Aufhebungsvertrag, Abfindung oder eigene Kündigung?
Frage/1: Ich habe noch Ihren Hinweis im Hinterkopf, dass das Geld aus einem Aufhebungsvertrag eventuell das am teuersten verdiente Geld ist und ein Aufhebungsvertrag mit einer arbeitgeberseitigen Kündigung gleichzusetzen ist.
Frage/2: Ich arbeite seit mehreren Jahren als Entwicklungsingenieur in einem größeren Technik-Unternehmen einer derzeit „gebeutelten“ Branche. Ein Aufstieg zum Projektleiter wurde mir zwar vor einem Jahr in Aussicht gestellt, aber die wirtschaftliche Lage hat sich derart verschlechtert, dass kurzfristig mehr als 10 % der Belegschaft abgebaut werden müssen.
Es wurde sogar seitens der Firma dazu aufgerufen, sich extern zu bewerben, damit betriebsbedingte Kündigungen möglichst vermieden werden können. Obwohl ich meine Stelle momentan noch nicht als gefährdet ansehe, bin ich seit drei Monaten in der Bewerbungsphase, um – wie Sie mehrfach empfohlen haben – aus gesicherter Stellung ohne Zeitdruck entscheiden zu können.
Ich habe mit meinen Bewerbungen bisher eine recht gute Erfolgsquote erzielt und habe bei drei von vier Bewerbungen Einladungen zum Gespräch erhalten. Ich denke, nicht zuletzt aufgrund Ihrer Karriereberatung.
Mein vorrangiges Ziel ist es, mich von der Firma/Branche her zu verbessern, d. h. bei einer zukunftssicheren Firma zu arbeiten. Falls ich dies gleich mit einem Aufstieg, z. B. zum Projektleiter, verbinden kann, wäre das ideal. Falls alle anderen Punke stimmen, würde ich auch eine Stelle auf gleichem Niveau annehmen, zumal ich mit großer Wahrscheinlichkeit die Branche wechsle und fachlich teilweise Neuland betrete.
Frage/3: Im Zuge des beabsichtigten Belegschaftsabbaus gibt es seit kurzem das Angebot eines Aufhebungsvertrags mit drei oder sechs Monatsgehältern (je nachdem, wie schnell man die Firma verlässt). Das ist zwar im Detail an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die ich aber in meinem Fall glaube erfüllen zu können.
Frage/4: Ich werde mich in einigen Wochen für eine neue Stelle entscheiden, die Verhandlungen sind so weit gediehen. Dann könnte ich mit einer Frist von mehr als zwei Monaten zum Quartalsende kündigen (vertragliche Kündigungsfrist: 6 Wochen zum Quartalsende). Ich sehe für mich folgende Möglichkeiten (nach unterschriebenem Vertrag):
a) Ich strebe nach der Abfindung, teile meinem Chef meine Kündigungsabsicht mit und versuche zu klären, ob ich den Passus „scheidet aus auf eigenen Wunsch“ trotzdem ins Zeugnis bekomme. Dies ggf. mit dem Kompromiss, dass ich nur die Hälfte der Abfindung bekomme.
b) Ich kündige zum Quartalsende und verzichte auf die Abfindung.
c) Ich versuche, einen Monat früher zu kündigen und – sofern dieser das mitmacht – auch früher beim neuen Arbeitgeber anzufangen. Dann könnte ich später die Tatsache eines Aufhebungsvertrags mit dem Wunsch des neuen Arbeitgebers begründen, mich vor Ablauf der offiziellen Kündigungsfrist haben zu wollen.
Frage/5: Soll bzw. muss ich das Angebot des Aufhebungsvertrages meinem potenziellen neuen Arbeitgeber mitteilen?
Frage/6: Wäre – z. B. im Falle c – die Formulierung „im gegenseitigen Einvernehmen“ akzeptabel, d. h. für zukünftige Bewerbungen nicht nachteilig?
Frage/7: Könnte ich die eventuelle Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages beim späteren erneuten Stellenwechsel, an den ich ja bereits jetzt denken muss, mit der schwierigen finanziellen Situation beim heutigen Arbeitgeber oder mit einem von mir angestrebten Wechsel vor Ende meiner vertraglichen Kündigungsfrist plausibel begründen?
