Heiko Mell 01.01.2016, 12:02 Uhr

So werde ich Projektleiter

Neben den überaus wertvollen Informationen schätze ich auch den nicht unerheblichen Unterhaltungswert dieser Rubrik (Anmerkung d. Autors: Ich auch; und diesem Effekt verdanken Sie auch die gewöhnungsbedürftige, sich aber reimende Überschrift über diesem Beitrag).

Ich habe ein TH-Studium absolviert, bin noch knapp unter 30 und seit ein paar Jahren bei der XY AG angestellt. Vor einigen Monaten habe ich zu einem anderen Geschäftsbereich gewechselt, den ich von meiner vorherigen Tätigkeit her gut kannte.

Dort bin ich mit einem Mehrjahresvertrag zu einer Tochtergesellschaft ins Ausland entsandt worden. Hier arbeite ich jetzt seit einigen Monaten als Assistent eines Produktionsleiters.

Man gab mir bei meinem Einstieg in diesen Geschäftsbereich die Aufgabe mit auf den Weg, „alles aus der Produktion herauszuholen“, da der Markt für dieses Produkt schneller als erwartet wachse. Vor Ort habe ich dann während der letzten Monate ein Konzept erarbeitet, welches innerhalb des Bereichs großen Anklang fand und einige Kollegen und Vorgesetzte sehr erstaunte. Dieses Konzept soll nun innerhalb eines Projekts realisiert werden.Ich wurde bereits „unverbindlich“ von meinem Vorgesetzten hier am ausländischen Standort gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Projektleitung zu übernehmen – ich bejahte. Einige Tage später nahm er diese Anfrage, ohne konkrete Gründe zu nennen, wieder zurück. Ich bin mir sicher, dass er in den oberen Führungskreisen mit dem Vorschlag, mich als Projektleiter einzusetzen, schlicht nicht durchgekommen ist.

Inoffiziell habe ich über gute Kontakte erfahren, dass es geplant ist, für dieses Projekt nicht mich, sondern einen älteren Kollegen als Projektleiter einzusetzen. An seiner Qualifikation dafür wurden allerdings Zweifel geäußert. Das Vorhaben solle für ihn eine Art Ausbildung darstellen, damit er in Zukunft für andere Aufgaben einsetzbar sei – welche auch konkret anstünden. Gleichzeitig sei auch ich gefordert, mich intensiv und erfolgreich einzusetzen, da dieses Vorhaben eine sehr hohe Bedeutung für das Produkt habe.

Außerdem sei vorgesehen, mir die Projektleitung zu übertragen, sobald jener Kollege andere Aufgaben übernimmt. Außerdem glaube man, mir als noch relativ unerfahrenem Mitarbeiter damit eine tolle Möglichkeit zu eröffnen.

Mir stellt sich nun die Frage, was ich tun soll – ich finde diese „Chance“ nämlich gar nicht so toll. Ich sehe drei Alternativen:

1. Ich bin beleidigt und mache nur noch „Dienst nach Vorschrift“. Das bringt jedoch niemandem etwas, am wenigsten mir. Diese Alternative scheidet also jetzt schon aus, da warte ich nicht einmal auf Ihre Antwort.

2. Ich weigere mich, die Leitung des Projekts zu einem späteren Zeitpunkt zu übernehmen, da ich fürchte, für Dinge zur Verantwortung gezogen zu werden, welche eigentlich mein Vorgänger zu verantworten hat. Nachdem ich die Meinung einiger Kollegen eingeholt habe, schätze ich die Wahrscheinlichkeit, dass das Projekt in der ersten Zeit (Leitung durch den älteren Kollegen) nicht so toll läuft, als relativ hoch ein. Ich würde in diesem Fall selbstverständlich trotzdem hohen Einsatz zeigen und mich auch über keine weitere Personalentscheidung beschweren.

