Heiko Mell 01.01.2016, 09:17 Uhr

Beruflicher Wechsel in eine Branche

Ich habe gegen eine Grundregel der Laufbahnplanung verstoßen und bin in eine total andere Branche mit einem komplett anderen Aufgabengebiet gewechselt. Ich wollte aus dem gewohnten Alltagstrott heraus und suchte eine neue Herausforderung, wobei es mich sehr reizt, mich in neue Tätigkeiten einzuarbeiten. Ich traute mir die Bewältigung der neuen Aufgaben uneingeschränkt zu und habe nun das Problem, dass sich meine neue Firma von mir trennen will.

Ich bin Dipl.-Ing. Maschinenbau, Mitte 40 und war mehr als 15 Jahre bei einem Maschinenbaukonzern tätig. Dort wandelte sich mein Einsatz bald vom Berechnungsingenieur (FEM) zum reinen EDV-Fachmann, ich wurde Teamleiter technische IT, leitete auch rein organisatorische Projekte. Eine Firmenfusion brachte eine Aufgabenreduzierung, ich entschloss mich zum Wechsel.

Mein neuer Arbeitgeber ist ein Unternehmen in einem Spezialbereich der Chemie. Eine Firma, die rein marketinggetrieben ist. Ich bin dort Teamleiter für die Systementwicklung im Marketing. Ich habe mich schnell in die neue Materie eingearbeitet und glaube, dass ich jetzt – nach knapp einem Jahr – fachlich mitreden kann.

Ich führe zehn Mitarbeiter in drei Fachteams. In einem davon laufen die Arbeiten nicht planungsgemäß. Als ich das feststellte, nahm ich direkten Einfluss auf das kritische Projekt, für das ein eigens dafür eingestellter Projektleiter verantwortlich war.

Dabei musste ich feststellen, dass es kaum Analysen der Anforderung und keine Systemanalyse gab, zumindest nicht in schriftlicher Form. Hier machte ich den großen Fehler, nicht die Notbremse zu ziehen und das Projekt zu stoppen. Ich versuchte, mit der Fachabteilung und meinem Team die Schwierigkeiten intern zu regeln und irgendwie einen erfolgreichen Abschluss zu erreichen – was auch klappte.

Die aufgetretenen Probleme wurden aber dem zuständigen Geschäftsführer bekannt. Es fanden mehrere Krisensitzungen unter meiner Leitung statt, wobei mich der GF mehrfach offen kritisierte. Mein Verhältnis zu meinem direkten Vorgesetzten ist sehr gut, dieser gab mir auch sehr gute Beurteilungen.

Wegen meiner formalen Arbeitsweise – mit Gesprächsprotokollen, Terminkontrollen, Urlaubsplanung, Kostenkontrolle usw. – habe ich in der Zusammenarbeit mit der Fachabteilung und mit meinem Team einige Schwierigkeiten. Man ist der Meinung, dass es auch auf Zuruf auf dem kleinen Dienstweg gehen würde.

Nach den letzten turnusmäßigen Mitarbeiterbewertungsgesprächen kam es zur Eskalation. Ich hatte den betroffenen Projektleiter als ungeeignet und einen weiteren Mitarbeiter schlecht beurteilt, alle anderen positiv. Alle Bewertungen hatte ich zuvor mit meinem Vorgesetzten abgestimmt.

Schließlich teilte man mir mit, dass im Hause und bei meinen Mitarbeitern eine negative Stimmung mir gegenüber herrsche und dass man sich von mir trennen will. Ich habe einen Aufhebungsvertrag mit kurzfristiger Freistellung unterschrieben.

1. Welche Gründe sehen Sie für mein Scheitern?
2. Was sollte ich in meinem Verhalten ändern, damit ich beim nächsten Arbeitgeber nicht die gleichen Fehler mache?
3. Wie kann ich bei Bewerbungen das kurze Arbeitsverhältnis begründen?

