Wie man als Führungskraft Teilzeit arbeitet
Johanna Fink schildert im Karriere-Podcast „Prototyp“, wie auch eine Führungskraft in Teilzeit arbeiten kann.
Inhaltsverzeichnis
VDI nachrichten: Frau Fink, warum heißt Ihr Buch „So wird Führung in Teilzeit zum Erfolg!“ und nicht „So wird Teilzeitarbeit zum Erfolg!“ Was unterscheidet Teilzeit von Führungskräften von Teilzeit anderer Beschäftigter?
Johanna Fink: Ich bin während meiner ersten Schwangerschaft Führungskraft geworden und kenne Teilzeit daher persönlich nur aus dieser Perspektive. Das ist der erste Grund, warum das Buch inhaltlich auf Führung zugeschnitten ist. Der andere ist, dass das Thema in der Öffentlichkeit extrem unterbelichtet ist. Es gibt nur wenige Informationen, Best Practices, Role Models und Wissen dazu. Zudem besteht bei diesem Thema auf dem Buchmarkt eine große Lücke, die ich schließen wollte.
Führungskraft in Teilzeit
Sie schreiben im Intro, dass Sie Zweifel hatten, den Weg in die Teilzeit zu gehen.
Weil ich mich gefragt hatte: Kann das mit der Führung in Teilzeit tatsächlich funktionieren? Dafür fehlten mir Beispiele. Es gab niemanden, an dem ich mich orientieren konnte, der oder die sich zum Austausch angeboten hätte. Rückblickend muss ich sagen, dass mir Best Practices sicherlich sehr geholfen hätten. Allerdings hat sich die Unsicherheit schnell aufgelöst. Ich habe gemerkt, dass das Modell sehr gut funktioniert, weil mich mein Team und mein Vorgesetzter unterstützt haben. Zunächst habe ich allein in Führung gearbeitet, dann in einem Tandem.
Was war die größte Herausforderung?
Die größte Hürde war, mir das Wissen selbst erarbeiten zu müssen. Dabei habe ich mich auch – was sich letztlich als vorteilhaft erwies – auf mein Bauchgefühl verlassen. Ich hatte eine vage Vorstellung davon, wie ich führen wollte. Auch die geistige Vorbereitung und die Erfahrungen als Projektleiterin haben mir sehr geholfen, weil ich gelernt hatte, Menschen auch ohne disziplinarische Weisungsmacht zu führen.
Der Achtstunden-Arbeitstag führt zu Schäden
Role Models gab es vor gut zehn Jahren also kaum. Und heute?
Heute gibt es viel mehr Menschen, die auf die verschiedenste Art und Weise als Teilzeitführungskräfte Karriere machen. Sie tauchen mit ihren Werdegängen in meinem Buch sowie in meinem Podcast auf. Wie die Rolle ausgefüllt wird, hängt sehr von der Organisation, der Aufgabenstellung und vom Team ab. Man kann sich wie aus einem Werkzeugkasten mit den verschiedensten Modellen bedienen, um sich dann daraus sein eigenes Modell zu zimmern.
Sie schreiben im Buch: „Der Wunsch nach Teilzeit ist an vielen Stellen die gesunde Reaktion der Menschen auf ein krank machendes System.“ Das müssen Sie genauer erläutern.
Ich spiele damit auf den Achtstunden-Arbeitstag an. Der Gedanke hinter diesem Modell war ursprünglich, dass der Mensch acht Stunden am Tag schläft, acht Stunden Freizeit hat und acht Stunden arbeitet. In dieser Rechnung fehlt das Thema Care-Arbeit oder unbezahlte Arbeit. Für diese Ressource ist in einem klassischen Doppelverdienerhaushalt mit Kindern kein Platz. Hechelt man dem Ideal Achtstundentag hinterher, geht die Gesamtrechnung irgendwann nicht mehr auf. Der Mensch nimmt unausweichlich Schaden. Wenn jeder nur in seinem eigenen Hamsterrad rennt und nur das Nötigste erledigt bekommt, fehlt die Zeit für gesellschaftliches Engagement, für Nachbarn, Freunde, Familie oder Vereine. Da geht Zusammenhalt verloren.
Sie haben in der IT-Branche gearbeitet. Unternehmen in diesem Bereich seien weiter als andere, heißt es. Stimmt das?
Das weiß ich nicht. Wenn man mit „weiter“ neue Arbeitsformen meint wie Agile Scrum Framework in der Softwareentwicklung bilden diese tatsächlich für Teilzeit eine gute Basis. In meinem Fall hatte die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten, wenig mit der Branche zu tun, sondern mit den handelnden Personen.
Mit welchen Problemen und Fragen wenden sich die Menschen bzw. die Unternehmen an Sie?
Wir sind ein reiner B2B-Anbieter. Wir beraten und begleiten Unternehmen in Form von Expertenberatung oder Coaching. Drei wesentliche Motive bewegen Arbeitgeber, unsere Hilfe in Anspruch zu nehmen. Einerseits ist es das Thema Fachkräftemangel, zweitens die Diversität, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, und drittens die Produktivität. Dieses Motiv wird wesentlich an Bedeutung gewinnen: Wie können wir Teilzeitarbeit produktiv in unserer Organisation etablieren? Wie können wir hohen Output auch bei einem hohen Anteil an Teilzeitkräften liefern?
Führungskraft in Teilzeit: Die Rahmenbedingungen für Eltern sind in Deutschland schlecht
Ist der Gedanke, dass lange Arbeitszeiten höhere Produktivität erzeugen, immer noch maßgebend in deutschen Unternehmen?