3. Ich erkläre mich bereit, das Projekt zu gegebener Zeit zu übernehmen
a) ohne Vorbehalte und Bedingungen
b) wobei ich verlange, dass konkrete, auf dieses Projekt bezogene Vorgaben erreicht sein müssen, bevor eine Übergabe an mich in Frage kommt (beispielsweise das Erreichen eines konkreten Meilensteins; damit vermeide ich die für mich unangenehme Situation, eine Art „Projektleiter auf Abruf“ zu sein. Denn ich kann mir vorstellen, dass sich sonst der ältere Kollege, also mein Vorgänger in der Projektleitung, erst aus dem Staube machen würde, wenn die Sache aus dem Ruder läuft – und falls sie nicht aus dem Ruder läuft, ist er nicht bereit, den Stuhl zu räumen).

Falls das Unternehmen auf 3 b nicht eingeht, was mache ich dann? Ziehe ich mich auf 3 a zurück oder lieber gleich auf 2?

Natürlich würde ich gern die Projektleitung innehaben, wenn nicht von Anfang an, dann lieber später als gar nicht. Ich glaube auch nicht, dass ich mir einen Gefallen tun würde, eine Projektübernahme von vorn herein kategorisch abzulehnen. In Anbetracht der Randbedingungen frage ich mich allerdings, ob ich mir mit der Übernahme einen Gefallen tun werde.

Antwort:

Natürlich gibt es in diesem Fall neben den konkreten Informationen noch viel Raum für Spekulationen. Auch die wesentlichen Aussagen, die Ihnen zum weiteren Ablauf und zu den Planungen des Unternehmens vorliegen, stammen ja alle aus „informellen“ Kanälen. Dennoch wollen wir einmal auf dieser Basis überlegen:Die Ausgangsgeschichte ist durchaus klar und kommt nahezu täglich irgendwo vor: Ein junger, eifriger, aber nach den Standardmaßstäben des Unternehmens noch relativ unerfahrener Mann macht einen hochinteressanten Vorschlag, begeistert seinen unmittelbaren Vorgesetzten. Dieser wiederum fragt ihn in seiner spontanen Begeisterung, ob er denn bereit sei, die Leitung dieses Projektes (Verwirklichung dieses Vorschlags) zu übernehmen. Der Mitarbeiter sagt erfreut zu.Dann versucht der Vorgesetzte, sich das höheren Ortes absegnen zu lassen – und wird „zurückgepfiffen“. Nun gibt es die Möglichkeit, dass dies gegen Sie gerichtet ist, weil man Sie für „nicht fähig“ oder „noch nicht fähig“ hält, das auch zu realisieren. In der Sache wäre sogar das verständlich. Schließlich ist es ein Unterschied, ob man die Idee zu einer Konzeption hat oder ob man imstande ist, dieses Konzept auch in der Praxis durchzusetzen.

Es war aus der Sicht des Gesamtunternehmens höchst ungeschickt Ihnen gegenüber, Ihnen erst eine „Beförderung“ anzutragen und diese dann wiederum zu streichen – das betrifft aber nur das taktische Vorgehen. Insgesamt darf sich das Unternehmen sehr wohl auf den Standpunkt stellen, Sie seien dafür noch recht jung. Übrigens läge dann der zentrale Fehler bei Ihrem Chef: Er hat Ihnen Hoffnungen gemacht, die er nicht durchsetzen kann. So etwas tut man nicht, das ist ein Führungsfehler. Andererseits sollten Sie ihm das nicht vorwerfen: Nehmen Sie seine ursprüngliche Frage an Sie als Zeichen der Wertschätzung. Ein besseres Kompliment hätte er Ihnen eigentlich gar nicht machen können.

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Die Geschichte mit dem älteren Kollegen ist ebenfalls durchaus denkbar. Da können politische Hintergründe mitspielen, da kann ein ganz anderer (höherer) Vorgesetzter diesem Kollegen früher schon einmal versprochen haben, die nächste Projektleitung bekäme er. Vielleicht weiß auch der jeweils höchste Entscheidungsträger in dieser ganzen Angelegenheit überhaupt nichts von eventuellen Schwächen dieses älteren Kollegen und geht davon aus, der solle das Projekt einmal anfangen, dabei könnten Sie lernen, wie man so etwas macht, anschließend könne man immer noch Sie zum Nachfolger in der Projektleitung küren.

