Wann ist ein Aufbaustudium zum Dipl.-Wirtschaftsingenieur sinnvoll?
Ich bin 25 und studiere im siebten Semester Maschinenbau. Das Diplomarbeitsthema ist „in trockenen Tüchern“, ein zeitiges Ende des Studiums ist zu erwarten. Mit guten Kontakten zu einem nahmhaften (wie „Name“ ohne „h“, H. Mell) Hersteller ist eine Anstellung sehr wahrscheinlich.
Ich bin sehr an Marketing/Vertrieb interessiert und würde der Konstruktion eher den Rücken zeigen.In diesen guten Zeiten für meine Zielbranche wird es wahrscheinlich kein Problem sein, einen Arbeitsplatz zu finden. Von einigen aus diesen Reihen (?, H. Mell) hört man immer wieder, dass ein Zusatz-/Aufbaustudium der Wirtschaftswissenschaften zusätzlich zum Maschinenbau ratsam wäre. Möchte man in eine höhere Position und somit eine leitende Funktion ausüben, so wäre ein wirtschaftswissenschaftlicher Background unverzichtbar! Selbst wenn man dies nicht anstrebe, so werde man überall mit Budgets, Kostenrechnungen etc. konfrontiert.
Würden Sie nach dem Studium mit acht Semestern, bei der derzeitigen gute Lage am Arbeitsmarkt und meiner Vorliebe zum Marketing/Vertrieb empfehlen, ein solches Zusatzstudium zu absolvieren?
Antwort:
Kurz vorab: Die Geschichte mit der Konstruktion und dem „Rücken“, den Sie ihr zeigen wollen, unterstellt, dass Konstruieren die einzig denkbare Tätigkeit eines Ingenieurs ist und dieser sich für einen Job im Vertrieb fast schon entschuldigen muss. Das ist falsch! Vertrieb ist das Herz der Marktwirtschaft: Zentrales Ziel eines Unternehmens ist Gewinn. Der lässt sich nur über Umsatz erzielen, der wiederum wird im Vertrieb erwirtschaftet. Es geht notfalls ohne Konstruktion, falls Sie chinesische Komplettlieferanten finden. Aber chinesische Komplettvertreiber finden Sie eher nicht. Will heißen: Ohne Vertrieb geht gar nichts, die Konstruktion ist generell auch sehr wichtig, aber keineswegs etwa der einzige, naturgewollte Berufsweg für den Ingenieur. Das stimmt auch dann, wenn Ihr Konstruktionsprofessor das völlig anders sieht.
Vertrieb, z. B. in der Funktion eines Vertriebsingenieurs im Außendienst, lässt sich auch ohne Aufbaustudium realisieren. Aber spätestens in der nächsten Beförderungsstufe (z. B. Regionalvertriebsleiter Südbayern) geht es los mit erforderlich werdenden betriebswirtschaftlichen Zusatzkenntnissen. Die können auch autodidaktisch („learning by doing“) erworben werden, aber ein zusätzlicher Dipl.-Wirtsch.-Ing. erleichtert einem Bewerbungsempfänger bei einer Führungsposition die Entscheidung.Anders im Marketing! Zwar weiß kaum jemand so ganz genau (und eindeutig), wie man den Begriff definiert, aber fest steht: Eine solche Tätigkeit hat viel mit Planung, mit konzeptionellen Elementen zu tun, verlangt den Umgang mit diversen, dem „reinen“ Ingenieur nicht vertrauten Fachbegriffen – da ist der Absolvent eines entsprechenden Aufbaustudiums deutlich näher dran am Thema (ideal: Hauptstudium BWL, Vertiefungsrichtung Marketing). Aber selbst für den Konstrukteur/Entwickler ist BWL-Zusatzwissen immer nützlich und wird zunehmend wichtiger, wenn es um den Aufstieg zum „Leiter …“ geht.
Fazit: Aufbaustudium zum Dipl.-Wirtsch.-Ing. kann grundsätzlich niemals schaden und wird sich kaum je als vergeblich erweisen, sofern auch nur der geringste Karriereehrgeiz besteht. Auch ein künftiger Fertigungs-/Betriebs- oder QM-Leiter fährt gut damit, ein späterer Marketing-Leiter ist ohne kaum denkbar.
Die einzigen Einschränkungen:
a) Es kostet Zeit, Energie, Geld. Die muss man aufbringen können und wollen. Man kann damit als Anfänger zu alt werden (z. B. wenn man beim Start schon 29/30 ist). Möglicher Ausweg: nebenberufliches Studium.
b) Es kann dazu führen, dass man den Berufsstart in die nächste Wirtschaftskrise verschiebt – aber Genaues darüber weiß niemand.
Jetzt, geehrter Einsender, müssen Sie sich entscheiden (ich würde „es“ tun!).
Kurzantwort:
Frage-Nr.: 2193
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 6
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2008-02-06
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