Bei meinen Kunden sicherlich nicht. Bei ihnen dominiert nicht die Frage nach dem Ob, sondern nach dem Wie. Wir wissen aus der Arbeitszeitforschung, dass höhere Arbeitszeiten nicht zwangsläufig zu mehr Produktivität führen. Diese industrielle Denke passt auf viele heutige Jobs nicht mehr, denn bei längerer Arbeitszeit steigt die Fehlerquote und Menschen werden eher krank. Es gibt also Auswirkungen auf zwei Ebenen: auf der individuellen und auf der gesellschaftlichen.
Wie sehen die Rahmenbedingungen hierzulande aus?
Insbesondere für Eltern sind sie schlecht. Das Betreuungssystem in Deutschland ist in den vergangenen Jahren nicht besser geworden. Ich habe leider das Gefühl, dass wir die Talsohle noch nicht erreicht haben. Vor diesem Hintergrund vor allem Mütter durch bloße Parolen zu mehr Arbeit zu bewegen, halte ich für äußerst schwierig. Schweden etwa fährt bereits seit einigen Jahrzehnten eine viel zeitgemäßere Familien- und Gleichstellungspolitik als Deutschland.
Angenommen, ich bin an einem Teilzeitjob interessiert. Wie finde ich den?
Das ist nicht ganz einfach. Aus diesem Grund betreiben wir auch eine Stellenbörse für gute Teilzeitjobs und versuchen damit das Angebot zu erhöhen. Grundsätzlich lassen sich zwei Fälle unterscheiden: Arbeitet man vollzeitnah, also 30 Stunden plus, empfehle ich eine Bewerbung auf eine Vollzeitstelle, denn die Zahl der ausgeschriebenen Teilzeitstellen ist immer noch gering, speziell für Führungspositionen. Es geht darum, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, um bereits im ersten Gespräch mit der Frage herauszurücken: Wie schaut es mit einer alternativen Arbeitszeit von 30 Stunden aus?
Der andere Fall ist der Wunsch nach geringerer Teilzeit. Da sollte man sich die raren Teilzeitangebote herauspicken oder sich direkt im Tandem bewerben. Topsharing oder Co-Leadership wären attraktive Karrierewege. Das Problem dabei ist, eine geeignete Partnerin oder einen geeigneten Partner zu finden.
Wie könnte die Strategie im Unternehmen aussehen, für das man gerade tätig ist? Wie tastet man sich an eine Teilzeitstelle heran?
Wichtig sind drei Dinge. Man sollte sich fragen: Was ist meine Motivation? Zweitens wäre die Frage zu beantworten, wie die Lage im Unternehmen aussieht, was ist dort möglich? Mit dem Wissen könnte man sich etwa in Podcasts, in den sozialen Medien und in Büchern nach Konzepten umschauen und sich daraus ein Wunschmodell basteln. Und schließlich sollte man sich mit der Führungskraft unterhalten, von der man glaubt, dass sie einem weiterhelfen kann. Wichtig ist, mit einer Idee in das Gespräch zu gehen. Auch weil die meisten Unternehmen wenige Erfahrungswerte mit geeigneten Modellen haben.
Beim „Vertretermodell“ fließt weniger Geld
In Ihrem Buch schreiben Sie über vier Modelle. Wie sehen die aus?
Die erste Lösung, das „Effizienzmodell“, funktioniert nur bei sehr vollzeitnahen Positionen. Hier geht es darum, die Arbeit so effizient zu gestalten, dass man 10 % bis 20 % seiner Arbeitszeit einsparen kann. Also letztlich dreht sich alles um Prozessveränderung und Regelsetzungen. Bei diesem Modell besteht die Gefahr der Arbeitsverdichtung. Selbstmanagement ist das A und O.
Das zweite ist das Co-Leadership- oder Topsharing-Modell. Zwei Personen teilen sich eine Führungsposition. Hierbei erreicht man tatsächlich eine Reduzierung der Arbeitslast, eine höhere Kompetenzbreite und damit eine hohe Akzeptanz im Team. Außerdem ist man in seiner Entscheidungsfindung nicht auf sich allein gestellt. Die Schwierigkeit mit der Partnerfindung habe ich bereits angesprochen.
Das „Vertretermodell“ bildet eine Schnittmenge der ersten beiden Konzepte. Damit wird Vertretern die Möglichkeit geboten, sich in eine Führungsrolle hineinzuschnuppern und zu schauen, ob die Stelle etwas für sie ist. Es kann auch für ältere Mitarbeitende eine gute Gelegenheit sein, sich langsam aus der Führungsposition zurückzuziehen. Zudem ist das Modell leicht zu implementieren, weil es nicht allzu aufwendig ist. Und schließlich ist da noch „Shared Leadership“, bei dem Führungsverantwortung auf Teams übertragen und verteilt wird, was im Zuge agilen Arbeitens Sinn macht.
Muss ich als Führungskraft in Teilzeit mit weniger Geld leben?
Das hängt davon ab, ob man die gleiche Leistung erbringt wie Vollzeitkräfte. Beispiel Effizienzmodell: Schafft es jemand, einen Job von 40 Stunden in 35 Stunden zu stemmen, warum sollte die Person dafür weniger Geld bekommen? Arbeitet jemand aber im Vertretermodell und arbeitet nur vier Tage, sollten auch nur die vier Tage bezahlt werden. Arbeitgeber haben viele Möglichkeiten, auch bei Gehaltsreduzierung attraktive Jobs anzubieten.
Podcast Prototyp
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- Hören Sie hier die Folge 93 – Führung in Teilzeit – geht das? mit Johanna Fink.
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