Heiko Mell 01.01.2016, 03:59 Uhr

Ab wann ist man zu alt für einen Unternehmenswechsel?

Ich zitiere einen Satz aus einem Beitrag in FOCUS 21/98, S. 186 ff: „Für die mehr als 36.000 arbeitsuchenden Ingenieure, die älter als 45 sind, besteht nur theoretisch die Chance, ihren Beruf noch einmal ausüben zu können.“

Nun ist es auch mir nicht neu, daß mit zunehmendem Lebensalter die Chancen auf dem Arbeitsmarkt kontinuierlich sinken. Dennoch beschäftigt mich die Frage, warum die Vorbehalte in den Unternehmen so groß sind, Personen einzustellen, die auf die Fünfzig zugehen. Dies insbesondere – auch dies stand in jenem FOCUS-Artikel – obwohl ein Ingenieurmangel besteht oder zumindest in den nächsten Jahren drohen wird.

Jeder sagt: „Klar, dieser Mann ist mit seinen 45 Jahren zu alt.“ Aber bewußt naiv gefragt: Warum eigentlich?

Noch bin ich 33 Jahre, aber man überlegt sich schon, ob man es in zehn Jahren noch riskieren darf, das Unternehmen zu wechseln.

Antwort:

Eines der ganz großen Themen unserer Zeit ist damit angesprochen. Und sicher ist es zusätzlich hilfreich, daß Sie als Einsender (noch) gar nicht betroffen sind, daß bei Ihnen also noch keine Frustrationen oder Emotionen den Blick trüben.

Lösen wir uns zunächst von Details: Das Problem hat weder speziell mit Ingenieuren, noch mit Arbeitslosen zu tun – es betrifft alle qualifizierten Bewerber, auch solche aus „besten Verhältnissen“, ob sie nun Kaufleute oder Naturwissenschaftler, Sachbearbeiter oder Manager sind. Natürlich gilt: Wer allerbeste Voraussetzungen mitbringt und „nur“ zu alt ist, hat reduzierte Chancen, aber er hat sie ggf. noch. Wer jedoch auch sonst schon berufliche Schwierigkeiten hat, kann durch das Altersproblem endgültig chancenlos werden.

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1. Wie ist die Lage, womit muß gerechnet werden?

Es hat, das muß gesagt werden, immer für alle Vorhaben Altersgrenzen gegeben, geschriebene und ungeschriebene. Sie kommen aus dem endlichen Leben des Menschen, hängen ab von Kulturkreis-Gepflogenheiten und bestimmten fixen Grenzen, die es nun einmal gibt (typisches Alter für Studienabschlüsse, für Pensionierungen etc.) – und sie wandeln sich im Rahmen gesellschaftlicher Entwicklungen.

Derzeit gilt für akademisch gebildete Angestellte mit beruflichen Ambitionen (also die Standardleser dieser Zeitung) etwa:

– Studienende/Berufseintritt in jedem Fall unter 30 (Tolerierung unbedeutender Überschreitung bei promovierten Ingenieuren), jedes Lebensaltersjahr weniger bringt grundsätzlich Pluspunkte.

– Bei vielen Positionen, in denen der ideale Stelleninhaber engagiert kämpfen, etwas bewegen, deutlich voranbringen, verändern soll, heißt es „Anfang bis Mitte 30“.

– Eintritt in die Personalverantwortung spätestens mit 35, sonst ist der Zug abgefahren.

– Als eine Art Idealalter für sich bewerbende Führungskräfte gilt etwa „Mitte 30 bis Anfang 40“.

– Die erste deutliche pauschale Hemmschwelle gegen „ältere“ Bewerber liegt bei 45. Daraus abgeleitet ist die Regel: Mit 45 soll man seine Zielposition erreicht haben, in der man „notfalls“ pensioniert werden kann.

– Eine sehr viel höhere, massive Hemmschwelle liegt bei 48, nun wird es „eng“.

