Sollte ich einen Aufhebungsvertrag in einer Bewerbung erwähnen?
Kürzlich habe ich einen Aufhebungsvertrag unterschrieben. Die Alternative wäre eine betriebsbedingte Kündigung gewesen (bei der man sich vor dem Arbeitsgericht wiedergetroffen hätte).
Bei meinen bisherigen Bewerbungen habe ich die Tatsache immer verschwiegen, da ich erst in ca. vier Wochen freigestellt sein und in vier Monaten ausscheiden werde. Ich habe bisher immer eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende angegeben und hoffe sehr, eine Stelle zu finden, bevor ich diese Aufhebung/Freistellung nicht mehr leugnen kann.
Bei einem VDI nachrichten-Recruiting-Tag hatte ich ein Beratungsgespräch mit einem Karriereberater. Dieser hatte mir empfohlen, den Aufhebungsvertrag als Grund für den Wechsel anzugeben, da er mit diesem Umstand bei einer Stellenbesetzung keine Probleme hätte. Von einem anderen Personalleiter habe ich zu hören bekommen, dass er nur Leute aus einer sicheren Position einstellen würde – und keine arbeitslosen, die es nur eilig hätten, einen Job zu bekommen.
Mir stellen sich nun folgende Fragen: …
Antwort:
Erlauben Sie mir bitte, das Thema in einer anderen Systematik aufzubereiten als es Ihren Fragen entspricht. Aber Sie bekommen auch so alle gewünschten Antworten.
1. Die Meinungen der verantwortlichen Fachleute streuen – das tun sie eigentlich immer, und Sie haben es gerade erlebt. Das ist der eigentliche Hintergrund dafür, dass ein Bewerber bei Firma A abgelehnt wird, bei Firma B immerhin ins Vorstellungsgespräch kommt und von C ein Vertragsangebot erhält. Und zwar bei absolut vergleichbaren Positionen.
Freuen wir uns darüber! Gäbe es einen alles entscheidenden Zentralcomputer, wäre nach der ersten Absage klar: Dieser Berufsweg ist „tot fürs ganze Leben“. So besteht immer noch Hoffnung.
2. Die beiden Fachleute, auf die Sie zufällig gestoßen sind, vertreten Extremeinstellungen („macht nichts“ und „nicht akzeptabel“). Bei diesem Problem liegt die Durchschnittsmeinung dazwischen: „Der „Gebrauchtwagen“ hat einen Unfall erlitten. Aber das Auto hat immer noch einen vernünftigen Marktwert, die vorzunehmenden Abstriche bleiben im Rahmen, der Aufwand für die Wiederherstellung der uneingeschränkten Fahrbereitschaft ist überschaubar. Nur: Der Wagen ist nicht mehr unfallfrei, Ästheten und Perfektionisten könnten vom Kauf auch generell Abstand nehmen.“
Der Vergleich „Bewerbung = Versuch, einen Gebrauchtwagen zu verkaufen“ ist oftmals hart, dient aber dem Verständnis für Gegebenheiten auf dem Markt.
3. Wie Sie selbst schreiben: Der Aufhebungsvertrag ist zwar formal das Resultat der Einigung beider Seiten – aber er gilt immer nur als Alternative zur arbeitgeberseitigen Kündigung! Wenn der Arbeitnehmer nicht mehr will, kündigt er einfach, da braucht – und bekommt – er keinen Aufhebungsvertrag.
Die Initiative zur Lösung des Arbeitsverhältnisses ging also in den Augen des Arbeitsmarktes hier stets vom Arbeitgeber aus. Versuche, diesen Vertrag im Bewerbungsprozess tatsächlich als Vereinbarung zweier Partner zu verkaufen, die beide dieses Ergebnis wollten, ernten nur ein müdes Lächeln. Das gilt auch dann, wenn es im Ausnahmefall tatsächlich einmal so gewesen sein sollte.4. Der Vorteil für den Arbeitgeber liegt darin, dass mit der Unterschrift beider Partner die Geschichte „gegessen“ ist („der Fall ist in trockenen Tüchern“), während die einseitige arbeitgeberseitige Kündigung wegen des Prozessrisikos vielleicht erste viele Monate später zum Ende führt, wobei die Kosten bis zuletzt schwer zu kalkulieren sind.