In jedem Fall hat man nun entschieden, dass Sie nicht direkt zum Zuge kommen. Von dieser Ausgangslage müssen Sie ausgehen, der Rest sind Ungeschicklichkeiten, die aber in dieser Form praktisch immer und jederzeit vorkommen. Man darf im Berufsleben auch nicht zu zart besaitet sein.Zu Ihren Detailfragen:

Zu 1: Ich stimme Ihnen zu, das kommt überhaupt nicht in Frage!

Zu 2: Das läuft im Prinzip auf eine ähnliche Variante wie 1. hinaus. Es beginnt damit, dass man sich als karriereinteressierter Mensch im Prinzip nicht „weigert“, irgendeine angetragene Verantwortung zu übernehmen. Damit könnten Sie erfahrungsgemäß in diesem Unternehmen Ihre weitere Karriere vergessen.

Selbstverständlich sind Ihre Bedenken grundsätzlich berechtigt – es kann sehr gut sein, dass Ihr Vorgänger einen Haufen Unsinn angestellt hat, bevor Sie dann endlich „drankommen“. Sie könnten dann die Zusatzaufgabe haben, zunächst einmal die Fehler des Vorgängers auszubügeln. Vergessen Sie aber nicht: Auch Sie könnten selbst weitere Fehler machen, beides ist gleichermaßen wahrscheinlich.

Ich rate von dieser Variante ganz entschieden ab.

Zu 3: Mit a und b haben Sie die Dinge sauber analysiert, beides bietet sich an. Selbstverständlich ist b für Sie günstiger – für das Unternehmen aber kaum bis gar nicht akzeptabel, wie die Lebenserfahrung zeigt.

Bedenken Sie auch bitte: Falls die ganze Geschichte mit dem zurückgenommenen Angebot im Hinblick auf die Projektleitung an Sie tatsächlich auch mit Bedenken Ihnen gegenüber einhergeht (Alter, Erfahrung etc.), dann müssen Sie die erste Zeit der einfachen Mitarbeit an dem Projekt auch als Bewährung für Sie sehen. Und das Unternehmen will eine Chance haben, Sie in dieser Zeit genau zu beobachten. Also wird es eine Garantie vermutlich nicht geben, weder im Hinblick auf einen sachlichen „Meilenstein“ noch auf einen fixierten Zeitpunkt.

Mein Rat liegt etwa zwischen 3 a und 3 b: Warten Sie ab, bis man Ihnen die Geschichte konkret anbietet (bisher war ja alles informell). Geben Sie durchaus zu erkennen, dass Sie über die Rücknahme des ursprünglichen Angebotes nicht glücklich sind, zeigen Sie aber Verständnis für Überlegungen, die „höheren Ortes“ für die Entscheidung maßgeblich waren und die man vermutlich auch nur verstehen und nachvollziehen kann, wenn man Informationen hat, die Ihnen gar nicht zugänglich sind. Dann äußern Sie Ihre grundsätzliche Bereitschaft, bei dieser Version mitzumachen. Zusätzlich können Sie Ihre Bedenken vortragen, dass die ganze Geschichte mit der Übergabe der Projektleitung an Sie außerordentlich „schwammig“ sein könnte und zu zahlreichen Problemen und Missverständnissen führen kann. Äußern Sie zumindest die Bitte, darüber nachzudenken, ob man nicht einen Meilenstein oder einen Zeitpunkt benennen könne, machen Sie es aber nicht zur direkten Bedingung. Solche „knallharten“ Forderungen werden von Unternehmen gern als „Erpressung“ oder „Weigerung“ interpretiert, im Sinne des Unternehmens mitzuarbeiten und sich in den Dienst der Sache zu stellen.