– Die Grenze, ab der auch bei Vorliegen sonst bester Voraussetzungen kaum noch etwas „läuft“, ist das Alter von 50 Jahren.

– Mit klassischen Mitteln der Bewerbungstechnik, wenn man also als externer, völlig fremder Interessent auftritt, ist ab 52 Jahren praktisch nichts mehr zu machen. Ausnahmen betreffen zeitlich befristete Engagements, Sanierungsfälle oder extrem seltene, hier zufällig gesuchte Kenntnisse und Erfahrungen.

 

2. Warum ist das so, woher kommen diese Vorbehalte?

Jetzt folgt eine kritische Aussage, die ich als Betroffener (über 50) besser und glaubhafter darstellen kann als ein Jüngerer: Etwas ist dran an den Abneigungen gegen „ältere“ Bewerber, völlig aus der Luft gegriffen sind sie nicht. Wie so oft gilt, daß auch Feuer sein muß, wo Rauch aufsteigt.

Natürlich, das ist völlig selbstverständlich, haben alle pauschalen Aussagen ihre Schwächen; jeder kennt den Einzelfall eines agilen 60jährigen Mitarbeiters, von denen der Arbeitgeber mehr hat als von manchem seiner 30jährigen Angestellten – gerade auch was Dynamik, Kreativität, Beweglichkeit, Kampfgeist und Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem angeht. Aber jedes System muß seine generellen Richtlinien haben und pauschale „Gleichbehandlungsgrundsätze“ praktizieren.

Fest steht, daß so „gegen 50“ bestimmte Fähigkeiten beim Menschen nachlassen. Das beginnt mit dem Behalten von Namen, Daten und anderen Zahlen und äußert sich beispielsweise auch oft in einer langsam stärker werdenden Abneigung gegen ständige Veränderungen. Nicht ohne Grund erklären private Fernsehsender, sie machten bewußt kein Programm für „Leute über 50“, weil die nicht mehr von der dort alles beherrschenden Werbung zu beeinflussen wären. Mit 50 hat man halt seine Position im Leben – und glaubt nicht (mehr), daß ein Durchschnittstyp durch ein neues Parfum zum Frauenheld, durch alberne Schokoriegel zum Supermann wird. Was, ganz nebenbei, wohl eher für die Menschen dieser Altersgruppe spricht.

Aber die Zurückhaltung gegenüber Neuem betrifft eben nicht nur Schokoriegel – auch Führungsstile, Marktstrategien, Unternehmensgrundsätze. Mag ein 30jähriger leuchtende Augen bekommen beim Kampfruf „Wir führen jetzt flache Hierarchien ein“ – der zwanzig Jahre Ältere sieht halt auch die Nachteile, insbesondere solche für die 30jährigen, die zwei Jahre später das Unternehmen erbost verlassen werden, weil es dort keine Aufstiegschancen mehr gibt. Aber der 50jährige erinnert sich auch an die etwa siebzehn, achtzehn Führungsmodelle, die man ihm in seinen vielen Berufsjahren schon als „die Lösung“ auf den Tisch gelegt hatte. Und die alle wieder in der Versenkung verschwunden waren.

Da nun die immer schnelleren Veränderungen auf den Märkten der Welt und in der Technik die Notwendigkeit zu immer schnelleren, tiefgreifenden Veränderungen in den Betrieben mit sich bringt (was leider unbestreitbar ist), „stören“ immer mehr die eher auf Weiterführung mit behutsamem Wandel setzenden Mitarbeiter über 50. Sie kommen sich auch mitunter etwas albern vor, mit einem allzu großen Jubel jetzt einer Richtung zuzustimmen, die das krasse Gegenteil dessen bedeutet, wofür man gestern noch gemeinsam gekämpft hat. Begeisterung für Kurswechsel, ob für falsche oder richtige, läßt sich bei Jüngeren halt sehr viel leichter wecken.

