenmanagement überhaupt und wo findet es seinen Platz in der Unternehmenspraxis? Die VDI nachrichten haben nachgefragt.
„Der Anteil der 45 600 Mitarbeiter, der sich bei Audi in Deutschland am Ideenmanagement beteiligt, war bis 2008 auf fast die Hälfte der Gesamtbelegschaft (47 %) angestiegen, aber in 2009 ist er wieder auf 44 % gesunken“, so wird aus Ingolstadt berichtet. Doch der Nutzen, den das Unternehmen aus Mitarbeitervorschlägen verbuchen kann, ist erst jetzt auf jährlich mehr als 50 Mio. € angewachsen. Eine Situation, die den bewegten Einsatz und den möglichen Erfolg dieser Einrichtung generell verdeutlicht. Lässt doch auch das Deutsche Institut für Betriebswirtschaft (dib) verlauten, wo es seit Jahrzehnten die Szene betrieblicher Verbesserungen überblickt und betreut, dass es „starke Einbrüche beim Ideenmanagement gibt. Die Szene ist absolut ruhig.“
Immerhin verkündete der letzte dib-Report noch, dass der Unternehmensgewinn bei den an der Untersuchung beteiligten 277 Unternehmen (aus 18 Branchen) insgesamt 1,56 Mrd. € betragen habe, und dafür seien 162 Mio. € an Prämien gezahlt worden. Eine Maßangabe, die sofort die Kritik der Arbeitnehmerorganisationen auf den Plan ruft, da die Prämienprozente vieler Unternehmen als zu gering erachtet werden und in manchen Geschäftsführungen, die nicht beteiligt sind, skeptisches Kopfschütteln verursacht, da diesen selbst nicht erzielten Erfolgen misstraut wird.
Trotzdem bleibt es eine dokumentierte Tatsache, dass große Unternehmen sogar dreistellige Millionenzahlen an Unternehmensnutzen durch das BVW melden: Siemens 157 Mio €, Volkswagen 147 Mio. €, Bosch 109 Mio. € und die Deutsche Post sogar 260 Mio. €, obwohl der Kundenservice gerade dieses Hauses immer stärker eingeschränkt wurde.
Was will das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW), das seit einem Jahrzehnt als Ideenmanagement firmiert, grundsätzlich? Die Quintessenz vieler Antworten auf diese Frage lautet: Es will eine Bündelung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen durch eine zusätzliche Verbesserung des Unternehmenserfolges mit Hilfe von Mitarbeiterbeobachtungen und -ideen bewirken.
Dafür gibt es bekanntlich ganz bestimmte Organisationsschwerpunkte, die in den Unternehmen unterschiedlich behandelt werden, und dazu gehört von der Werbung, sich am Management der Ideen zu beteiligen, über Frist und Form der Mitteilung, die einen Teilnehmer über seinen Vorschlag informiert, auch die Einbeziehung der Vorgesetzten und die damit verbundene Bewertung sowie die Höhe der Prämierung der vorgetragenen Idee. Dafür hat es zahlreiche Empfehlungen und Hinweise gegeben, die von 15 % bis 50 %, wie sie die Gewerkschaften gefordert haben, der durch einen Vorschlag erzielten Ersparnis reichen.
Das verursacht wie jede ernsthafte Investition natürlich zunächst auch Kosten, die sich allerdings bei entsprechender Bewertung mehr als rentieren können, wenn die Nutzenquote steigt. Die gegenwärtige Situation des Ideenmanagements zeigt allerdings auch deutlich, dass allen Vorschlagserfolgen zum Trotz die Furcht vor unrentablen Ausgaben den Ideenerfolg zu Lasten der Unternehmen überlagert.
Der einstige Vorstandsvorsitzende des Schweinfurter Wälzlagerhersteller FAG Kugelfischer, Uwe Loos, machte seinen Betrieb zum Vorzeigeunternehmen des Ideenmanagements überhaupt. Dort reichte bereits vor zehn Jahren jeder Mitarbeiter ca. zehn Verbesserungsvorschläge ein, da ihn ein detailliertes Wettbewerbssystem auch für kleine Anregungen auszeichnete. Das Unternehmen konnte jährlich rund 67 Mio. € Nutzen verbuchen und zahlte dafür 6,7 Mio. € Prämien. Die höchste Prämie betrug 94 500 €. Als das Unternehmen (an die Schaeffler-Gruppe) verkauft wurde, ging es mit dem Ideenmanagement zu Ende.
Aus dem dib ausgetreten sind mittlerweile auch die Drägerwerke Lübeck, von dem der Vorsitzende des Konzernbetriebsrates einmal gesagt hatte: „Ein so großes Unternehmen wie die Dräger AG kann es sich gar nicht leisten, auf das Verbesserungspotenzial, das in vielen Köpfen schlummert, zu verzichten.“ Heute heißt es in der offiziellen Kommentierung des Hauses: „Dräger hat schon vor über zehn Jahren das Business Excellence System (BEST ) als Qualitätsmanagementsystem im gesamten Unternehmen eingeführt. Damit ist die kontinuierliche Verbesserung bei Dräger viel mehr als Selbstverständlichkeit im täglichen Denken und Handeln der Mitarbeiter verankert.“
Bemerkenswert erscheint, dass die Bereitschaft zu offener Information über einen Ideenwettbewerb im Unternehmen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist und das dürfte auch daran liegen, dass viele Unternehmen die Prämierung scheuen und Systeme bevorzugen, die ohne finanzielle Mitarbeiterauszeichnung funktionieren.
Das gilt allerdings nicht für Häuser wie Siemens, VW, Bosch oder Audi. Von dort wird berichtet, dass als Gründe für gegenwärtige Rückgänge „die Krise und die Produktzyklen einzelner Modelle“ angesehen werden, dass die Höchstprämie dieses Hauses von 60 000 € im Jahr 2009 trotzdem zwölf Mal zum Ansatz kam, wobei u. a. die „Lack-Vorbehandlung“ wie außerdem „die Optimierung der Kraftstoffkühlung“ verbessert werden konnten.
Dieses trotz allem positive Ergebnis wird nicht zuletzt darauf zurückgeführt, dass „die Vorgesetzten bei der Bearbeitung von Verbesserungsvorgängen durch Ideenkoordinatoren sowie von Mitarbeitern der Ideenagentur des Hauses unterstützt werden. Daraus ergibt sich die Wertung, die dem Ideenmanagement bei Audi zugeschrieben wird:
„Dem Ideenmanagement kommt ein sehr hoher Stellenwert im Unternehmen zu. Es steht keinesfalls in Konkurrenz zu anderen Optimierungssystemen. Außerdem ist das Ideenmanagement auch ein Führungs- und Motivationsinstrument, das besonders in dem bei Audi seit vielen Jahren erfolgreich praktizierten Vorgesetztenmodell die Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten fördert.“ Ein besseres Zeugnis kann ein erfolgreiches Unternehmen dem Betrieblichen Vorschlagswesen, alias Ideenmanagement, kaum ausstellen. Es sollte Schule machen.
ROSEMARIE FIEDLER-WINTER
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