Antwort:
Antwort/1: Wenn ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber anderenfalls die Kündigung auf den Tisch bekäme und daran kein Zweifel besteht, ist der statt dessen geschlossene Aufhebungsvertrag mit Abfindung völlig in Ordnung (sofern er vom Ausscheidetermin her nicht neuen oder zusätzlichen Druck aufbaut). Dann, aber nur dann(!) ist diese Abfindung ein „Pflaster“, das auf die ohnehin unvermeidbare „Wunde“ geklebt wird und diese besser ertragen lässt.
Kritischer, und darauf bezieht sich meine Warnung, ist es, wenn der Arbeitnehmer sich durch die Abfindung dazu motivieren lässt, berufliche Experimente durchzuführen, die Langzeitauswirkungen haben. Typisches Beispiel: Der Mitarbeiter wollte jetzt gar nicht oder nicht so schnell wechseln, lässt sich aber vom Abfindungsangebot zum Ausscheiden verlocken. Oder er hat derzeit nur ein „ungeliebtes“ externes Angebot eines neuen Vertrages vorliegen – akzeptiert dieses aber, um die angebotene Abfindung des alten Arbeitgebers bei schnellem Ausscheiden „mitzunehmen“. Schlimmstmögliche Variante: Der Mitarbeiter wird arbeitslos, nur um an der Abfindungsaktion teilzuhaben. Er hätte sich damit extra eine tiefe Wunde beigebracht, bloß um in den Genuss eines mildernden „Pflasters“ zu kommen.
Zum Thema „Aufhebungsvertrag = arbeitgeberseitige Kündigung“: Ein Arbeitnehmer, der wechseln will, kündigt, schließt mit dem alten Arbeitgeber keinerlei Verträge mehr (die Kündigung als einseitige Willenserklärung reicht absolut aus) und geht. In seinem Zeugnis steht: „… scheidet aus auf eigenen Wunsch.“ Er bleibt also Herr des Verfahrens, trifft souverän seine Entscheidung. Das ist als Ziel stets anzustreben und der „Normalfall“.
Der Aufhebungsvertrag ist wie jeder Vertrag eine zweiseitige Willenserklärung. Niemand kann allein so etwas abschließen, er muss sich mit der anderen Seite einigen, beide müssen es wollen, dann müssen beide unterschreiben.
Nun ist es absolut nicht denkbar, dass ein Arbeitnehmer zu seinem Vorgesetzten sagt: „Chef, ich will gehen. Gib mir mal einen Aufhebungsvertrag. Und zwar einen mit einer dicken Abfindung.“ Der Vorgesetzte wird verwundert den Kopf schütteln und auf die Standard-Handlung „einseitige Kündigung des Arbeitnehmers“ verweisen. Und nichts wird aus einer Abfindung.
Die arbeitnehmerseitige Kündigung ist völlig unproblematisch – und der Arbeitgeber kann nichts dagegen tun. Will jedoch ein Arbeitgeber kündigen, wird es höchst kompliziert, das Verfahren wird über Wochen zur „Zitterpartie“ (reicht der Mitarbeiter etwa Kündigungsschutzklage ein?) mit höchst ungewissem Ausgang. Vorher muss ggf. der Betriebsrat gehört, die Sozialauswahl sichergestellt sein etc. etc.
Also versucht der Arbeitgeber gern, den Arbeitnehmer zur Unterschrift unter eine Vereinbarung zu bewegen. Sie sagt aus, dass „beide Seiten“ mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden sind, dass das Arbeitsverhältnis „aufgehoben“ ist bzw. zum genannten Termin wird. Vorteil: Haben beide Seiten unterschrieben, ist die Sache endgültig. Damit aber der Arbeitnehmer auch unterschreibt, wozu man ihn nicht zwingen kann, muss der Arbeitgeber ihm die Sache schmackhaft machen. Ein wesentlicher Baustein dazu ist die gebotene Abfindungszahlung (ein anderer kann die Zeugnisformulierung sein – daher sind gute Zeugnisse weniger wert, wenn der Leser weiß, dass sie aus Arbeitsverhältnissen stammen, die durch Aufhebungsvertrag endeten).