Antwort:

Das als Überschrift gesetzte Zitat stammt vom Hofmaler Alexanders des Großen, der Apelles hieß und 308 v. Chr. starb. Hätten Sie es gewusst? Ich jedenfalls nicht – und so lernt man ständig hinzu. Die Übersetzung gilt als „frei“, ist also wohl nichts für „strenggläubige“ Lateiner.

Zu 1: 1.1 Was auch viele nicht wissen: Wer nach mehr als zehn Dienstjahren wechselt, hast schon rein statistisch schlechte Karten. Ein Scheitern beim nächsten Arbeitgeber ist in solchen Fällen durchaus wahrscheinlich. Die Flexibilität leidet halt, die Gleise, auf denen man sich bei seiner Tätigkeit bewegt, sind dann doch schon sehr „eingefahren“. Und neue Unternehmen können in einem Maße „anders“ sein, das ahnt man gar nicht.

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Man soll daher nach Möglichkeit nicht nach so langer Dienstzeit wechseln. Entweder geht man spätestens so nach zehn Jahren oder gar nicht mehr. Da letzteres heute niemand mehr garantieren kann, geht man besser öfter einmal – und sei es, um beweglich zu bleiben. Das ist völlig ernst gemeint!

1.2 Ach ja, die Ingenieure. Sie sind mir, der ich ja auch einer bin, nicht zuletzt durch die Arbeit an dieser Serie ans Herz gewachsen. Aber wir sind auch eine eigene Spezies. Vielleicht schon die Begabung für diesen Beruf, ganz sicher aber das Studium prägt.

Lassen Sie es mich so sagen: Natürlich sind sehr viele Ingenieure außerordentlich flexibel. Und daher vielseitig einsetzbar. Aber dennoch gilt für sehr viele andere die pauschale Empfehlung, sich möglichst beruflich dort zu bewegen, wo Ingenieure gezielt gesucht werden. Da passen sie am besten hin. Wie Juristen zu Juristen, beispielsweise.

Selbst ich, vom Maschinenbau und anderer Industrie vielfach geprägt, aber als Berater kraft Amtes vielseitig ohne Grenzen, fühle mich in manchen Branchen schon bei Auftragsgesprächen nicht ganz wohl. Und spüre, dass ich dort nicht auf Dauer arbeiten könnte – und sollte. Beim Finanzdienstleister beispielsweise wäre ich so sinnvoll eingesetzt wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Eine andere Regel sagt es noch einfacher: Wenn man in einem Unternehmen eines bestimmten Typs gut zurechtgekommen ist, soll man bei einem Arbeitgeberwechsel nicht ohne sehr guten Grund auch noch den Firmentyp wechseln. Die Regel gilt auch umgekehrt: Wer „Probleme“ beim Arbeitgeber hatte, soll bewusst den Firmentyp wechseln. Also gilt für Sie, geehrter Einsender: Zurück zu den Wurzeln.

Was haben Sie sich auch für einen Arbeitgeber ausgesucht! Nicht etwa, dass gegen den absolut etwas zu sagen wäre, aber relativ, bezogen auf Ihre Basis. Die Branche ist fremd, das ganze Metier ist anders. Einer Ihrer Schlüsselsätze lautet: „Eine Firma, die rein marketinggetrieben ist.“ Das Schlüsselwort darin ist völlig unsinnig formuliert und von Ihnen frei erfunden – aber man versteht, was Sie meinen. Und dann sind Sie auch noch in der Marketingabteilung tätig – als ein Ingenieur, der Marketing nicht einmal versteht („…getrieben“).

Sie haben sich – nicht untypisch – von den berühmt-berüchtigten „interessanten Fachaufgaben“, in Ihrem Fall von den IT-bezogenen, blenden lassen. Aber es ist nicht die Sache (es geht überhaupt nie um die Sache!), es ist das Umfeld, an dem wir gegebenenfalls scheitern. Sie sind (gescheitert).

1.3 „Krisensitzungen unter meiner Leitung, wobei mich der GF mehrfach offen kritisierte“ – was meinen Sie wohl, welche „Leitung“ Sie noch haben, wenn ein Geschäftsführer anwesend ist. Sie haben ein unterentwickeltes Gefühl für Machtstrukturen!

