Heiko Mell 01.01.2016, 04:04 Uhr

FH oder Uni/TH?

Es ist für mich noch nicht ganz klar, ob ich ein Universitäts-/TH- oder FH-Studium absolvieren sollte.

Antwort:

Da ist sie nun tatsächlich, die wichtige, richtig gestellte und so brisante Frage. Einigen wir uns darauf: Ich versuche, dem Thema nach bestem Wissen gerecht zu werden. Dabei verfolge ich kein mir bewußtes Ziel, will also weder eine Richtung bevorzugen noch benachteiligen. Aber ich kann mich natürlich auch in Details irren, kann ein Faktum falsch darstellen oder falsch interpretieren. Ist das so, will ich mich gern als lernfähig erweisen.Generell gilt gerade bei diesem Thema: Es gibt bei verschiedenen Ausbildungsrichtungen oder -institutionen kein absolutes „besser“ oder „schlechter“, kein „richtig“ oder „falsch“. Es gibt solche oder abgeschwächte Wertungen ausschließlich relativ, also bezogen auf den, der danach fragt. Im konkreten Fall hat der Einsender keinerlei Angaben zu sich und seinen Ausgangsvoraussetzungen gemacht. Ausnahmsweise sehe ich das positiv, also muß ich das Thema möglichst allgemeingültig darstellen.

Natürlich gibt es hier nicht etwa eine einzige Kernfrage oder ein Zentralkriterium, mit denen man jeweils die Antwort schon mehr oder minder „automatisch“ abrufen könnte. Aber es gibt zahlreiche Beobachtungen, Erkenntnisse und Zusammenhänge, die hier jeweils einzeln erwähnt werden und dann von Ihnen alle in die Entscheidungsfindung einbezogen werden sollten. Als Summe aller Überlegungen ergibt sich dann im Einzelfall eine Entscheidung. Bitte lassen Sie mich dabei Universitäten, Technische Universitäten und Technische Hochschulen pauschal TH nennen, sonst wird es unübersichtlich. Dafür erwähne ich auf der anderen Seite die Berufsakademien nicht extra und erlaube mir, sie für diesen Zweck eher der FH zuzuschlagen.

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1. Die Eingangsvoraussetzungen sind unterschiedlich. Auch das muß gesagt sein. Erst das „Vollabitur“, also die „Allgemeine Hochschulreife“, erlaubt die wirklich freie Wahl. Mit der Fachhochschulreife in der Tasche bleibt die TH grundsätzlich verschlossen. Aber damit kann man sich einen Gesamthochschulstudiengang erschließen; mit relativ geringem Zusatzaufwand läßt sich auf dieser Basis dann unmittelbar der TH-Abschluß erreichen – ggf. kann man mit Fachhochschulreife als Ausgangsbasis dort sogar promovieren, ohne den „Umweg“ über ein FH-Examen gegangen zu sein.

 

2. Die späteren Möglichkeiten, die das FH- oder das TH-Examen Ihnen erschließen, sind nicht in allen Bereichen deckungsgleich. Die Wahl des Hochschultyps kann also auch vom Berufs-/Karriereziel abhängen.

So setzen beispielsweise sowohl die Laufbahn eines FH-Professors wie auch die eines TH-Professors gleichermaßen den TH-Abschluß mit Promotion voraus. Der öffentliche Dienst trennt generell ganz klar in seinen Laufbahnvoraussetzungen nach FH- und TH-Abschlüssen. FH-Absolventen bleiben dort viele Chancen verschlossen bzw. viele Positionen sind für sie nur in Ausnahmefällen zu erringen.

Das zieht mitunter Kreise: Da u. a. die Leiter und sonstigen Entscheidungsträger bedeutender öffentlicher Bauverwaltungsämter nahezu ausnahmslos TH-Ingenieure sind, sucht beispielsweise die Bauindustrie für bestimmte Niederlassungsleiterpositionen ebenfalls gezielt TH-Ingenieure, um den Amtsleitern von diesen als „adäquat“ empfundene Gesprächspartner bieten zu können.

Top-Führungspositionen in der Großindustrie sind in hohem Maße mit TH-Ingenieuren besetzt, in vielen Bereichen sogar mit promovierten. Jede Gruppe aber, so lehrt die Erfahrung, zieht vorzugsweise wieder Nachwuchs zu sich herauf, der „so ist wie wir“.

Die mittelständische Industrie wiederum sucht für diverse Managementpositionen gezielt die als besonders „praxisorientiert“ geltenden FH-Ingenieure, häufig sogar besonders gern solche mit Lehre vor dem Studium. Da kann der sich ebenfalls bewerbende TH-Ingenieur durchaus die schlechteren Karten haben.

Und es gilt auch: In weiten Bereichen der freien Wirtschaft sind die Wege bis in die Unternehmensspitzen grundsätzlich gleichermaßen für FH- wie für TH-Ingenieure offen, wenn auch die „Quoten“, die beide Gruppen schließlich erreichen, je nach Unternehmenstyp differieren.

