Sollte ich eine Kündigung aus betrieblichen Gründen im Bewerbungsanschreiben erwähnen?
Mir wurde aus betrieblichen Gründen gekündigt. Soll ich das in das Bewerbungsanschreiben mit hineinbringen oder lieber bleiben lassen?
Antwort:
1. Das Ideal einer Kündigung sieht so aus: Der Arbeitnehmer kündigt selbst („scheidet aus auf eigenen Wunsch“), der Arbeitgeber bedauert den Verlust, er hätte den Mitarbeiter lieber behalten. Dieses Ideal ist anzustreben. Was auch bedeutet: Droht eine arbeitgeberseitige Kündigung, geht der vorsichtige Arbeitnehmer lieber vorher selbst (nachdem er sich einen neuen Job besorgt hat!).
2. Demgegenüber ist jede Art von arbeitgeberseitiger Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich kritisch zu sehen, sie belastet den „Marktwert“ des Bewerbers. Hintergrund ist der Verdacht, der Arbeitgeber hätte den Mitarbeiter z. B. wegen unzureichender Leistung, renitenten Verhaltens oder überdurchschnittlicher Fehlzeiten loswerden wollen. Daher kommt der plausiblen Begründung der arbeitgeberseitigen Entlassung eine besondere Bedeutung zu. Die viel zitierten „betrieblichen Gründe“ allein reichen nicht aus, um alle erwähnten Verdachtsmomente zu entkräften. In Zeugnissen darf eine Wahrheit, wenn sie nicht schmeichelhaft ist, ja nicht stehen – ein Arbeitgeber, der einen Mitarbeiter aus oben genannten Gründen loswerden will, bescheinigt oft problemlos „betriebliche Gründe“, damit der Gefeuerte „Ruhe gibt“. Damit verliert der Begriff an Glaubwürdigkeit.
3. Unabhängig davon, wer wem aus welchem Grund gekündigt hat: Zum idealen Bild des Arbeitnehmers gehört auch, dass dieser sich aus ungekündigtem Arbeitsverhältnis sowie ohne (Zeit-)Druck bewirbt – und sich frei für den potenziellen neuen Arbeitgeber entscheiden kann (weil er beim alten Unternehmen bleiben und in Ruhe weitersuchen könnte, wenn ihm das neue Angebot nicht gefiele). Angestrebt wird also im Verhältnis von Bewerber zu Bewerbungsempfänger eine „Liebesheirat“, keine unter Existenzängsten geschlossene verzweifelte „Versorgungsehe“.
4. Daraus folgt: Wenn es möglich ist(!), sollte die schriftliche Bewerbung den Druck, der allein durch die Tatsache eines bereits gekündigten Arbeitsverhältnisses besteht, nicht in aller Deutlichkeit erkennen lassen. Möglich ist das, wenn zum Zeitpunkt der Bewerbung der Endtermin des Arbeitsverhältnisses etwa mindestens noch vier Wochen (besser mehr) in der Zukunft liegt.
Beispiel: Ihnen wurde zum 30.04. gekündigt. Als Begründung wird Rationalisierung/Personalabbau genannt. Im Zeugnis werden später die „betrieblichen Gründe“ stehen. Dann könnten Sie beispielsweise am 28.02. schreiben:
„Meine Bewerbung erfolgt auch im Zusammenhang mit umfassenden Rationalisierungsaktivitäten meines Arbeitgebers, die mit einem deutlichen Personalabbau verbunden sind. An der von Ihnen ausgeschriebenen Position reizen mich besonders … Ein Eintritt bei Ihnen ist, wenn Sie das wünschen, sicher auch kurzfristig möglich.“
Sie hätten damit den Grund für Ihr bevorstehendes Ausscheiden angedeutet, aber Ihre Drucksituation nicht offengelegt. Der Leser kann denken, Sie orientierten sich vorsichtshalber neu oder auch: „Na ja, wer weiß schon, wie stark der Druck auf ihn wirklich ist, vielleicht ist auch schon klar, dass er gehen muss. Reden wir mal mit ihm.“ Wichtig dabei: Sie haben nicht gelogen, keine falsche Aussage gemacht. Und von „Kündigungsfrist“ dürfen Sie nach erhaltener Kündigung nicht mehr sprechen – Sie haben keine mehr. Daher die vorgeschlagene Formulierung.