Der Vorteil für den Arbeitnehmer liegt darin, dass der Arbeitgeber die Unterschrift des Mitarbeiters braucht – und dieser bis dahin „Verhandlungsspielraum“ in begrenztem Umfang hat (endgültiges Ausscheidedatum, Höhe der Abfindung, Vereinbarungen über Zeugnisformulierungen). Außerdem vermeidet der Arbeitnehmer, gegen seinen Arbeitgeber klagen zu müssen, was seine weitere Karriere nicht eben fördern würde.
Auch fühlt sich der Mitarbeiter besser, wenn er sagt, er hätte einen Aufhebungsvertrag geschlossen (klingt aktiv, planend, gestaltend) als das Eingeständnis, er sei gefeuert worden (klingt passiv, nach „Verlierer“ und überhaupt).
5. Formal ist ein Aufhebungsvertrag keine Kündigung. Dennoch ist es falsch und gefährlich, ab Unterschrift unter den Vertrag im Bewerbungsprozess zu behaupten, man sei in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis! Potenzielle Arbeitgeber würden das als nicht zutreffend bis bösartig falsch formuliert werten!
Wird man ab Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag vom potenziellen neuen Arbeitgeber gefragt: „Sind Sie in einem gekündigten (oder ungekündigten) Arbeitsverhältnis?“, so lautet die moralisch korrekte Antwort: „Ich habe einen Aufhebungsvertrag unterschrieben.“
6. Ich rate dringend, vor Unterschrift unter einen neuen Arbeitsvertrag dem neuen Arbeitgeber den Tatbestand „Aufhebungsvertrag“ auch dann zu offenbaren, wenn er nie gefragt hat – weder nach Kündigung, noch nach Aufhebung. Er könnte sonst, wenn er davon erfährt, äußerst enttäuscht von Ihnen sein. Ich habe Kündigungen in der Probezeit in dem Zusammenhang erlebt (ohne offizielle Begründung, aber doch aus diesem Grund). Schließlich wollen Sie ein Vertrauensverhältnis zum neuen Arbeitgeber aufbauen – das geht nicht, wenn Sie einen wichtigen Umstand verschweigen.
Ob Sie den Aufhebungsvertrag schon im ersten Gespräch oder erst kurz vor Unterschrift unter den neuen Arbeitsvertrag offenbaren, können Sie dem Gesprächsverlauf überlassen.
7. Wurde ein Aufhebungsvertrag unterschrieben, dann gilt selbst die Antwort auf die Frage des neuen Arbeitgebers, warum Sie sich bewerben, welche Gründe Sie zum Wechsel bzw. zur Bewerbung bewegt haben, als kritisch. Wer dann nur über sachliche Aspekte wie Aufstieg, neue fachliche Herausforderung, mehr Gehalt redet, riskiert, dass sich der Fragesteller veralbert fühlt, wenn er später vom Aufhebungsvertrag erfährt.
Die moralisch korrekte Antwort auf eine solche Frage lautet: „Ich bewerbe mich auch, weil ich einen Aufhebungsvertrag zum … unterschrieben habe und damit ein neues Engagement brauche. Ihr Stellenangebot habe ich dabei ausgewählt, weil …“
8. Der Idealbewerber ist in ungekündigtem Arbeitsverhältnis, könnte dort problemlos bleiben, soll nicht entlassen werden, liebt seinen Chef und wird wiedergeliebt. Alles bei ihm ist „gut“ – er bewirbt sich nur, um es noch „besser“ zu haben. Seine Entscheidung für den neuen Arbeitgeber fällt völlig frei – unterschreibt er dort, dann im Sinne einer echten „Liebesheirat“.
Demgegenüber sagt ein Aufhebungsvertrag, dass der heutige/letzte Arbeitgeber den Bewerber loswerden will oder wollte – was immer ein bisschen „verdächtig“ ist, betriebliche Gründe hin oder her.