Formal ist also der Aufhebungsvertrag eine Willenserklärung beider Parteien. Da aber für den Arbeitnehmer der Normalfall die durch ihn einseitig betriebene Kündigung ist, bedeutet ein Aufhebungsvertrag in den Augen späterer Bewerbungsempfänger stets: Sein alter Arbeitgeber wollte ihn loswerden. Warum auch immer. Es ist aber für einen Angestellten niemals schmeichelhaft, dass sein Arbeitgeber ihn loswerden wollte. Warum auch immer. Der Arbeitgeber soll hingegen traurig sein, wenn der Mitarbeiter ausscheidet („Wir bedauern …“), aber nicht „es ganz entschieden auch gewollt“ haben oder sogar treibende Kraft gewesen sein.
Zur Klarstellung: Dies ist weder erschöpfend noch juristisch korrekt und allumfassend dargestellt. Mein Rat: Wenn Sie in die Nähe eines Aufhebungsvertrags kommen, lassen Sie sich anwaltlich beraten. Ob Sie den Anwalt auch in Ihrem Namen gegenüber dem Arbeitgeber auftreten lassen, ist eine ganz andere Frage.
Antwort/2: Bis dahin ist alles eindeutig, Ihre Überlegungen sind nachvollziehbar und realistisch. Insbesondere gilt: Ein Arbeitgeber, der sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, wird für seine Mitarbeiter unkalkulierbar. Angekündigte „Maßnahmen“ können endgültig sein – oder nur die Vorboten von schlimmeren. Es ist also richtig, vorbereitet zu sein. Die richtige Maßnahme dazu ist die Bewerbungsaktion.
Antwort/3: Das ist genau die von mir unter 1 genannte Situation: Hier lockt die Versuchung mit Geld, das sich nur zu leicht als das „am teuersten verdiente“ des ganzen Berufslebens entpuppt.Als Regel für Ihr ganzes Leben: Jedes Ihnen unterbreitete Angebot irgendeiner Art (auch außerhalb des beruflichen Bereichs) ist gut – für den, der es unterbreitet. Sonst täte er es ja nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es zufällig zu diesem Zeitpunkt auch gut für Sie als Adressaten ist, liegt außerhalb statistisch interessanter Größenordnungen.
Antwort/4: Es ist unbedingt erstrebenswert, eine wichtige berufliche Phase (wie diese) so abzuschließen, dass später (bei der nächsten Bewerbungsaktion in drei bis sechs Jahren!) niemand daran „riechen“ kann. Das geht perfekt nur, wenn das Ausscheiden auf eigenen Wunsch bestätigt wird und wenn auch bei einer eventuell telefonisch eingeholten Referenz nicht die Auskunft kommt: „Er verließ uns damals im Zuge eines Angebotes, bei dem wir jedem Geld hinterherwarfen, der freiwillig ging.“
Das Erreichen dieses Ziels ist nur bei b möglich. Ich empfehle das kompromisslos! Möglichkeit c ist viel zu kompliziert – und zieht Ihren neuen Arbeitgeber mit hinein, was man vermeiden sollte. Variante a ist von mehreren Zugeständnissen abhängig und macht Sie zum Bittsteller.
Damit das klar ist: Sie „verschenken“ beim Verzicht auf die Abfindung kein Geld, wenn Sie nach eigener Kündigung gehen. Eine Abfindung ist ein Ausgleich für eventuelle „Verluste“, die Sie durch eine Aufhebung Ihres Arbeitsverhältnisses erleiden. Sie jedoch haben dann einen Anschlussjob, erleiden keine „Verluste“, kündigen selbst und werden ja nicht auf die Straße gesetzt. Sie würden sich also nur in eine Abfindungsaktion „hineinmogeln“, nichts anderes. Sie verlassen keinen Traumarbeitgeber aus sicherer Position, sondern ein vom Niedergang bedrohtes Haus und fliehen vor einer eventuellen arbeitgeberseitigen Kündigung in ein – hoffentlich – solideres Unternehmen.
