Aufhebungsvertrag oder Eigenkündigung?
Frage:
Seit ca. fünf Jahren bin ich als Produktmanager bei einem Automobilzulieferer beschäftigt. Die Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich erhielt für mein Engagement und die Erfolge Auszeichnungen und ein sehr gutes Zwischenzeugnis.Um einer betriebsbedingten Kündigung zuvorzukommen, unterschrieb ich vor einiger Zeit einen Aufhebungsvertrag. In der Zeit der Freistellung bewarb ich mich um Stellen als Produktmanager und Vertriebsleiter. Bei ca. 50 % der Unternehmen wurde ich zu einem ersten Gespräch und bei 15 % zu einem zweiten Termin geladen. Nun naht das Ende der Beschäftigungszeit – und ich habe nach wie vor keine neue Stelle.Daher sehe ich momentan drei Möglichkeiten für meine Zukunft:a) Arbeitslosigkeit und weiter suchenb) Freiberufliche Tätigkeit als Übergang bis zu einer Festanstellungc) SelbstständigkeitDie erste Option ist aus meiner Sicht schlecht, ich lehne sie ab. Bei der dritten habe ich so meine Bauchschmerzen. Bleibt also die Variante b.Soll ich noch vor Ablauf des Aufhebungsvertrages kündigen, um eine „Trennung in beiderseitigem Einvernehmen“ im Zeugnis zu verhindern? Ich hätte dann „auf eigenen Wunsch“ das Unternehmen verlassen.Welche Chancen hätte ich dann, mich in vernünftiger Zeit um Stellen als Vertriebsleiter zu bewerben und wo sehen zukünftige Bewerbungsempfänger einen Bruch im Lebenslauf? Es könnte ja die Frage gestellt werden, warum ich nach nur sechs Monaten einer freiberuflichen Tätigkeit dann wieder die Festanstellung suche.
Antwort:
Ich muss argumentativ etwas „aufräumen“; Sie berühren sehr viele Probleme:1. Der freiwillige Abschluss eines Aufhebungsvertrages hätte für Sie nur dann einen Sinn gehabt, wenn es gelungen wäre,- bis zum vereinbarten Vertragsende eine neue Position zu finden,- im Aufhebungsvertrag festzulegen, dass Sie bei Vorliegen einer neuen Position die Wahl gehabt hätten, eine Zeugnisformulierung „Ausscheiden auf eigenen Wunsch“ zu wählen,- dort zu vereinbaren, dass Sie ein (sehr) gutes Zeugnis erhalten.Dann, und nur dann, hätte später (in drei, in fünf oder in acht Jahren) niemand an dem „Fall“ Ihres heutigen Arbeitsverhältnisses „riechen“, also irgendeine negative Besonderheit feststellen können. Dies wäre wichtig gewesen, weil Sie nicht wissen können, wie oft im Leben Sie noch gefeuert werden oder ähnliche Katastrophen eintreten.Da schon die erste Bedingung nicht erfüllt wurde, ist aus heutiger Sicht der Aufhebungsvertrag keinen Deut besser als es die betriebliche Kündigung gewesen wäre. Eher im Gegenteil. Arbeitgeber bieten Aufhebungsverträge an, weil sie vorrangig ihren Interessen dienen. Der Arbeitnehmer kann das ausnutzen, indem er dort auch seine Interessen verankert. Dafür aber hätten mindestens die ersten beiden Bedingungen erfüllt werden müssen.2. Was ist bei den Bewerbungen geschehen? Sie müssen sich diese Frage beantworten, sie ist lebenswichtig!50 % Einladungen zum ersten Vorstellungsgespräch sind sehr gut. Fazit: Unterlagen und Fakten waren absolut in Ordnung.15 % (ich nehme an, von allen geschriebenen Bewerbungen) Einladungen zum zweiten Gespräch entsprechen 30 % der Fälle, in denen Sie zum ersten Gespräch geladen waren. Das ist noch akzeptabel, aber halt etwas schlechter.Danach keinen einzigen Vertrag zu erhalten, ist ein miserables Ergebnis!Fazit: Wenn Sie persönlich auftreten, erfüllen Sie Hoffnungen nicht, die Ihre Unterlagen geweckt hatten. Oder: Im Hinblick auf die Wirkung Ihrer Persönlichkeit im Gespräch greifen Sie mit den Bewerbungszielen zu hoch!Warum stellen Sie mir keine diesbezüglichen Fragen, warum übergehen Sie in Ihrer Einsendung diesen zentralen Aspekt?3. Sie sind Produktmanager, lt. Lebenslauf mit schöner, umfassender Zuständigkeit und Verantwortung. Sie verlieren diesen Job (wir wissen nicht, warum). Mir gefällt in dem Zusammenhang der von Ihnen ins Gespräch gebrachte „größere“ Vertriebsleiter nicht, der eine Aufstiegsposition wäre. Am Anfang Ihres Briefes schreiben Sie noch von Bewerbungen als Produktmanager und Vertriebsleiter. Am Schluss ist nur noch vom Vertriebsleiter die Rede. Da sieht man, wo Ihr Herz schlägt.Vermutlich haben Sie bei den meisten Bewerbungen auf den Vertriebsleiter gezielt. Das war zunächst einmal ein Verstoß gegen eine „goldene Regel“:Wenn ich etwas verliere, dann bemühe ich mich um adäquaten Ersatz. Es ist erlaubt (und „menschlich verständlich“) zu versuchen, „bei der Gelegenheit“ einen Sprung nach oben zu machen und gleich „etwas Besseres“ werden zu wollen. Aber klug ist es nicht!Als Beispiel: Um besonders hoch zu springen, brauchen Sie eine uneingeschränkt stabile Absprungbasis (eine durch und durch solide erfolgreiche Laufbahn, eine ungekündigte, unbelastete Position, eine selbstbewusste, keinesfalls durch arbeitgeberseitige Kündigung „angeschlagene“ Persönlichkeit). Sie haben versucht, aus einem „Sumpf“ heraus hoch zu springen: Das geht nicht.Vielleicht konnten Sie, beeinträchtigt durch die Kündigung, die Erwartungen im Hinblick auf die Aufstiegsposition „Vertriebsleiter“ nicht erfüllen – oft schon im ersten und stets im zweiten Gespräch. Falls das so ist, müssten Sie auch künftige Aktivitäten mehr auf den – durch Kündigung verlorenen – Produktmanager-Status konzentrieren.4. Ihre Daten und Fakten sind in Ordnung, Sie bekommen irgendwann einen neuen Vertrag, also bitte nur keine Panik. Zu Ihren Optionen:a) das geht für etwa drei Monate, danach wird es verdächtig („warum nimmt den niemand“);b) ja – und von Anfang an als Übergang in Anschreiben und Lebenslauf darstellen („Zur Überbrückung bis zum Antritt einer neuen Angestellten-Position bin ich derzeit freiberuflich tätig“);c) nur wenn Sie das immer gewollt hätten, sonst bitte nicht unter diesem Druck planen (in Ihrem Alter eilt es nicht).5. Ein Zeugnis mit Kündigungsfloskel „auf eigenen Wunsch“ ist kontraproduktiv, wenn nicht am nächsten Tag ein neues Angestelltenverhältnis besteht. Sie wären damit entweder wunschgemäß arbeitslos (sehr schlecht) oder wunschgemäß freiberuflich tätig (auch schlecht, man wechselt nicht ständig zwischen „angestellt“ und „freiberuflich“, letzteres soll ja hier nur „Notnagel“ sein).6. Bewerben Sie sich jetzt als das, was Sie nachweisbar können, nicht um „Sprünge“ nach oben. Wenn die „Freiberuflichkeit zur Überbrückung“ nicht länger als sechs Monate (max. ein Jahr) andauert, wird das jeder akzeptieren.7. Natürlich wirft eine arbeitgeberseitige Entlassung immer Fragen bei einer Bewerbung auf – eine „gute Erklärung“ (Ausrede) haben schließlich auch die wegen Unfähigkeit Gefeuerten. Aber betriebliche Entlassungen sind heute auch keine Sensation mehr.Um die Karrierestufe „Vertriebsleiter“ sollten Sie sich nach etwa zwei bis drei Jahren in einer neuen Aufgabe, dann aus ungekündigter Position, bewerben. Jetzt, als Arbeitsloser, schaffen Sie den Sprung nicht.Und bitte beschäftigen Sie sich mit der Frage, warum Sie in den bisherigen Vorstellungsgesprächen nicht überzeugt haben.
Kurzantwort:
1. Eine Zeugnisformulierung „auf eigenen Wunsch“ ist schädlich, wenn die nachfolgende Station „arbeitslos“ (o. ä.) heißt.
2. Um hoch zu springen, braucht man einen festen Absprungplatz. Aus der (drohenden) Arbeitslosigkeit heraus gelingen keine Karrieresprünge.
Frage-Nr.: 1862
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 28
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2004-07-08
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