Warum wirksame Führung Empathie braucht
Führung ohne Empathie führt direkt in die Irre – das hat die Coronakrise gezeigt. Einfühlung in sich selbst und in das Team sind der Schlüssel. Warum Führung nur mit Empathie wirksam ist, hat INGENIEUR.de mit Dieter Lederer, Unternehmensberater, besprochen.
ingenieur.de: Sie sind selbst Ingenieur. Wie viel Veränderung brauchen Ingenieure in Zukunft?
Lederer: Wenn Sie in die Historie schauen, waren Ingenieure immer schon sowohl Treiber als auch Betroffene von Veränderungen. Gerade in der heutigen Zeit, wo es um große Trends wie beispielsweise den drastischen Wandel der Mobilität, die weiter rasant zunehmende Digitalisierung und Konnektivität, aber auch um die Sicherung unserer Gesundheit geht, sind Ingenieure durchwegs an vorderster Front mit dabei. Dabei wird sich auch ihr eigenes Arbeitsumfeld durch weitere Automatisierung und Robotisierung deutlich verändern. Diesen Entwicklungen aufgeschlossen zu begegnen und sie aktiv mit zu treiben, wünsche ich mir von meinem eigenen Berufsstand.
Stichwort Coronakrise: Ist Krisenführung reine Chefsache?
Eines zeigt sich in der Coronakrise, die uns alle unerwartet und unvorbereitet getroffen hat: Diejenigen Unternehmen, deren Chefetage mit Umsicht, Verständnis, Rücksicht und dennoch klarer Orientierung gehandelt hat, kommen weitaus besser durch die Krise als andere. Es spielt eine massive Rolle, wie Chefs insbesondere emotional mit der Krise umgehen können und sie sich folglich verhalten. Insofern ist Krisenführung zuallererst Chefsache.
Hören Sie auch im Podcast „Technik aufs Ohr“: Plötzlich Führungskraft: Wie verhalte ich mich richtig
Wie hat die Coronakrise Führung verändert?
Zum Start und am Höhepunkt der Krise war Führung eher einfacher als davor, denn es herrschte eine Art „Alert-Stimmung“, was dazu führte, dass Mitarbeiter die Notwendigkeit sahen, auch Wege zu gehen, die sie unter normalen Umständen nicht mal eben so gegangen wären. Das hat Führung leichter gemacht. Dazu kam jedoch – und das ist der gegenläufige Part –, dass Führung auf Distanz durch Home-Office, Videokonferenzen und Co. erfolgen musste. Das hat sie schwieriger gemacht, denn es war ungewohntes Neuland. Plötzlich kam es darauf an, Emotionen und Zwischentöne ohne persönliche Begegnung wahrzunehmen, auf Mitarbeiter in höchst unterschiedlichen persönlichen Situationen zu reagieren, mit einem Potpourri an emotionalen Befindlichkeiten umzugehen und dennoch voranzukommen. Das war und ist eine veritable Herausforderung für Führungskräfte.
„Die Führung war zu Beginn der Krise einfacher.“ Das müssen Sie nochmal näher ausführen. Fühlten sich denn nicht auch Führungskräfte „überrollt“ und mussten sich erstmal sortieren?
Auf jeden Fall. Und die Leistung, von jetzt auf dann mit der drastisch veränderten Situation umzugehen – rational wie emotional –, ist nicht zu unterschätzen. Zu bedenken gebe ich jedoch, dass Risiko- und Problembehandlung zum Handwerk der Führungskräfte gehört. Zudem waren wir hierzulande durch Italien mit einer Frist von mindestens zwei Wochen vorgewarnt, das „Überrollen“ kam also mit Ansage.
Was meinen Sie mit der „Alert-Stimmung“? Das klingt so, als ob sich die meisten Mitarbeiter ohne Krise lieber in gewohnten Fahrwassern befinden.
Mit „Alert-Stimmung“ meine ich, dass unser Gehirn ob der Wahrnehmung einer massiven Bedrohung in eine Art „Überlebensmodus“ schaltet und alle Energie auf die Abwehr dieser Bedrohung richtet. Damit spielt die Überlegung, ob Teams aus dem Home-Office heraus denn tatsächlich produktiv zusammenarbeiten können, von jetzt auf dann keine Rolle mehr. Es wird einfach gemacht und alle strengen sich an, dass es klappt.
Wie können Führungskräfte mit Emotionen im Team am besten umgehen?
Emotionen gehören zu Menschen und damit auch in berufliche Situationen und professionelle Teams. Sie sind die eigentliche Triebkraft unseres Handelns, vielmehr als unsere Ratio. Daher ist mein wichtigster Rat, Gefühle zuzulassen und zu würdigen sowie sie als Einladung zu verstehen, nachzuforschen, welche Bedürfnisse sich darin ausdrücken. Dieses „Übersetzen“ von Emotionen ist sehr hilfreich für Teams, denn es führt dazu, dass all das auf den Tisch kommt, was sonst unter der Oberfläche brodeln würde. Führungskräfte sollen einen guten Zugang zu den eigenen Gefühlen haben – das ist die Basis dafür, stimmig auf Emotionen bei ihren Mitarbeitern zu reagieren, was ich „emotionales Andocken“ nenne.
Was meinen Sie mit emotionalem Andocken an die Mitarbeiter? Und warum ist das wichtig?
Emotionales Andocken bedeutet, zu spüren, was emotional beim einzelnen Mitarbeiter oder im Team los ist, sowie wertschätzend damit umzugehen. Das führt je nach Situation zu Bestärkung, zu Klärung oder zum Überwinden von Hindernissen oder gar Blockaden. Es gibt kaum ein wirksameres Mittel im Umgang mit Menschen als emotionales Verstehen – oder anders gesagt: Empathie.
Was für Tipps haben Sie für junge Führungskräfte?
Entwickeln Sie Empathie, zunächst für sich selbst, dann für andere, und gehen Sie offen und annehmend mit Befindlichkeiten in Ihrem Umfeld um – ganz im Sinne des emotionalen Andockens. Unsere Gefühle und darauf basierendes Verhalten hängen von Werten und Glaubenssätzen ab, die wir uns im Lauf unseres Lebens zu eigen machen. Es lohnt sich sehr, diese zu kennen und zu hinterfragen, um das – oft unwillkürliche – eigene Empfinden und Verhalten zu verstehen und es in eine Richtung lenken zu können, die mehr nützlich als hinderlich in der jeweiligen Situation ist. Ihre zukünftigen Mitarbeiter werden es Ihnen danken – garantiert.
Danke für das Interview, Dieter Lederer! Dieses haben wir schriftlich geführt.
Über Dieter Lederer
Dr. Dieter Lederer ist Veränderungsexperte, Unternehmer und Investor. Er berät und unterstützt Unternehmen bei der Organisationsentwicklung und in Veränderungsprogrammen.
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