Generation 50plus gegen Fachkräftemangel: Silver Ager zum alten Eisen?
Nein, nie war die ältere Generation von Ingenieurinnen und Ingenieuren wertvoller als heute. Allerdings hat sich das noch nicht hinreichend herumgesprochen. Was zeichnet Silver Ager aus? Welche Kräfte werden im technischen Bereich besonders gesucht? Was muss man selbst tun, um lange für den Arbeitgeber und Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben? Motivationscoach Georg-Wilhelm Moeller gibt Antworten.
Ingenieur.de: Die Generation 50plus ist am Arbeitsmarkt schwer vermittelbar. War das mal?
Georg-Wilhelm Moeller: Im Grunde genommen nicht. Groteskerweise ist das leider immer noch so, vor allem in Führungspositionen, weil angeblich die „Alten“ den heutigen verstärkten Arbeitsbelastungen nicht standhalten können. Was zwar in Bezug auf die Physis auf Dauer stimmt, nicht aber auf die Psyche. Hier spielt die Lebenserfahrung eine wesentliche Rolle. Ältere unterliegen nicht mehr unbedingt dem Showdown der jüngeren Generation. Sie haben in der Regel ein breitgefächertes Portfolio in Bezug auf Menschenführung gesammelt. Sie nehmen „Druck von oben“, also den Leitwölfen, denen es oft nur um das persönliche Fortkommen geht, leichter hin und absorbieren diesen Druck von ihrer Mannschaft. Ältere sind oft langmütiger, sie reagieren langfristiger. Nicht jedes unbefriedigende Quartalsergebnis ist für abgeklärte Führungskräfte gleich ein Drama, solange der langfristige Kurs stimmt. Ältere haben oft mehr Sinn für das Gemeinwohl im Unternehmen, was gerade in rauen Zeiten für die Stimmung im Hause wichtig ist. Kurz: Ältere haben oft mehr Soft Skills als die „jungen Dampfmaschinen“. Im Gegensatz zu der jüngeren Generation sind die 50plus-Vertreter befreiter vom Tunnelblick.
Welche Rolle spielt der Fachkräftemangel?
Der Fachkräftemangel ist ein äußerst breit gefächertes Problem. Zum einen nimmt der demografische Wandel viele Fachkräfte altersbedingt vom Markt. Eine krasse Fehlentscheidung der vorigen Regierung rächt sich jetzt, den Vorruhestand mit 63 eingeführt zu haben. Zum anderen sind viele gesundheitlich einfach nicht mehr in der Lage, das Arbeitspensum zu leisten. Eine krasse Fehlentwicklung war vor Jahrzehnten auch das Werben für die verlängerte Schulbildung, möglichst Abitur und anschließend ein Studium zu machen, um so bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Hier haben zwar viele Kandidaten in der Tat höhere Bildung und bessere Berufschancen vorgefunden und wahrgenommen. Auf der anderen Seite ist im Bereich des Handwerks mindestens eine ganze Generation Nachwuchs weggebrochen, die auch so schnell nicht bedenkenlos ersetzt werden kann. Und: Es ist angezeigt, dass Führungskräfte sich hier ihrer wichtigen Aufgabe bewusst sind, die ihnen anvertrauten Menschen anders, freundlicher, verbindlicher, sozial verträglicher zu behandeln, als dies heute in vielen Branchen noch üblich ist.
Welche Kräfte werden im technischen Bereich besonders gesucht?
IT, IT, IT… hoch 100! Es gibt quasi keinen Bereich in der deutschen Arbeitslandschaft, in der nicht extrem gute IT-Kenntnisse vorausgesetzt werden. Heute braucht es eben nicht mehr den Autoschrauber, sondern den bestens in der IT versierten Mechatroniker. Keine Schreinerei kommt mehr ohne intensive Nutzung der IT aus. Gerade aufgrund der fehlenden Fachkräfte werden zwangsläufig immer mehr Arbeitsplätze digitalisiert.
Welche Initiativen ergreifen Unternehmen, um „Silver Ager“ zu halten oder zu gewinnen?
