Wie sind Fremdsprachenkenntnisse im Lebenslauf einzustufen?
In unserer Studenten-WG schreiben wir in diesen Tagen Bewerbungen. Dabei herrscht Unklarheit bei der Frage, wie Fremdsprachenkenntnisse einzustufen sind.
Was wird von einem Bewerber erwartet, der „Englisch gut“ schreibt, was von jemandem mit „sehr gut“? Ab wann spricht man von „verhandlungssicher“ und welche Abstufungen gibt es noch?
Außerdem fragen wir uns, ob es sinnvoll ist, ein Latinum, ein Hebraicum oder ein Graecum anzugeben.
Gleichzeitig danke ich für Ihre wertvollen Tips in Ihrer Serie.
Antwort:
Irgendwie erinnern mich die Ingenieur- und andere Naturwissenschaften an den Stadtplan von Manhattan. Schauen Sie sich den einmal an – ein Muster an Klarheit im Aufbau. Und dann gibt es Städte auf der Welt, die so ziemlich ohne Straßennamen auskommen, von Plänen ganz zu schweigen. Für den Bewohner von Manhattan muß der Versuch einer Orientierung in diesen anderen Orten zum Kulturschock führen. Was vermutlich auch der Fall ist.
Etwas ähnlich geht es Ihnen jetzt beim Wechsel vom Studium der Technik hin zum Einsatz in der Praxis, in einer Welt von Verwaltungsvorschriften, schwer erklärbaren Gepflogenheiten und des „schlagendsten“ aller Argumente: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Wobei festzustellen ist, daß diese nichttechnische Welt irgendwie dennoch funktioniert – wenn man auch nicht genau weiß, warum.
Nach dieser feinsinnigen Einführung nun zum Kern: Ja, alle Unternehmen, die Bewerbungen empfangen, sind
a) in höchstem Maße an Sprachkenntnissen von Bewerbern interessiert, möchten
b) unbedingt eine Einstufung des Bewerbers im Hinblick auf den Grad der Kenntnisse lesen und haben
c) absolut keinen allgemein verbindlichen Schlüssel entwickelt, mittels dessen man das Gewünschte ausdrücken könnte.
Warum? Weil es Menschen sind. Und diese Gattung hat vermutlich inzwischen die Länge des europäischen Einheitszahnstochers verbindlich festgelegt, aber eben nicht Definitionen von Sprachkenntnissen.
Und auf der Basis müssen Sie als Bewerber das Problem nun dennoch lösen. Was natürlich auch geht – und was ich natürlich auch erläutere. Zuerst halten wir fest, was nicht geht: „Sprachkenntnisse: Englisch“ und „Englisch gut“ scheiden aus wegen allzu großer Schwammigkeit. Der Leser kann nicht sicher sein, daß das, was er hofft, es möge gemeint sein, auch tatsächlich gemeint ist. Dabei „drohen“ aus seiner Sicht vergebliche Vorstellungsgespräche, bei denen sich dann herausstellt, daß man Verschiedenes meinte.
Bleibt nur das Hineinversetzen in die Erwartungshaltung des Lesers: Er will wissen, wie gut Ihr Englisch ist, was Sie in dieser Sprache können. Also sagen Sie es ihm so, daß sein Informationsbedürfnis befriedigt wird.
Eine Möglichkeit ist, auf die Herkunft der Sprachkenntnisse zu verweisen:
„Englisch: 1 Jahr Kanada im Schüleraustausch und 2 Semester Studium in den USA, 2 Praktika im englischsprachigen Ausland.“ Damit kann man etwas anfangen, das spricht für sich (vertrauen Sie nicht darauf, daß der Leser ja von Seite 1 des Lebenslaufes wissen müßte, daß Sie als Schüler …).
Oder: „Englisch: Schulbasis (Leistungskurs), private Auslandsaufenthalte in englischsprachigen Ländern, umfassende Recherchen in englischer Literatur für die Diplomarbeit, gelegentliche Vorträge.“ Das sagt: sehr fundierte Basis, Wortschatz vorhanden, vermutlich fehlt noch die letzte Übung im Sprechen, wahrscheinlich fehlt das umgangssprachliche Geschäftsenglisch (läßt sich auf dieser Basis relativ leicht erarbeiten).