Dann, das ist das Kernargument, steht der Bewerber unter Druck! In Kürze ist er arbeitslos – da heuchelt man, so der Verdacht, schon einmal Begeisterung für den neuen Job, bloß um wieder in „Amt und Brot“ zu kommen. Statt Liebesheirat droht das „Verlobungsprinzip“ (festhalten und weitersuchen).
Der Marktwert eines solchen Bewerbers ist etwas reduziert. Das ist also keine gute Basis für die Forderung nach exorbitanten Gehaltsverbesserungen! Richtlinie: Zielposition entspricht der verlorenen Stelle, Zielgehalt dem Ist-Einkommen. Das kann man nach oben ausweiten, aber viele Entscheidungsträger reagieren kritisch allein auf den Versuch. Schon das Verlorene wiederzufinden, wäre ja bereits ein Fortschritt für den Bewerber.
9. Im Zeitraum bis etwa vier Wochen vor vereinbartem Ausscheidedatum darf man nach allgemeiner Auffassung im Anschreiben formulieren „ich bin als … bei … tätig“, speziell für die Lebenslaufdarstellung empfiehlt sich weniger das etwas kritische „bis“ als vor allem „seit 1.4.1997 tätig als … bei …“.
10. Da Sie schon im ersten Vorstellungsgespräch mit bohrenden oder auch nur präzisen Fragen nach dem heutigen Arbeitsverhältnis rechnen müssen, sollten Sie bemüht sein, den „Schock“, den dann Ihr Eingeständnis hervorrufen kann, nicht zu groß werden zu lassen – sonst droht Enttäuschung (und Sie werden verlegen oder unsicher). Also schreiben Sie im Anschreiben etwa:
„Seit sieben Jahren bin ich … …. Meine Bewerbung erfolgt auch im Zusammenhang mit der Tatsache, dass sich unsere Geschäftsleitung aus wirtschaftlichen Gründen zu erheblichen Einsparmaßnahmen auf fast allen relevanten Gebieten, auch im Personalbereich, gezwungen sieht. Bei der von Ihnen ausgeschriebenen Position spricht mich die … in ganz besonderem Maße an. … ….“
Damit wird überhaupt nicht gesagt, dass Sie schon betroffen sind, aber Sie haben das Feld bereitet. Im Gespräch können Sie dann formulieren: „Ich hatte Sie ja schon im Anschreiben über die Probleme unseres Hauses informiert. Inzwischen ist die Situation eskaliert, man hat auch mir einen Aufhebungsvertrag vorgelegt.“
11. Freigestellt zu werden, ist oft unvermeidbar, aber nicht etwa erstrebenswert. Schließlich heißt es auch: „Der Schaden, den er bei vollem Gehalt zu Hause anrichtet, ist geringer als wenn er hier noch auf seinem Stuhl säße.“ Eine akzeptable Erklärung besteht darin, dass es in Ihrem Unternehmen absolut Standard sei, die Mitarbeiter nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags freizustellen.
12. Der – geduldete – Versuch, im schriftlichen Bewerbungsstadium den Eindruck eines problemlos weiterlaufenden Beschäftigungsverhältnisses zu erwecken, kann durch die Freistellung empfindlich torpediert werden: Der Bewerbungsempfänger könnte Sie zwecks Klärung von Detailfragen anrufen wollen und fragt nach Ihnen bei der Telefonzentrale Ihres Arbeitgebers (völlig diskret, vielleicht ruft seine Sekretärin unter ihrem Privatnamen an). Was sagt die Zentrale (oder ein Kollege oben in der Abteilung, bei dem der Anruf landet)? „Herr Müller ist nicht mehr bei uns.“
Abhilfe: Sie riskieren es einfach (nicht jeder Bewerbungsempfänger ruft gleich an) oder Sie vereinbaren im Aufhebungsvertrag, dass der Arbeitgeber sicherstellt: Sie betreffende Telefonanrufe, die nicht von Kunden oder bekannten Geschäftspartnern kommen, werden ohne weitere Information mit dem Hinweis „dienstlich für einige Tage unterwegs“ beantwortet. Oder Sie bitten in Bewerbungen um Kontaktaufnahme per Handy oder E-Mail.
