Heiko Mell 02.01.2016, 00:36 Uhr

Muss ich eine Verlängerung der Kündigungsfrist akzeptieren?

Ich bin in einem deutschen Unternehmen tätig. Den Führungskräften wurde im Rahmen des Betriebsüberganges ein neuer Arbeitsvertrag angeboten, welcher u. a. eine Verlängerung der Kündigungsfrist von drei auf sechs Monate zum Quartalsende vorsieht.

Dieser Punkt ist mehrfach mit der Firmenleitung diskutiert worden, jedoch wünscht die Firma eine engere Bindung der Führungskräfte, so dass eine Beibehaltung der alten Regelung mehrfach abgelehnt wurde. Dies ist speziell für die jüngeren Kollegen nicht attraktiv, jedoch erhöht die Firmenleitung die „Motivation“, den neuen Vertrag jetzt zu unterschreiben.

Für die Führungskräfte und damit auch für mich ergibt sich nun die Frage, ob jeder für sich die neue Kündigungsfrist akzeptiert oder den alten Vertrag beibehält und ggf. mittelfristig das Unternehmen verlässt.

In mehreren Ihrer Ausführungen gehen Sie auf die Konsequenzen einer solch langen Kündigungsfrist ein und diskutieren die Möglichkeiten für den Arbeitnehmer, falls er in einem kürzeren Zeitraum die Firma verlassen möchte. Sie beschreiben jedoch nicht die (monetären) Konsequenzen, falls der Arbeitnehmer von sich aus einseitig den Arbeitsvertrag mit einer verkürzten Kündigungsfrist kündigt, woraufhin der Arbeitgeber dem widerspricht und der Arbeitnehmer trotzdem seine neue Stelle antritt.

Antwort:

Wie immer die Einleitung, dass dies keine Rechtsberatung sein kann und sein darf. Auch weiß ich nicht, wie Gerichte in einem solchen Fall entscheiden.

Aber ich weiß, warum hier noch nie über diese von Ihnen ins Spiel gebrachten Methode „Ich verlasse das Unternehmen, wann es mir passt“ gesprochen wurde: Das wäre – nach meiner unmaßgeblichen Meinung in juristischen Fragen – Rechtsbruch, Vertragsverletzung, unrechtmäßiges Verhalten, suchen Sie sich etwas aus. Es ist schlicht das Ende aller Kalkulierbarkeit, wenn jeder jedem gegenüber erklärt, er denke gar nicht daran, sich an von ihm unterschriebene Verträge zu halten. Wer heute seine vereinbarte Frist nicht einhält, bestellt morgen ein Auto und verblüfft bei Lieferung den Händler mit der Anmerkung, er gedenke, nur die Hälfte des vereinbarten Preises zu zahlen. Das wäre das Ende unseres Wirtschaftssystems.

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Wer bei der Kündigung entgegen den Bestimmungen des unterschriebenen Vertrags einfach zu einem willkürlich von ihm festgesetzten Zeitpunkt ausscheidet, hat ein Zeugnis „verdient“ mit dem Schlusssatz: „Leider wurde er gegen Ende seiner Beschäftigung grob vertragsbrüchig. Wir haben Schadenersatzklage erhoben.“ Nun könnten Sie wieder dagegen klagen, aber richtig wäre die Formulierung ja. Und eventuell telefonisch eingeholte Referenzen in drei Jahren brächten vermutlich eine ähnliche Aussage. Wie hoch der Schadenersatz ist, interessiert mich nicht, ich würde weder bei großer, noch bei kleiner Summe zu diesem Weg raten. So etwas kommt nicht in Frage.

Abschließend dazu noch dieser Hinweis: Was meinen Sie, wie „glücklich“ der neue Arbeitgeber ist, wenn er erfährt, wie Sie beim alten mit Ihrer vereinbarten Kündigungsfrist umgegangen sind? Bei dem neuen Chef schrillen sämtliche Alarmglocken! Und es könnte den Personalleiter o. Ä. der alten Firma durchaus reizen, dem Kollegen der neuen diese Information auch ungefragt zu geben (z. B. bei einem Wechsel im engeren Regionalbereich, in dem man sich kennt).

Dabei stehe ich in der Kernfrage durchaus auf Ihrer Seite: Die Frist ist so lang, dass sie Ihre Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt deutlich beschneidet. Im Extremfall sind das neun Monate, sagen wir im Mittel 7,5. Ich kenne viele Fälle, in denen neue Engagements daran gescheitert sind.

Auch aus der Sicht Ihres heutigen Arbeitgebers ist das Vorhaben durchaus diskussionswürdig. Wenn man seine Führungskräfte nur deshalb noch hat, weil ihre Fluchtversuche bisher an einer extrem langen Kündigungsfrist gescheitert sind, ist das doch eher weniger rühmlich.Zumeist geht es gar nicht um eine „engere Bindung der Führungskräfte“. In Wirklichkeit spielen diese Argumente eine Rolle:

1. Viele Abwanderungsversuche werden im Keim erstickt, weil Kollegen auf dem Markt gescheitert sind und sich das im Hause herumspricht.

2. Praktisch entscheidet der alte Chef, wer geht: Meist wird der neue Arbeitgeber an einem früheren Eintritt interessiert sein und das sogar zur Bedingung machen. Dann kann der alte Chef entscheiden, ob er dem zustimmt oder nicht. Lehnt er das ab, platzt der neue Vertrag und der Mitarbeiter muss bleiben.

Bitte fragen Sie mich nicht, warum Firmen so viel Angst entwickeln, ihre Manager könnten in Scharen davonlaufen. Wo sie doch blieben, behandelte man sie gut.

Damit kein Missverständnis entsteht:Wird beim Arbeitgeberwechsel ein neuer Vertrag angeboten, der eine lange Kündigungsfrist enthält, ist alles in Ordnung: Der Bewerber kann frei entscheiden, ob er unterschreibt oder nicht.

Wenn der interne Aufstieg mit einem neuen Vertrag verbunden ist, der eine längere Kündigungsfrist enthält – wie sie für die angestrebte hierarchische Ebene üblich ist -, hat der Mitarbeiter ebenfalls die freie Wahl.

Wird aber ohne Aufstieg im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine sehr lange (7,5 Monate) Kündigungsfrist statt der bisher deutlich kürzeren angeboten und wird Druck ausgeübt, das zu akzeptieren, fühlt sich der Mitarbeiter verständlicherweise nicht sehr wohl dabei. Gegebenenfalls muss er einen Arbeitgeberwechsel erwägen.

Kurzantwort:

Verträge müssen gehalten werden. Wenn Sie eine ungünstig lange Kündigungsfrist unterschrieben haben, kommt beim Ausscheiden eine einseitig erklärte Verkürzung auch dann nicht in Frage, wenn Sie sich das etwas „kosten“ lassen würden.

Frage-Nr.: 2241
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 56
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2008-07-30

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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