Heiko Mell 02.01.2016, 02:28 Uhr

Wie sollten Sie sich bei einer Abmahnung vom Arbeitgeber verhalten?

Ich habe von meinem Arbeitgeber (Konzern) ein Verwarnungsschreiben aufgrund meines Verhaltens bekommen. Ich arbeite dort als Projektmanager. Die wichtigsten Passagen:

„Wie bereits in vorangegangenen Gesprächen erläutert, sind wir mit Ihrem Verhalten nicht einverstanden. Auch in einem Kritikgespräch und in jedem Ihrer Mitarbeitergespräche war dies ein Thema. Da diese Gespräche keine längerfristige Verbesserung Ihres Verhaltens zur Folge hatten, sehen wir uns bedauerlicherweise zu diesem Schritt gezwungen.

Wiederholt ist Ihr Auftreten und Verhalten gegenüber Arbeitskollegen von mangelndem Respekt und einem unakzeptablen Umgangston geprägt, sowohl im Gespräch wie auch im E-Mail-Kontakt. Ausfällige Bemerkungen und ungerechtfertigte Angriffe gegenüber Ihren Kollegen führen immer wieder zu schwierigen Situationen und erschweren eine respektvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit sehr. Entsprechende Beschwerden sind in mündlicher und schriftlicher Form bei Ihrem Vorgesetzten eingegangen.

Ebenfalls hat es bereits wiederholt Reklamationen von Kunden bezüglich Ihres Auftretens und Verhaltens gegeben. In einem Fall führte das dazu, dass der Kunde Sie als Kontaktperson nicht mehr akzeptiert und dass daher die Kundenbesuche durch Ihren Vorgesetzten wahrgenommen werden müssen. Dies beeinträchtigt Sie in der Ausübung Ihrer Aufgabe auf einen für diese Funktion nicht haltbaren Level und ist somit für unser Unternehmen nicht tragbar.

Wir erwarten von Ihnen, dass Sie ab sofort …

Sollte sich Ihr Verhalten auch in Zukunft nicht nachhaltig bessern, werden wir das Anstellungsverhältnis mit Ihnen auflösen.“

Ich gerate nicht zum ersten Mal in eine derartige Situation. Vor einigen Jahren hatte ich bereits ein Coaching, eine Persönlichkeitseinschätzung ergab „stark dominant“ und gleichermaßen „stark initiativ“. Es hatte sich die Notwendigkeit gezeigt, etwas in den Bereichen Körpersprache, Kommunizieren, Ebenen der Kommunikation, Verhalten etc. zu verbessern. Ich hatte dazu dann auch ein Seminar (Soft skills, 120 Einheiten à 45 min.) besucht, was wohl nicht ausreichend war in der derzeitigen Situation (Stress, Mobbing im Team). Erwähnenswert finde ich, dass ich hier in 2,5 Jahren 6 Vorgesetzte hatte.

Was können Sie mir empfehlen? Mit welchen finanziellen Aufwendungen muss ich rechnen, um die Ursachen zu bekämpfen? Gibt es Seminare oder Bücher, die speziell diese Themen berühren?

Antwort:

1. Sie wissen es selbst: Es ist „ein paar Sekunden vor 12“ – von fünf Minuten kann man schon nicht mehr sprechen. Werden Sie aus diesen Gründen gefeuert, stellt Sie kein(!) Arbeitgeber jemals wieder ein, so er die Wahrheit wüsste. Es wäre aber auch nicht schön, akzeptieren zu müssen, dass man nur auf der Basis falscher Angaben beruflich weiter existieren kann.

2. Mir liegen keine weiteren Detailinformationen vor, ich kann also nichts dazu sagen, was Sie da anstellen. Aber das Abmahnungsschreiben und die angedeutete Vorgeschichte sprechen für sich. Lassen Sie alle Gedanken an zu viele Vorgesetztenwechsel und gar „Mobbing im Team“ vollständig weg. Das vernebelt nur den Blick auf die Ursache und die einzig mögliche Lösung (falls es denn überhaupt noch eine gibt): Es liegt allein an Ihnen und bei Ihnen – alles andere sind Ausreden.

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3. Ich bin weder Psychiater, noch Verhaltenstherapeut. Aber selbst dann würde man weder eine Diagnose, noch eine Therapieempfehlung aus der Ferne auf der Basis dieser dünnen Informationen geben können. Bücher und Seminare werden Ihnen nicht helfen, da muss sich schon ein Fachmann über Monate bis Jahre in intensiven Einzelsitzungen konzentriert mit Ihnen beschäftigen.

4. Der Mensch wird durch seine Erbanlagen und durch die Einwirkungen seiner Umwelt in früher Kindheit und Jugend geprägt. Was da begründet ist, lässt sich später zwar oft verbessern, aber sich nicht so weit „hinbiegen“, dass Sie eines (ohnehin fernen) Tages wie ein durchschnittlicher Mensch in dieser Umgebung problemlos mit starken Belastungen fertig werden, aufsteigen und andere Menschen führen können. Außerdem enthält Ihr Werdegang mit Sicherheit bereits Hinweis auf solche Probleme (Arbeitgeberwechsel, Zeugnisse), Sie können vielleicht eines Tages mit Ihrem Verhalten leben, ganz los werden Sie die daraus resultierenden Belastungen vermutlich nie.