Beim Vorstellungsgespräch sollten Sie dann unter allen Umständen Farbe bekennen und die arbeitgeberseitige Kündigung offenlegen. Wegen der vorgeschlagenen Formulierung im Anschreiben gelingt Ihnen die Überleitung dazu recht einfach: „Ich hatte Ihnen ja schon geschrieben, dass bei uns in größerem Stil abgebaut wird. Auch ich habe die Kündigung aus betrieblichem Grund erhalten.“ Im Normalfall wird der Personalleiter dann noch nicht einmal fragen, wann genau Ihnen die Kündigung ausgehändigt wurde. Er ahnt die Zusammenhänge – aber er weiß auch, wie schwierig die Situation insgesamt für Sie ist. Manchmal will er auch gar nicht alles wissen – Personalchefs sind schließlich auch Menschen.
5. Wenn der letzte Arbeitstag unmittelbar bevorsteht oder wenn er schon vorbeigegangen ist, dann gilt für Bewerbungen:
a) die Beschäftigungszeit muss im Lebenslauf bei diesem Arbeitgeber bereits mit einem Enddatum angegeben werden;
b) besteht schon Arbeitslosigkeit (und sei es einen Tag), erwartet der Bewerbungsempfänger zu Recht ein Arbeitgeberzeugnis; dort schaut er insbesondere auf die Umstände des Ausscheidens; hat der Arbeitgeber es versäumt, das Endzeugnis rechtzeitig fertigzustellen, dann erwartet der Bewerbungsempfänger zumindest ein zeitnahes Zwischenzeugnis;
c) im Anschreiben ist die Situation „wahrheitsgemäß“ zu erläutern; „wahr“ ist- was in der Aussage vom Zeugnis gedeckt wird,- was im Rahmen des Vertretbaren einen guten Eindruck macht und von dem das Gegenteil nicht beweisbar ist.Dabei geht man allgemein davon aus, dass Fakten absolut korrekt zu schildern sind. Bei Hintergründen, Zusammenhängen, Ursachen und Begründungen neigt der Mensch dazu, das Bild in seinem Sinne zu schönen. Das weiß auch der Leser, der dann seinerseits nicht alles glaubt, aber beispielsweise anerkennt, das sei eine gute, glaubhafte Geschichte, mit der er leben könne.
d) Stehen im Zeugnis „betriebliche Gründe“ im Zusammenhang mit der arbeitgeberseitigen Entlassung (alles, was nicht ausdrücklich mit der Formulierung „auf eigenen Wunsch“ versehen wird, ist eine arbeitgeberseitige Kündigung), dann ist das etwas besser als eine „nackte“ (begründungslose) arbeitgeberseitige Kündigung, aber es ist noch nicht wirklich gut und entlastend.
Letzteres gilt erst bei folgender Formulierung (Beispiel):
„… sahen wir uns leider gezwungen, das Arbeitsverhältnis mit Herrn/Frau … zum … aufzulösen. Wir betonen ausdrücklich, dass hierfür ausschließlich zwingende unternehmerische Gegebenheiten maßgeblich waren und dass diese Maßnahme in keiner Weise mit den Leistungen oder der Person von Herrn/ Frau … im Zusammenhang steht. Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden sehr, danken ihm/ihr für seine/ihre wertvolle Mitarbeit und wünschen …“
Steht so etwas in der Art im Zeugnis, reicht eine Formulierung im Anschreiben wie: „Leider sah sich mein Arbeitgeber aus rein wirtschaftlichen Gründen zu erheblichen Personalreduzierungen gezwungen, von denen auch ich betroffen bin. Er bescheinigt mir ausdrücklich, dass weder meine Leistungen noch meine Person mit dieser Maßnahme im Zusammenhang stehen (siehe Schlussbemerkung im Zeugnis).“
Stehen nur die „schmucklosen“ betrieblichen Gründe im Zeugnis, sollten Sie im Anschreiben eine Entlastung von dem Verdacht versuchen, Sie allein seien gefeuert worden und die „betrieblichen“ Argumente seien nur vorgeschoben. Beispiel: „Mein Arbeitgeber sah sich aus wirtschaftlichen/unternehmerischen/ strategischen/geschäftspolitischen (nach Wahl) Gründen zu erheblichen Restrukturierungs- und damit verbundenen Personalabbaumaßnahmen gezwungen. Davon sind in meiner Abteilung fünf Mitarbeiter betroffen (Sozialauswahl), der verbleibende Rest wird zum Nachbarbereich verlagert. Daher suche ich eine neue Position, in die ich insbesondere meine fundierten Kenntnisse im Bereich … einbringen kann.“
Vergleichen lässt sich die Belastung des Marktwertes mit einem Gebrauchtwagen, der z. B. größere Lack- oder kleinere Unfallschäden hat: Er geht nicht mehr für einen Spitzenpreis weg, aber bleibt ein Wagen, der für andere einen Wert hat.
Frage-Nr.: 2272
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 46
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2008-11-12
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