Ein „kleiner“ Angestellter, der „mehrfach(!)“ und „offen(!)“ von einem Geschäftsführer kritisiert wird, steht damit auf der „Abschussliste“. Die – aktive oder nur vermeintliche – Rückendeckung durch den direkten Vorgesetzten hilft nicht. Der würde seine eigene Karriere gefährden, hielte er stur zu Ihnen. Sein vorgesetzter Geschäftsführer „überzeugt“ ihn schon, „dass der Mann da unten völlig unfähig ist“.

1.4 Ihre „formale“ Arbeitsweise ist auch so eine Sache: Zum ehemaligen Berechnungsingenieur und Leiter technische DV im ersten Unternehmen mag das ja gepasst haben, zur marketingorientierten Umgebung beim jetzigen Arbeitgeber nicht. Das hätten Sie sehen – und sich zunächst einmal anpassen müssen an den „Stil des Hauses“. Veränderungen kann man dann viel später und sehr behutsam angehen.

Die Regel für Neulinge lautet: „Erst etwas leisten, dann etwas verändern.“ Als Resultat Ihres Vorgehens ergab sich: „Der passt hier nicht her.“

1.5 Als alles schiefgelaufen war, haben Sie zwei Ihrer Mitarbeiter als unfähig beurteilt und damit denen die Schuld an der Misere gegeben. Das hat Ihnen das Team übelgenommen. Dieses Vorgehen war zu jenem Zeitpunkt vermutlich etwas unsensibel. Sie durften an der Stelle kritisieren, hätten aber den Leuten Hilfe und Unterstützung für die Zukunft anbieten müssen. In einem solchen Fall erwarten Mitarbeiter, dass der Chef (Sie) sich vor sie stellt und sie deckt und nicht einige zur Entlassung freigibt (positives Beispiel: Ihr Chef, immerhin).

1.6 Fazit: Sie hätten da nie hingehen dürfen, das war von Anfang an „nicht Ihr Spiel“.

Zu 2: Sie sollten das Aufgabenfeld (z. B. „technische DV eines produzierenden Industriebetriebs“) sorgfältig auswählen und vor allem nicht einen dort als „fremd“ empfundenen Arbeitsstil durchsetzen wollen. Arbeiten Sie bei einem neuen Arbeitgeber nicht so, wie Sie es in fünfzehn Jahren gewohnt waren, sondern wie es dort üblich ist.

Ganz speziell auf Sie gemünzt: Sie sind vermutlich ein sehr typischer Ingenieur (lt. Lebenslauf mit gewerblicher Lehre vor dem Studium). Gehen Sie dahin, wo Ingenieure sind. Überlassen Sie das Marketingdenken anderen. Man spricht dort eine andere Sprache, die Ihnen nicht liegt (das gilt, damit ich keinen überflüssigen Ärger bekomme, nicht etwa pauschal für alle Ingenieure).

Zu 3: Schreiben, sagen und denken(!) Sie etwa so: „Mein letzter Wechsel zum heutigen Arbeitgeber war ein Fehler. Ich hatte mich nur von interessanten Fachaufgaben im IT-Bereich leiten lassen und dabei übersehen, dass ich dort in eine Umgebung kam (Marketingbereich), in der eine völlig andere Denkweise und ein mir unvertrautes Vorgehen gepflegt wird. Ich suche nun gezielt wieder eine Herausforderung in dem mir von meinem früheren Arbeitgeber her vertrauten technisch orientierten Umfeld.“

Auf der Basis Ihres uneingeschränkt guten Zeugnisses (liegt mir vor) aus jener Zeit sollte Ihnen das gelingen.

Kurzantwort:

1. Nach deutlich mehr als zehn Dienstjahren bei einem Arbeitgeber besteht beim Wechsel die Gefahr des Scheiterns wegen mangelnder Flexibilität.

2. Beim neuen Arbeitgeber erst etwas leisten, dann etwas verändern.

3. Den Arbeitgebertyp nur dann wechseln, wenn es dafür besondere Gründe gibt.

Frage-Nr.: 1576
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 15
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2001-04-13

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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