Wenn die Arbeitgeberseite nun überhaupt nicht auf konkrete Dinge eingehen mag (vielleicht auch, weil sie gar nicht kann zu diesem Zeitpunkt, vergessen Sie das nicht), dann bitten Sie Ihren Chef oder den dafür Verantwortlichen etwa wie folgt: „Ich akzeptiere, dass Ihnen eine Festlegung im Moment nicht möglich ist. Sie verstehen, dass dieses Thema für mich eine besondere Bedeutung hat, selbstverständlich aber beuge ich mich den sachlichen Erfordernissen. Ich darf von mir aus den Vorschlag machen, dass entweder bei Erreichen des Meilensteins XYZ oder nach einem Projektablauf von sechs Monaten ich zumindest das Recht habe, in dieser Angelegenheit noch einmal bei Ihnen vorzusprechen und das Thema Projektleitung noch einmal aufgreifen zu dürfen. Damit möchte ich nur verhindern, dass ich dann als ‚lästig““ oder ähnlich eingestuft werde.“ Das klingt zwar verhältnismäßig banal oder albern, hat sich aber in der Praxis außerordentlich bewährt. Es hat sogar schon Arbeitsverträge gegeben, in denen eine vom Mitarbeiter gewünschte, vom Unternehmen aber nicht gewährte Zusage in das Recht umgemünzt wurde, zu einem bestimmten Zeitpunkt noch einmal nachfragen zu dürfen. Dieses Recht hat man zwar generell und grundsätzlich immer, im Falle einer solchen Vereinbarung (die Sie nicht zwingend schriftlich treffen müssen) können Sie aber das spätere Gespräch in vielleicht sechs Monaten ganz anders einleiten, indem Sie sich auf die jetzige klare Absprache beziehen.

Die Frage ist übrigens auch, inwieweit der ältere Kollege bei Übernahme der Projektleitung davon informiert ist, dass er diese vor Beendigung des ganzen Vorhabens an Sie abgeben muss. Klären Sie auch diesen Punkt. Wenn der jetzt am Beginn von gar nichts weiß und wissen darf, dann ist seine Ablösung vor Projektende höchst unwahrscheinlich.

Und bevor Sie sich allzu sehr über die Zurücksetzung aufregen, dass man die Ihnen bereits gegebene Zusage wieder zurückzieht: Das kann auch „höheren Ortes“ gegen Sie entschieden worden sein, ohne dass der maßgebliche Entscheidungsträger Sie überhaupt kannte. Der kann sich auf der einen Seite spontan für den ihm vielleicht bekannten älteren Kollegen entschieden haben (warum auch immer) oder er hat die Zusatzfrage gestellt, wie alt und wie erfahren Sie denn seien und hat spontan zu dem Mann unter ihm gesagt: „Wollen Sie die Verantwortung übernehmen, dass ein so junger Kerl das erfolgreich durchsteht und keine Fehler macht?“ Und wenn der Angesprochene ein kluger Mann war, dann hat er gesagt, nein, das wolle er natürlich nicht, das sei auch nur ein Vorschlag gewesen – und aus war’s mit Ihrer großen Chance.

Bedenken Sie auch, dass es für das Unternehmen nicht in erster Linie darum geht, Sie nach vorn zu bringen, sondern dass man die Produktion dieses Produktes hochziehen will. Das Konzept dazu liegt ja nun vor. Für das Unternehmen ist nicht wichtig, wer es realisiert. Dass Sie davon überzeugt sind, Sie könnten es am besten, ist nun leider eine Meinung, der sich die „oberste Heeresleitung“ Ihres Hauses noch nicht angeschlossen hat. Geben Sie den Leuten dort noch ein paar Jahre Zeit und zeigen Sie’s ihnen – Sie sind ja noch jung.

Kurzantwort:

Enttäuschungen sollten für junge „heißblütige“ Mitarbeiter sein wie das Abschrecken von heißem Werkzeugstahl im Kühlbad: Wenn der Prozess überstanden ist, ist das Material härter als vorher (auch wenn es zunächst ordentlich brodelt und zischt).

Frage-Nr.: 1686
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 30
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2002-07-26

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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