Nicht ratsam ist es übrigens, den heutigen Arbeitgeber in der Bewerbung schlicht nicht namhaft zu machen! Das wird ggf. toleriert, wenn Sie ein Schutzbedürfnis haben und bei zufälligen Indiskretionen Nachteile befürchten müssten (ist aber auch dann nur die zweitbeste Lösung). Sie als „Mitarbeiter mit Aufhebungsvertrag“ haben aber kein Schutzbedürfnis mehr. Wenn dann im Gespräch Ihre Situation deutlich wird, kann der in Ihren Unterlagen blätternde Personalmann unangenehm reagieren: „Und warum haben Sie uns den Namen verschwiegen – Sie waren doch beim Absenden der Bewerbung schon draußen?“ Antwort: „Weil ich im Gegensatz zu den Tatsachen den Eindruck erwecken wollte, …“ Hm!
13. Die Frage des Eintrittstermins lässt sich schriftlich in Verbindung mit dem Argument unter 10. lösen: „Ich bin sicher, dass sich in diesem Zusammenhang ein Eintrittsdatum im Rahmen Ihrer Vorstellungen realisieren lässt.“ Das klingt logisch („Die sind froh über jeden, der geht.“). Achtung: Von „Kündigungsfrist“ zu sprechen, ist nicht mehr korrekt! Es gibt nichts mehr zu kündigen.
14. Für den Fall, dass Sie diese Informationen zum Thema erst lesen, wenn Sie schon mitten im Bewerbungsprozess sind (und z. B. im ersten Gespräch „falsche Angaben“ gemacht und nichts über Ihren Aufhebungsvertrag gesagt haben):
a) Ich tue meine Pflicht und sage Ihnen, dass Sie stets nur die Wahrheit, nichts als die Wahrheit etc. … Und weise Sie auf das Risiko bei Nichtbefolgung hin. Punkt.
b) Unbedingt bleibt es bei der Empfehlung gemäß 6.! Wenn aber nun das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, könnte sich eine Manipulation beim Datum des Abschlusses des Aufhebungsvertrags als das kleinere Übel erweisen. Dieses Datum wird gemeinhin nicht erfragt, niemals legt man den Vertrag dem neuen Arbeitgeber vor. Im späteren Zeugnis steht das Datum auch nicht. Sie könnten also auf die Idee kommen, das Datum auf einen Zeitpunkt nach Ihrem jeweils letzten Kontakt mit dem Bewerbungsempfänger zu legen.
Sagen Sie also anlässlich des nächsten Kontaktes ungefragt etwa: „Ich habe noch eine Information für Sie, die ich einfach aus Gründen der Fairness und Korrektheit geben muss: Ich hatte Ihnen ja erzählt, dass ich mich seit einiger Zeit aus den schon genannten Gründen um eine neue Position bemühe. Jetzt ist ein anderer, durchaus gravierender Grund für meine Bewerbung hinzugekommen: Aus wirtschaftlichen Gründen sieht sich mein Arbeitgeber zu drastischen Einsparmaßnahmen gezwungen. Man hat auch mir – wie vielen anderen – einen Aufhebungsvertrag vorgelegt. Schweren Herzens habe ich den unterschrieben. Mein Entschluss wurde erleichtert durch die recht gute Akzeptanz, die ich mit meinen Bewerbungen auf dem Markt finde. Ich möchte aber betonen, dass die Position bei Ihnen bei mir ganz vorn auf der Liste besonders attraktiver neuer Herausforderungen steht.“
Kurzantwort:
Aufhebungsverträge sind im Bewerbungsbereich nur ein anderes Wort für arbeitgeberseitige Kündigung. Aber der Arbeitnehmer, dessen Unterschrift dazu gebraucht wird, kann eine Reihe von Wünschen in die Verhandlungen einbringen. Potenziellen neuen Arbeitgebern gegenüber ist eine sorgfältig abgestufte Offenheit über die Situation angebracht.
Frage-Nr.: 1842
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 16
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2004-04-16
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