Heiko Mell 01.01.2016, 15:19 Uhr

Als Externer auf eine interne Ausschreibung reagieren?

Durch einen Bekannten wurde ich auf eine interne Stellenausschreibung bei einem größeren deutschen Automobilzulieferer hingewiesen. Es handelt sich hierbei um meine Traumposition.

Wird es vom Unternehmen als unpässlich empfunden, wenn sich externe Bewerber auf eine interne Stellenausschreibung bewerben? Oder schlagen Sie vor, dass ich zunächst abwarten sollte, bis die Stelle extern ausgeschrieben wird?

Vielleicht sollte ich eine Initiativbewerbung erstellen, die „zufällig“ genau auf diese Stelle passt? Ist ein Vorabtelefonat vielleicht doch empfehlenswert, da sich intern vermutlich kaum geeignete Bewerber finden lassen (wegen der speziellen Qualifikation, die gefordert wird und die ich erfülle)?

Antwort:

Was sind überhaupt interne Stelenausschreibungen? Eine der möglichen, von internen Praktikern (Personalabteilung) gern gegebene Definition: irgendetwas zwischen „lästig“ und „Ärgernis“.

Fangen wir so an: Warum schreiben Unternehmen offene Stellen intern aus? Der Laie würde sagen: um Bewerber zu finden. Der Fachmann sagt, das sei naiv gedacht.

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Sehen wir einmal ab von dem Sonderfall des Weltkonzerns mit x Werken an y Standorten, zahlreichen autarken Töchtern und Profitcentern sowie Mitarbeiterzahlen um hunderttausend herum und betrachten wir das durchschnittliche Unternehmen mit bis zu 5.000 oder auch 10.000 Mitarbeitern. Dort weiß eine Personalabteilung natürlich, in welchem Unternehmensbereich Mitarbeiter mit der gesuchten speziellen Qualifikation überhaupt sitzen könnten(!). Es ist schließlich sinnlos, einen gesuchten CAD-Konstrukteur im Controlling, im Einkauf oder im Außendienstvertrieb zu vermuten. Also bleiben zwei oder drei Abteilungen als mögliche „Lieferanten“ übrig. Ein gut organisiertes Personalwesen oder auch ein gut informierter suchender Fachvorgesetzter weiß normalerweise durchaus, ob in den zwei oder drei möglichen Abteilungen überhaupt ein denkbarer Kandidat der gesuchten Qualifikation vorhanden ist. Den müsste der suchende Vorgesetzte überhaupt haben wollen, dann müsste der betreffende Mitarbeiter wechseln wollen, dann müsste dessen Vorgesetzter dem „Verlust“ zustimmen.

Resultat: Im Regelfall weiß man im Vorfeld durchaus, dass es hausintern gar niemanden gibt, mit dem man die offene Position besetzen könnte – dass man also extern suchen muss. Und dann geht man hin, schreibt die Geschichte intern(!) aus, wartet einige Wochen(!) auf nicht denkbare Bewerbungen – und inseriert in dieser Zeit eisern nicht extern.

Sie wundern sich? Das sollten Sie nicht tun, es erschwert Ihnen nur das Verständnis. Denn Sie sind in Deutschland, einem Land, das ungeheuer konsequent und notfalls unter Opfern tut, was getan werden muss. Und in dem wir Fragen nach Sinn und Zweck solcher Übungen eher als störend empfinden. Die Hauptsache ist, es gibt eine Vorschrift, die zu befolgen ist.

Und die gibt es: Zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat ist eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden, die zwingend bei jeder Neubesetzung die vorherige interne Ausschreibung vorsieht. Von „Wahrscheinlichkeiten“, dass solch ein Mensch intern überhaupt existiert, ist meist keine Rede.