Achtung, jetzt wird es schwierig: Nicht jeder TH-Ingenieur, der karrieremäßig viel erreicht hat, verdankt das seinem entsprechenden Abschluß! Sehr, sehr oft hätte er mit seiner Persönlichkeit(!) auch als FH-Ingenieur exakt ebensoviel erreicht. Aber ebenfalls sehr, sehr oft hat diese Persönlichkeit, die später im Berufsleben nach den Maximal-Zielen griff und sie erreichte, auch in der Jugend schon besonders anspruchsvolle Ziele angestrebt (wenn schon Gymnasium, dann nicht Abgang nach der 10. Klasse und mühsam die Fachhochschulreife nachgeholt, sondern gleich bis zum Abitur. Wenn schon Abitur, dann eines mit „schweren“ Fächern und mit guten Noten. Wenn schon Studium, dann das mit dem tiefergehenden wissenschaftlichen Anspruch und Promotionsmöglichkeit, das nahezu alle denkbaren Chancen erschließt – und sei es die einer späteren Professur).

Ich sage nicht, dies sei der Königsweg. Ich sage nur, daß viele Top-Manager das nicht wurden, weil sie TH-Ingenieur waren, sondern weil das Streben nach Maximal-Zielen in ihrer Persönlichkeit verankert war. Man muß sie deshalb nicht lieben – und manche sind auch gar nicht bestrebt, für liebenswert gehalten zu werden.

 

3. Die Studien dauern unterschiedlich lange. Einmal tun sie das in der Praxis, zum anderen sind schon die Regelstudienzeiten unterschiedlich. Zur TH gehört die Möglichkeit einer Promotion, im FH-Bereich gibt es die grundsätzliche Chance jetzt auch, aber ich bin sehr zurückhaltend mit entsprechenden Empfehlungen. Auch im Hinblick auf die Akzeptanz in der Praxis.

 

4. Ich sehe durchaus Bewerbungen, aus deren Lebensläufen hervorgeht, daß jemand erst die FH bis zum Ende und dann noch die TH absolviert hat und habe mit solchen Ingenieuren gesprochen. Ich sehe jedoch praktisch niemals den umgekehrten Weg.Ich sehe relativ häufig Bewerbungen, deren Absender das TH-Studium ohne Abschluß abbrachen und mit späterem Erfolg an die FH wechselten (häufig ist das mit einer schwächeren Abiturnote verbunden), ich sehe praktisch niemals den umgekehrten Weg.Mir ist diese Relation aufgefallen (gilt bei gut ausgeprägtem, aber nicht extremem Lern- und Studieneifer): Die FH-Examensnote liegt sehr oft eine Stufe über der Abiturnote, die TH-Examensnote sehr oft exakt auf Abiturniveau.

 

5. Die Analyse von sehr vielen Lebensläufen und Zeugnissen läßt die Empfehlung zu: Mit einer 3 vor dem Komma bei der Abiturgesamtnote ist der TH-Besuch ein sehr großes(!) Risiko. Ohne Mathematik-Leistungskurs übrigens auch. Beides zusammen macht die Warnung noch eindeutiger.

 

6. Aus den unter 4 genannten Relationen ergibt sich: Ein Einser-Abiturient hätte es schwer, sein entsprechendes Potential in einem FH-Studium adäquat voll auszuschöpfen.

 

7. Wer in den Vorlesungen ständig die Kernfrage stellt: „Was mache ich mit diesem hier gerade behandelten Thema in der Praxis?“, wird in der FH vermutlich glücklicher; die TH ist vorrangig auf wissenschaftliche Vertiefung des Stoffes ausgerichtet, sie vermittelt eher die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten generell und nimmt damit zwangsweise weniger Rücksicht auf konkrete Anwendbarkeit in der täglichen betrieblichen Praxis.

 

8. Es ist erfahrungsgemäß nicht einfach, vielen Abiturienten überhaupt einen Unterschied zwischen FH und TH zu verdeutlichen oder ihnen die unterschiedliche Bedeutung für die Realisierung eigener Ansprüche (z. B. auch in Richtung einer eventuellen Top-Karriere) nahezubringen. Dazu trägt auch der ja äußerlich gleiche Grad eines „Dipl.-Ingenieurs“ bei, den viele Fachhochschulen ohne FH-Zusatz verleihen („Wenn hinten dasselbe Ergebnis herauskommt, warum dann das in jedem Fall längere und vielleicht schwerere TH-Studium wählen?“). Es gibt aber diesen Unterschied in jedem Falle. Und man kann jedem Abiturienten sagen: Solange Sie ihn nicht kennen, sind Sie nicht hinreichend informiert.

 

9. Keine meiner bisherigen Aussagen darf dahingehend fehlinterpretiert werden, man brauche sich etwa an einem Hochschultyp weniger anzustrengen. Gearbeitet werden muß überall, gute Noten werden unabhängig von der FH-/TH-Entscheidung erwartet – und wollen erkämpft werden.

 

10. Ich glaube aus der Sicht der Praxis eindeutig sagen zu dürfen: Wir brauchen beide, die FH-Ingenieure ebenso wie die TH-Absolventen. Man kann beide Ausbildungen verbessern, aber keine entbehren.

 

11. Mir ist bewußt, daß damit die Thematik nicht erschöpfend behandelt ist und daß es im Detail andere Auffassungen geben kann. Sofern sachliche Stellungnahmen oder Meinungen dazu eingehen, wird hier deren Tenor wiedergegeben. Besonders hilfreich wären Erfahrungen von ehemaligen Studenten, die – teilweise oder bis zum Abschluß – sowohl die FH als auch die TH besucht haben.

Kurzantwort:

Die Entscheidung zwischen FH und TH-Studium sollte, so die Voraussetzung für beides vorliegt, sehr gezielt und bewußt und nachdem man sich eingehend informiert hat, getroffen werden. Solange man beides für „eigentlich gleich“ hält, weiß man noch zu wenig.

Frage-Nr.: 1313
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 44
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 1998-10-30

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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