… noch zu wenig. Noch herrscht Jammern vor. Anstelle Silver Ager zu motivieren, weiter im Arbeitsprozess zu bleiben, weil bei weitem nicht alle mit dem „Abschieben aufs Altengleis“ zufrieden sind, hofft die Führungsebene noch auf zu viele Wunder, die sich aber nicht einstellen werden. Silver Ager sind äußerst wertvolle Mitarbeiter, die meist loyal, zwar kritisch aber fair, dann dem Unternehmen zur Verfügung stehen, wenn sie pfleglich und korrekt behandelt werden. Auch, was flexible Arbeitszeiten anbelangt oder längere Pausenzeiten. Hier sehe ich noch großen Handlungsbedarf auf der Führungsebene, sich mit speziell auf die Silver Ager ausgerichteten Programmen dem durchaus fitten Menschen zu nähern und um diese zu werben.
Was müssen ältere Mitarbeitende unternehmen, um für den Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben?
Ältere Mitarbeiter müssen sich auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber um für sie vertretbare Arbeitsbedingungen verständigen. Über gesundheitliche Einschränkungen muss fair verhandelt werden, damit für diese Klientel ein Arbeitsraum geschaffen wird, der ihr resiliente Kräfte gewährleisten hilft. Ältere Mitarbeiter brauchen sich nicht verstecken. Sie können auf ihre Lebensleistung, ihre Lebenserfahrung verweisen, müssen aber auch bereit sein, ein Maximum an Weiterbildung gewährleisten, um dranzubleiben. Immer weiter so – wie früher – geht eben nicht.
Welche Herausforderungen stellen gemischte Teams aus jüngeren und älteren Mitarbeitern an Führungskräfte?
Oberstes Gebot für Jung und Alt wie auch die leitenden Führungskräfte ist die Toleranz, die gegenseitige Fürsorge, der Respekt für einander. Führungskräfte sind gehalten, diese Tugenden vorzuleben und durch ihr Vorleben quasi auf die Softe einzufordern. Es muss klar sein, dass alle Generationen in einem Boot sitzen und für einander da sind. Schollenbildung muss unbedingt vermieden werden. Die Alten lernen beispielsweise IT von den fitten Jungen. Den Umgang mit Kunden oder Kollegen lernen aufgrund der Lebenserfahrung die Jungen von den Alten. Faire, altersgerechte, Talente und Fähigkeiten sind von der Führungskraft immer wieder aufs Neue zu suchen und entsprechend der Leistungsfähigkeit zu fördern und über die Generationen hinaus zu fordern.
Ihre Tipps: Wie sollten Führungskräfte agieren?
„Führungskräfte sind auch nur Menschen.“ Ein ziemlich platter Spruch, aber gespickt mit entscheidender Bedeutung. Ich führe Menschen, nicht Leistungen, nicht Maschinen, nicht Hardware, sondern besonders kostbare Software, nämlich Menschen. Entscheidend ist, dass ich zu jeder Zeit Vertrauen zueinander fördere. Hierzu brauche ich: Empathie, Respekt, Selbstachtung, weil sonst die Achtung anderer nicht funktionieren kann. Führung braucht Klarheit. Klarheit für sich selbst als Führungskraft und Klarheit im Denken, Handeln und Vermitteln von Botschaften den Mitarbeitern gegenüber. Führungskräfte dürfen Fehler wie alle anderen auch machen und dazu stehen. Nur eine gelebte Fehlerfreundlichkeit im Unternehmen bringt durch das Machen und Erkennen von Fehlern neue Innovation. Die gute Führungskraft gibt verbindliche Leitplanken für die Mitarbeiter vor und lädt ein, binnen dieser Leitplanken ein Maximum an Eigenverantwortung zu entwickeln. Die gute Führungskraft sucht den Draht zu den Mitarbeitern, um sich durchaus auch Rat zu holen, wie spezielle ungeklärte Sachverhalte gegebenenfalls an der Basis gesehen und behandelt würden.
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