5. Auffällig an Ihrem Bericht sind zwei Aspekte: Es gibt keinen Hinweis auf Krach mit dem Vorgesetzten – geredet wird immer nur von Kollegen. Und dann der Ärger, den Sie beim Kunden gemacht haben. Natürlich gibt es „unmögliche“ Kunden, etwa arrogante, bösartige und ungerechte – aber in Ihrem Job weiß man doch, dass man sich mit Kollegen möglichst nie, mit Kunden aber überhaupt niemals, unter keinen Umständen so anlegt, dass die den weiteren Kontakt mit Ihnen ablehnen. Das war unprofessionell und ist praktisch unentschuldbar.

6. Unabhängig von allem anderen glaube ich, dass eine echte, langfristige Lösung nur mit diesem Denkansatz möglich ist: Sie haben in bestimmten Situationen unter bestimmten Umständen Ausfälle. Therapie hin oder her – Wiederholungsgefahr besteht. Also sollten Sie langfristig versuchen, Ihre gesamte berufliche Umgebung völlig „anders“ zu gestalten. „Anders“ als zentrales Kriterium, denn so wie heute, das ist nichts für Sie. Wenn Sie also heute kundenorientiert im internationalen Großkonzern tätig und stark teamorientiert wären, dann könnte ein Job als fachlich geforderter Spezialist im öffentlichen Dienst (ein fiktives Beispiel) Besserung versprechen (eben so „anders“ wie möglich). Da nach wie vor gilt „Sie tun es immer wieder“, besteht Wiederholungsgefahr, wenn man nicht die betroffenen Menschen (extrem schwierig) oder die auslösende Umgebung verändert.

Ich rate also dringend zu einer weitreichenden Änderung Ihrer bisherigen beruflichen (Karriere-)Pläne. Sie müssen sich auf Ihre Belastung einstellen – so wie Sie auch eine Krankheit akzeptieren müssten. Dennoch sollten Sie selbstverständlich energisch an sich arbeiten – aber rechnen Sie nicht mit Wundern.

7. Ich rate konkret zu einer Doppelstrategie:

a) Ihr Arbeitgeber erwartet Einsicht, Reue, Fehlereingeständnis, erkennbares engagiertes(!) Bemühen um Verhaltensänderung bei Ihnen, sonst feuert er Sie. Dann wären Sie beruflich weitgehend „tot“ oder zu riskanten Lügen gezwungen. Also vergessen Sie alles, was Sie über Mobbing, Vorgesetztenwechsel und unmögliche Kollegen denken, nehmen Sie die Schuld auf sich und versuchen Sie, Ihren Job zu retten. Selbst sofortiges freiwilliges Ausscheiden wäre nutzlos, Sie würden Ihre Probleme und ein kritisches Zeugnis mitnehmen.

Reden Sie erst mit dem Chef in diesem Sinne, dann – nach Abstimmung mit ihm – sprechen Sie die Kollegen aktiv an (Einsicht, Reue, Fehlereingeständnis usw.). Es geht um Ihren Kopf.

Dann zwingen Sie sich, dementsprechend ein Jahr vorbildlich im Sinne des Arbeitgebers zu „funktionieren“. Das geht, andere können das auch. Aber es wird harte Arbeit für Sie.

Nebeneffekt: Während Sie sich zur Verhaltensänderung zwingen (obwohl Sie vielleicht am Anfang nur den Einsichtigen spielen), üben Sie ein Auftreten als normaler, unauffälliger Angestellter. Bleiben Sie dabei, egal was geschieht. Insbesondere den – Ihnen noch zur Betreuung verbliebenen – Kunden gegenüber ist bitte Ihr Einsatz vorbildlich, Ihr Verhalten muss in jeder Minute uneingeschränkt in einem Lehrfilm über beispielhafte Kundenbetreuung gezeigt werden können. Die Kollegen bekommen in Ihnen einen freundlichen, aufgeschlossenen Teamplayer. Und der Chef sieht einen Angestellten, der unermüdlich zur Erfüllung der ihm gesetzten Ziele rackert. Vorbildlich rackert.

Das halten Sie erst einmal sechs Monate ohne weitere Maßnahmen durch.

b) Dann, im Rahmen der darauf folgenden sechs Monate, kombinieren Sie vorbildliches Verhalten mit externen Bewerbungen. Um einen „anderen“ Job in möglichst „anderem“ Umfeld. Z. B. ohne Kundenkontakt – wer keine Kunden trifft, kann auch keine anpöbeln.

Die ersten sechs Monate helfen Ihnen auch herauszufinden, wo Ihnen das neue Verhalten leichtfällt und wo Ihre neue Umgebung besonders „anders“ sein sollte. Die neue Position wird geringwertiger sein als die heutige. Sie haben auf Ihrer Autobahnfahrt rechts und links die Leitplanken touchiert. Das kostet. Punkt. Und den Preis bezahlen Sie, das System sieht das so vor.Beim heutigen Arbeitgeber zu bleiben, ist leider sinnlos. Sie haben dort den Stempelaufdruck „wird ausfällig gegenüber Kunden(!) und Kollegen“, das lässt sich nicht abwaschen. Aber mit Glück erkennt der Arbeitgeber Einsicht + Reue an und verabschiedet Sie im Guten mit gutem Zeugnis. Parallel arbeiten Sie mit einem guten Therapeuten, recherchieren Sie einmal in dieser Branche.

Als Sofortmaßnahme: Zwingen Sie sich, auf jede von Ihnen als solche empfundene Provokation keinesfalls spontan, sondern stets erst nach einer „darüber geschlafenen Nacht“ zu reagieren. Auch das geht, so man will.

Kurzantwort:

Frage-Nr.: 2339
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 31
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2009-07-29

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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