Schließlich hat sich der Mitarbeiter über 50, so die allgemeine (nie in jedem Einzelfall stimmende) Meinung, im Leben etabliert, sich mit den Verhältnissen arrangiert – er arbeitet weiter, kämpft aber nicht mehr um des Kampfes willen. Wenn die arbeitgebende Firma nun zweite auf dem Markt ist und ein neuer Vorstandsvorsitzender kommt und verkündet das neue strategische Ziel, weltweit die Nr. 1 zu werden, geht man natürlich auch als Hauptabteilungsleiter von 53 mit nach vorn, keine Frage. Aber manchmal schleicht sich, das Haus ist abbezahlt und die ersten Enkelkinder wurden eingeschult, in den pflichtschuldigen Jubel die stille Frage ein, ob das nun wieder nötig war und „warum eigentlich“.

Wenn die Welt erobert werden muß, dann mit der begeisterungsfähigen Jugend – mit dem „Volkssturm“ (nur vom Alter her gesehen) sind Barrikaden eventuell zu halten, nicht aber zu stürmen.

Soviel zur allgemeinen Meinung über ältere Mitarbeiter. Es geht nicht darum, ob sie richtig ist – ich wollte nur erklären, warum es diese Altersgrenzen gibt. Sie basieren auf derartigen (Vor-)Urteilen. Leider gibt es viele ältere Mitarbeiter mit Erscheinungsbildern wie den genannten tatsächlich – auch und gerade in der Führungsebene. Aber auch viele ältere Sachbearbeiter wehren sich gegen fast jede Veränderung. Und sei es die, plötzlich unter einem der dynamischen jüngeren Chefs von Ende 20 arbeiten zu müssen.

Dabei ist festzuhalten, daß die Wirtschaft diese Einstellung gegenüber Älteren ja nicht erfindet – sie ist gesellschaftlich schon lange da. Überall gilt, Jungsein ist schön, alt ist tabu. Man liest von vielen, die sich „jungoperieren“ lassen, ganze Branchen leben davon. „Jugend ist Zukunft“, die älteren Menschen kommen nicht einmal unter „Gegenwart“ in Slogans vor. Wenn wir nicht aufpassen, nehmen Altenheime eines Tages keine Neuzugänge mehr auf, die über fünfundzwanzig Jahre alt sind.

Wir wollen hier weder darüber reden, ob das alles richtig ist noch was man dagegen tun kann (als Einzelner gar nichts, vermutlich). Dafür ist diese Rubrik nicht das richtige Forum. Wir schenken uns auch einmal ganz bewußt eine Aufzählung der zweifelsohne vorhandenen pauschalen Nachteile junger Menschen in wichtigen Positionen oder der Vorteile ihrer älteren Wettbewerber. Mit diesen Argumenten ist nämlich nichts zu gewinnen, sie wurden alle schon strapaziert. Auch in Bewerbungen, wie beispielsweise „ich bin 50 Jahre jung“, „ich bin körperlich so fit wie ein zwanzig Jahre Jüngerer“ etc. Denn wie gesagt: Es gibt pauschale Vorbehalte gegen alle Betroffenen, nicht nur gegen manche Angehörigen dieser Jahrgänge.

 

3. Auffälligkeiten, Besonderheiten, Konsequenzen:

3.1 Es sind die älteren Entscheidungsträger in den Betrieben, die Altersgrenzen setzen. Die jüngeren (so gesuchten) Manager sind zumeist noch gar nicht an der Spitze, wo sie Regeln machen könnten. Konkret: Die älteren Vorstandsmitglieder/Geschäftsführer, selbst meist über 50, ziehen diese Grenzen. Und die wissen, was sie zu dieser Haltung bringt – jedenfalls schließen sie von sich auf andere. Weil das so ist, läßt sich so schwer gegen die Grenzen argumentieren (ich gehe davon aus, diese Entdeckung vor etwa fünfundzwanzig Jahren als erster Autor publiziert zu haben – immerhin).

