Wie kann ich beurteilen, wie gut mein Zwischenzeugnis ist?
Frage: Bitte deuten Sie folgendes Zwischenzeugnis und lassen Sie mir, wenn möglich Ihre Meinung zukommen (Anmerkung des Autors: Letzteres verstehe ich nicht. „Gedeutet“ wird nur, wenn ich den Fall auch veröffentliche und eine andere Meinungsäußerung als hier in der Zeitung ist nicht vorgesehen, wie unter jeder Folge dieser Serie steht):
„Herr … trat am … 1989 in unserem Unternehmen ein. (folgt die Aufzählung der Aufgabengebiete) Herr … arbeitet sehr sachorientiert und gründlich.
Die ihm übertragenen Aufgaben führt er im Rahmen seines Aufgabengebietes sehr engagiert, überaus zuverlässig und stets zu unserer vollen Zufriedenheit aus. Durch seine Fachkompetenz ist er sowohl bei den Vorgesetzten als auch im Kollegenkreis überaus geschätzt.
Dieses Zwischenzeugnis stellen wir auf Wunsch von Herrn … aus.
Wir hoffen auch weiterhin auf eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit.“
Antwort:
Ich kann verstehen, dass Sie als Einsender sehr daran interessiert sind, nicht erkannt zu werden. Dennoch sollten Sie nicht zu sehr mit Informationen „geizen“. So ist es zur wirklich fundierten Beurteilung eines Zeugnisses schon erforderlich zu wissen, was für ein Unternehmenstyp dahinter steht und welche Funktion Sie dort ausüben. Ggf. schreiben Sie dies optisch getrennt unter Ihre Einsendung, etwa als „zusätzliche Information für Sie, bitte nicht veröffentlichen“.
Die Beurteilung ist für die lange Dienstzeit sehr knapp gehalten. Ihr fehlt die „Wärme“, die ein wohlwollender Vorgesetzter einem dienstälteren, von ihm besonders geschätzten Hoffnungsträger entgegenbringen würde.“Sachorientiert“ und „gründlich“ charakterisieren den soliden Sachbearbeiter. „Überaus zuverlässig“ ist positiv – aber es ist in Verbindung mit „gründlich“ fast schon zu viel des Guten – da bleibt vor lauter Pflichterfüllung nicht mehr viel Raum für Eigenschaften, die etwa auf Managementbegabung schließen ließen (es geht ein wenig in Richtung „Buchhalter“).
„Sehr engagiert“ ist immer positiv.
Die Formulierung „… ihm übertragenen Aufgaben führt er im Rahmen seines Aufgabengebietes …“ ist stilistisch niveaulos. Wenn das ein überlasteter Vorgesetzter im kleinen Privatunternehmen schreibt, ist das in Ordnung, aber sollte ein Konzern dahinter stehen, wäre das blamabel (für den Konzern).
„Überaus geschätzt“ zu sein, ist sehr gut, aber nur „durch seine Fachkompetenz“ (es muss wohl „wegen seiner“ heißen) ist eine Einschränkung („als Mensch und Persönlichkeit nicht so sehr“). Sagt das ein Konzern, ist es überlegte Absicht, sagt das der überlastete Vorgesetzte bei einem Mittelständler, muss es nichts bedeuten (kann aber).
Die Zentralformulierung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ steht für die Schulnote „gut“.
Zusammenfassung: Ein uneingeschränkt „guter“ Sachbearbeiter, mehr aber auch nicht. Nichts von Kreativität, von Vorwärtsdrängen, von konkret erzielten Erfolgen, die auf ihn zurückgehen.
Als Spekulation: Beförderung ist dort nicht zu erwarten, aber in seiner Funktion kann dieser Mann dort „100 Jahre“ alt werden.
Achtung: Bei Zwischenzeugnissen „geizen“ Firmen oft mit Lob. Begründung: Der Mitarbeiter ist noch da – und könnte aus diesem Dokument Forderungen ableiten (mehr Geld, Einspruch gegen eine spätere betriebliche Kündigung).
Kurzantwort:
Der Fachmann kann aus einem im Gesamtzusammenhang betrachteten Zeugnis (u. a. auch: Wer ist Aussteller?) meist auch ablesen, welches Potenzial dem Mitarbeiter zugesprochen wird.
Frage-Nr.: 1584
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 21
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2001-05-25
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