Oder: „Englisch: 6 Jahre Schulenglisch.“ Das ist ebenso klar, heißt aber: nur sehr schwaches Fundament vorhanden, der Bewerber kann absolut nicht in dieser Sprache arbeiten.
Ebenso ist es denkbar, daß man den Grad des Erreichten in den Vordergrund stellt: „Englisch: Unterhaltung und Umgangskorrespondenz sind problemlos möglich, technische Fachbegriffe fehlen noch.“ Man könnte dabei auch noch den Ursprung in Klammern dahintersetzen.
Kurse u. ä. sind eher fragwürdig, stellt man sie einfach so in den Raum. Woher soll der Leser wissen, was bei sechs Semestern Volkshochschule oder einem Sprachkurs in London herauskommt? Besser sind dann die oftmals zu sehenden Zertifikate mit konkreten Aussagen namhafter Institutionen (z. B. Cambridge).
„Fließend in Wort und Schrift“ mag im positiven Falle ein Kompromiß sein, da man sich darunter etwas vorstellen kann – dieser Bewerber kann sofort englische Korrespondenz bearbeiten, mit entsprechenden Anrufern umgehen und an internationalen Konferenzen (Konzernsprache: Englisch) teilnehmen. Auch wenn er vielleicht einen Begriff wie „Einspritzpumpendüsenhalterungsring“ irgendwo nachschlagen müßte.
Nicht ratsam ist „perfekt“ – so nenne ich nicht einmal meine Kenntnisse in meiner Muttersprache. Kommen wir zu den Albernheiten:
„Sprachkenntnisse: Deutsch“ kommt gelegentlich vor, ist bei hier geborenen, hier aufgewachsenen Deutschen zwar korrekt, aber „Informationsmüll“.
Latein und ähnliche Sprachen sind so eine Sache: „Fremdsprachenkenntnisse: Latinum“ für sich allein ist albern – wann kauft der Papst schon einmal Maschinen? „Fremd-sprachenkenntnisse: Englisch (mit Detailerklärung lt. obiger Ausführung), Französisch: Schulbasis, durch private Kontakte aufgefrischt, (zusätzlich: Latinum)“ – das geht an. Die Klammer zeigt, daß auch der Schreiber gewußt hat, daß Latein allein nicht weiterhilft. Allenfalls mag die Theorie greifen, daß man auf dieser Basis schneller als andere bestimmte Fremdsprachen lernt – man ist aber dort zunächst einmal „blutiger Anfänger“. Es geht in Bewerbungen vorrangig darum, was Sie können – nicht darum, was Sie lernen können.
Zuletzt gilt auch hier, was immer gilt: Augen-maß + Nachdenken sind angesagt, „viel hilft viel“ ist wieder einmal verkehrt.
Beispiel: Ein deutsches mittelständisches Unternehmen sucht einen Vertriebsingenieur für Südhessen. Kein Wort über Fremdsprachen in der Anzeige. Hier wäre jedes Detail zu viel, beschriebe es doch eine „falsche“ Qualifikation. Ein „Fremdsprachen: gutes Umgangsenglisch“ reicht völlig. Wer hier über mehrere Zeilen seine unvergleichliche Perfektion in einem nicht gefragten Bereich ausbreitete, würde vermutlich eine Absage erhalten. Wegen „falscher“ Qualifikation – und wegen des Verdachts, er wolle ja letztlich doch einen Job, in dem er diese Sprache pflegen könnte und die Kenntnisse bezahlt bekäme.
Als Randnotiz: Die Personalabteilung oder die Geschäftsführung eines Unternehmens, das für einen Spezialbereich Portugiesisch-Kenntnisse verlangt, muß ja nicht dieser Sprache mächtig sein. Also auch keine komplette Bewerbung in Japanisch, bloß weil Kenntnisse dieser Sprache gewünscht werden.
Kurzantwort:
Für die Angabe der Qualität von Sprachkenntnissen gibt es keinen allgemeinverbindlichen Schlüssel. Die Information ist so zu geben, daß der Leser weiß, was der Bewerber in der Fremdsprache leisten (nicht erst lernen) kann.
Frage-Nr.: 1418
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 35
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 1999-09-03
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