Ich warne Sie davor, den Vertragsabschluss mit dem neuen Arbeitgeber zu forcieren, nur um noch zeitlich in die Abfindungsaktion hineinzukommen. Dieser Druck trübt Ihnen nur den Blick für die richtige Entscheidung im Hinblick auf die neue Position!
Antwort/5: Das „Angebot“ interessiert nicht – aber im Falle eines von Ihnen abgeschlossenen Aufhebungsvertrages sollten Sie unbedingt vor Abschluss des neuen Arbeitsvertrages dem potenziellen neuen Arbeitgeber diese Tatsache mitteilen. Und nun sehen Sie schon, was dabei passiert:
Sie müssen entweder sagen, dass Sie einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben – was dafür steht, dass Ihr alter Arbeitgeber Sie loswerden wollte. Oder Sie müssen „trickreich“ erklären, dass Sie zwar einen Aufhebungsvertrag unterschrieben haben, dass dies aber keineswegs dafür steht, dass man Sie loswerden wollte. Sie hätten sich hingegen nur in die Aufhebungsaktion hineingeschlichen, um die Abfindung mitzunehmen. In Wirklichkeit seien Sie hingegen schon der gesuchte(!) gute Mann aus guter, ungekündigter Position. Da könnte Ihr potenzieller neuer Chef schon die Stirn runzeln. Das klingt nicht mehr nach seriösem Mitarbeiter, das klingt nach orientalischem Bazar.
Und falls Sie es fertig bringen, erst den neuen Arbeitsvertrag und dann den „alten“ Aufhebungsvertrag zu unterschreiben und das dann dem potenziellen neuen Chef erklären müssen, strapazieren Sie dort völlig Ihre Glaubwürdigkeit. Stets bleibt der Verdacht: „Ob der uns angelogen hat und die alte Firma ihn doch loswerden wollte?“
Antwort/6: „Im gegenseitigen Einvernehmen“ steht stets als Verklausulierung von „Trennung erfolgte auf Wunsch des Arbeitgebers“. Die Formulierung wird gern bei der klaren arbeitgeberseitigen Kündigung gebraucht! Sie entstand, weil negativ klingende Wahrheiten in Zeugnissen nicht niedergeschrieben werden dürfen, also haben sich Umschreibungen eingebürgert.Die einzige unzweideutige, stets uneingeschränkt ehrenhafte Zeugnisformulierung – die immer anzustreben ist – lautet: „… scheidet aus auf eigenen Wunsch.“
Antwort/7: Die beste „Ausrede“ ist es, keine nötig zu haben!Zum letzten Teil Ihrer Frage zuerst: Wenn Sie vorzeitig gehen wollen, beantragen Sie das beim Chef. Stimmt der zu (am besten schriftlich), ist alles in Ordnung und Sie gehen weiterhin „auf eigenen Wunsch“ – ein Aufhebungsvertrag ist nicht erforderlich. Der entsteht bei Arbeitgeberinteresse am Ausscheiden, was ja hier nicht vorliegt!
Vom Aufhebungsvertrag als solchem erfahren spätere (übernächste) Arbeitgeber nichts, sie stutzen eventuell nur wegen der Zeugnisformulierung oder wegen anschließend eingetretener Arbeitslosigkeit. Bei letzterer sind wirtschaftliche Probleme eine gute Ausrede (aber keine sehr gute: Welches Unternehmen entlässt schon seine besten Leute zuerst?).
Wer nahtlos ein neues Arbeitsverhältnis aufweisen kann, aber lt. Zeugnis nicht „auf eigenen Wunsch“ ging – hat ungeschickt taktiert. Und bei der Gelegenheit noch einmal: Ein Ausscheiden „auf eigenen Wunsch“ in die anschließende Arbeitslosigkeit ist das Werk eines Komikers. Wer aber sucht schon Komiker?
Kurzantwort:
Frage-Nr.: 1682
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 26
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2002-07-05
Ein Beitrag von: