Sollte ich als ausscheidender Arbeitnehmer meinen Kollegen den Namen meines neuen Arbeitgebers nennen?
Frage:
Vor kurzem traf ich einen Ex-Kollegen, der zu einer anderen Firma gewechselt ist. Da er sich noch in der Probezeit befindet, wollte er mir seinen neuen Arbeitgeber nicht nennen. Dieses Verhalten war mir bisher neu; ich frage mich im Nachhinein nun aber, ob dies nicht doch ganz geschickt ist.
Was spricht für und wider das Verschweigen des neuen Arbeitgebers? Dass einen die Kollegen aus der alten Firma etwas schief anschauen bei diesem Verhalten, können Sie sich ja vorstellen.
Gibt es bekannte Fälle, wo der alte Arbeitgeber beim neuen angerufen hat, um den neuen Mitarbeiter anzuschwärzen? Man weiß ja, dass hier oft auch verletzte Gefühle mit im Spiel sind.
Antwort:
Jede dieser „Geschichten aus der Praxis“ ist eine wunderbare Plattform, um im Rahmen dieser Serie einem großen Publikum Informationen darüber zu vermitteln, wie das System funktioniert. Ich muss nur aufpassen, dass ich Standards als solche kenntlich mache und seltene Ausnahmen auch entsprechend kennzeichne. In diesem Sinne:
1. Standard ist, dass ein ausscheidender Arbeitnehmer a) ein gutes Verhältnis zu seinem Chef und der ganzen „alten“ Firma hat und folgerichtig b) allen Beteiligten – vom Vorgesetzten bis hin zu den Kollegen – ganz offen sagt, wohin er geht. Wenn ich schätzen müsste, würde ich sagen, dass die große Mehrheit der Angestellten so handelt.
2. Chefs – und hinter ihnen die Arbeitgeber – sind a) entweder froh darüber, einen faulen, dummen, unfähigen oder aufsässigen Angestellten los zu sein oder b) sie verlieren einen tüchtigen Leistungsträger, den sie sehr schätzen, nur ungern. Oder c) es handelt sich um einen unauffälligen Durchschnittsmitarbeiter, der nie auffiel und recht einfach ersetzt werden kann.
Die Fälle a – c sind im Sinne dieser Frage als problemlos abzuhaken. Es hätte für den Ausscheidenden nicht den geringsten Grund gegeben, den Namen des neuen Arbeitgebers zu verheimlichen. Ich schätze, dass etwa 90 % aller Kündigungen damit abgehandelt sind.
Es gibt Fälle (d), da führt die Kündigung des Mitarbeiters zu einer massiven Enttäuschung des Chefs. Sei es, dass dieser sich gerade engagiert für „seinen Mann“ eingesetzt und eine große Gehaltserhöhung oder Beförderung für ihn durchgedrückt hatte, sei es, dass der Mitarbeiter sich mitten aus einem halbfertigen Projekt davonstiehlt und einen „Haufen Probleme“ zurücklässt. Die daraus resultierende Verärgerung des Chefs kann zwar durchaus noch auf die Zeugnisformulierung durchschlagen oder auf den Tenor einer möglichen Referenz, um die irgendwann einmal ein Bewerbungsempfänger diesen – dann ehemaligen – Vorgesetzten bittet, aber so groß ist die Wut des Chefs denn auch nicht, dass er etwa aktiv tätig werden würde, um dem Mitarbeiter später noch zu schaden. Also reihen wir auch die auf 5 % geschätzten Fälle nach d in die Kategorie „hier als unproblematisch anzusehen“ (mit Betonung auf „hier“, generell gilt: der Fall d ist zu vermeiden!) ein. Dann sind 95 % der Fälle „ohne Risiko“ (bezogen auf die Namensnennung des neuen Arbeitgebers).
3. Lassen Sie mich aus allgemeiner Lebenserfahrung noch 2 % aller Fälle unter „Unwägbarkeiten“ aufführen – es geht um Menschen, deren Einfallsreichtum immer etwas unkalkulierbar bleibt. Dazu gehört auch, dass der Mitarbeiter sich über Chef und Kollegen geärgert hat und sich nun „rächt“, indem er nichts preisgibt.Es fehlen uns jetzt noch 3 % bis zur vollen Summe.
4. Etwa 2 % würde ich der Kategorie zuordnen: Der ausgeschiedene Mitarbeiter hat etwas zu verbergen. Sei es, dass er gegen eine Wettbewerbsvereinbarung verstößt, sei es, dass er beim alten Arbeitgeber eine „Leiche im Keller“ hat und unter allen Umständen vermeiden will, dass seine neuen Chefs davon erfahren. Von Problemen mit der Spesenabrechnung bis zu einer fachlichen Fehlleistung ist alles denkbar. Und sei es die belastende Tatsache, dass sein allgemeines Image als Arbeitskraft oder Mensch in der alten Firma nicht sehr gut war (vielleicht galt er bei vielen als Versager o. ä.). Hier fürchtet der Wechsler die Wahrheit oder das Gerücht.
5. In einem weiteren Prozent aller Kündigungsfälle hat ein ausscheidender Mitarbeiter seinen alten Chef oder die ganze Unternehmensleitung tatsächlich „bis aufs Blut“ gereizt und sich durch irgendein Verhalten ihrem aktiven, blanken Hass ausgesetzt. In seltenen Einzelfällen gibt es das.
Beispiele: extreme Illoyalität (von der aktiven Unterschlagung bis zum Geheimnisverrat an die Konkurrenz; manchmal gibt es bei Mittelständlern Wettbewerber, deren Namen darf man nicht einmal denken); aktive Parteinahme für den erbitterten „Todfeind“ des Chefs im innerbetrieblichen Machtkampf; Anschwärzen des Chefs wegen eines Fehlverhaltens bei der Unternehmensleitung. Damit Sie etwas zum Schmunzeln haben: Auch der Verdacht, mit der Frau des alten Chefs ein Verhältnis oder die ganze Firma beim Finanzamt angezeigt zu haben, gehört dazu.
In einem solchen Extremfall könnte(!) sich ein Chef in seiner maßlosen Wut hinreißen lassen, aktiv den neuen Vorgesetzten anzusprechen und ihn „aufzuklären“.
6. Abgesehen vom seltenen Fall einer Wettbewerbsvereinbarung (lassen Sie sich dann im Zweifel anwaltlich beraten) geht es generell weder den alten Chef noch die alten Kollegen etwas an, wer Ihr neuer Arbeitgeber ist. Sie können alles geheim halten.
Aber: Nicht nur die Kollegen (siehe diese Einsendung), auch die Chefs wundern sich über diese Abweichung vom üblichen Verhalten – und fragen sich nach dem Grund. Neugier heizt u. a. die Gerüchtebildung an und ist Stoff vieler Diskussionen über das Thema „Was mag der zu verbergen haben?“.
Kurzantwort:
Es ist normal im Sinne von Standard, dass ein ausscheidender Angestellter problemlos den Namen seines neuen Arbeitgebers nennt. Es ist zwar sein „gutes Recht“, das nicht zu tun, aber dann sollte er gute Gründe für das Ausnahmeverhalten haben. Denn er signalisiert damit: „Das Band zwischen uns ist zerschnitten.“
Frage-Nr.: 1893
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 46
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2004-11-11
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