3.2 Die allseits so gelobten jungen Teams, die sich beispielsweise im Management bei konsequenter Verfolgung der hier besprochenen Prinzipien ergeben, haben auch große pauschale Nachteile: Irgendwann wird das Team gemeinsam alt – und bis dahin gibt es für viele Jahre keinerlei Entwicklungschancen für Nachwuchskräfte.

3.3 Insbesondere die Abneigung der Wirtschaft gegen ältere Manager-Bewerber ist unlogisch, inkonsequent und kurzsichtig – die Firmen schneiden sich ins eigene Fleisch: Ein Manager muß Entscheidungen treffen. Wer entscheidet, trägt ein großes Risiko – jede seiner Festlegungen kann falsch sein und ihn letztlich zum Arbeitsplatzwechsel zwingen. Der 38jährige kann damit leben, er sieht seine Chancen am Markt berechtigt positiv.

Der 55jährige Manager jedoch stünde bei einem Zwang zum Verlassen des Unternehmen vor dem Nichts: Also dürfen seine Entscheidungen keinerlei Risiken beinhalten, also entscheidet er nicht, er taktiert notgedrungen extrem(!) vorsichtig. Das wiederum ist nicht gut für sein Unternehmen! Auch diese Erkenntnis habe ich seinerzeit in die Öffentlichkeit gebracht.

Die Firmen müßten also, wären sie konsequent, entweder alle Führungskräfte über 50 entlassen (ohne Ansehen der Person) oder gemäß 4. handeln.

3.4 Für den einzelnen jüngeren Manager folgt daraus als Konsequenz, sich nach Möglichkeit so zu etablieren, daß es jenseits von 50 keinen Zwang zum freiwilligen oder unfreiwilligen Wechsel mehr gibt. Dieses Ideal ist leider fast unerreichbar.

 

4. Konzept einer Vernunftlösung:In den Unternehmen wäre darauf zu achten, daß Gruppen (z. B. das Management) eine gesunde Altersmischung aufweisen – nur so wären Vor- und Nachteile Jüngerer und Älterer sinnvoll auszugleichen, nur so entstünden auch stets „automatische“ Aufstiegschancen für den Nachwuchs.Der Marktwert älterer Arbeitnehmer (ab 50) dürfte ggf. durchaus wieder (um ca. 10 – 25 %) gegenüber dem Ende 40 erzielten Höchstwert sinken. Aber es ist völlig unsinnig, ihn durch Einstellverweigerung praktisch bei „Null“ anzusiedeln. Damit wird volkswirtschaftlich ein gewaltiges Potential (und sei es nur solches an Besonnenheit und Erfahrung) verschenkt und betriebswirtschaftlich werden enorme Chancen vergeben. Andererseits müßten die älteren Bewerber natürlich „mitspielen“.

Persönliche Anmerkung: Ich bin 55 Jahre und könnte als Partei gelten. Aber einmal bin ich selbständig, zum anderen erschien meine erste entsprechende Meinungsäußerung zu dieser Frage etwa Mitte der 70er Jahre im „Handelsblatt“ – damals war ich 33. Vielleicht ist dies – wie bei unserem Einsender – ein zu Einsichten besonders befähigendes Alter ….

Kurzantwort:

Die derzeitige Haltung der Unternehmen gegenüber älteren Bewerbern ist weder logisch noch vernünftig. So wird ein „hauseigener“ Manager von etwa 53 ggf. hochgeachtet, während ein externer Bewerber gleichen Alters ohne Wertung seiner Qualifikation aus Prinzip geächtet wird – man setzt seinen Marktwert gleich Null. Eine Lösung scheint über einen reduzierten Marktwert denkbar.

Frage-Nr.: 1308
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 44
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 1998-10-30

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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