Ach ja, es kommt noch ein Aspekt ins Spiel: Hinter vorgehaltener Hand räumen Personalleiter ein, aus einem ganz anderen Grund gar nicht so glücklich mit diesem Instrument zu sein – auch wenn Bewerbungen kommen. Denn dann geht der Ärger erst richtig los:

Interne Bewerber sind ja nicht klüger oder besser als externe. Und von denen haben bis zu 90 % nie eine Chance, weil sie nicht erkannt hatten, wie weit sie mit ihrer Qualifikation neben dem Ideal liegen. Externen Bewerbern schreibt man ab – und hört nie wieder von ihnen. Jeder abgesagte (einer kann den Job nur erringen) interne aber ist ein Mitarbeiter des Hauses, der nun frustriert ist und sich blamiert fühlt. Denn dass ein fremder potenzieller Arbeitgeber ihn nicht will, ist eine Sache. Aber das „eigene“ Unternehmen, für das man doch so viel getan …

Schließlich bleibt der schon angesprochene heutige Chef des Bewerbers. Der ist häufig gar nicht glücklich über die „schlafenden Hunde“, die man in seiner Abteilung mit der Aktion geweckt hat. Jetzt verliert er einen seiner besten Mitarbeiter. Übrigens hat dann er ein Loch, das er stopfen muss – zunächst (selbstverständlich) mit einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung!

Natürlich, das muss auch gesagt sein, läuft das nicht immer so, manche Firmen mögen auch durchaus glücklich sein mit diesem Instrument, sehr viele aber werden meiner Schilderung zustimmen (insgeheim, versteht sich).

Auf dieser Basis konkret zu Ihrem Anliegen: Vermutlich findet auch dieses Unternehmen keinen passenden internen Bewerber – muss aber die in der Betriebsvereinbarung festgelegte Frist abwarten, bevor es anderweitige Schritte unternimmt. Diese Frist steht zumeist auf dem Aushang oder der internen Veröffentlichung, fragen Sie Ihren Bekannten. Rufen Sie ruhig kurz vor Ende dieser Frist (oder so zwei Wochen nach Aushangbeginn) die dort angegebene Telefonnummer an und berichten Sie wahrheitsgemäß von der Information durch einen Bekannten (den Sie nicht benennen) und Ihrem Interesse. Der Mitarbeiter des Personalwesens sagt Ihnen dann, wie es weitergeht.

Ach, und noch etwas: Aus Ihrer Formulierung zum „Vorabtelefonat“ geht hervor, dass Sie meinen Rat im Kopf haben: Rufen Sie als Bewerber lieber nicht an. Damit meine ich nicht, dass etwa die Mitarbeiter von Personalabteilungen alle eine Aversion gegen Telefongespräche hätten. Sondern ich weise darauf hin, dass sie durch die große Zahl von Bewerberanrufen etwas genervt sind. Überflüssigen Anrufen wohlgemerkt.

Überflüssig sind Bewerberanrufe, wenn

– sie um die Frage kreisen, ob ein vor zwei Tagen frisch erschienenes Inserat „noch aktuell“ sei,

– sie in der pauschalen Aufforderung gipfeln, „Näheres“ zur offenen Position zu erzählen (es gibt Fälle mit 300 Bewerbungen; wer mehrere hundert Mal „Näheres“ erzählen musste, ist reif für irgendeine Insel),

– auch der Bewerber schon Zweifel hatte, ob er zum Profil passt – diese Zweifel kann der Fachmann stets(!) bestätigen (woraus sich die Empfehlung ergibt, „im Zweifel“ lieber gar nicht erst zum Hörer zu greifen),

– der Anrufer auch nicht weiß, warum er angerufen hat und offensichtlich nur dem suggestiven Zwang einer abgedruckten Telefonnummer widerstandslos erlegen ist.

PS: Ihr „unpässlich“ ist „unpassend“ – in doppeltem Sinne.

Kurzantwort:

Wer unternehmensintern eine Stelle ausschreibt, hofft nicht zwangsläufig auf unternehmensinterne Bewerber, er befolgt oft nur korrekt seine Vorschriften.

Frage-Nr.: 1821
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 5
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2004-01-29

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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