Sollte ich als Bachelor den Master machen oder lieber praktisch arbeiten?
Ich bin Maschinenbaustudent (23) an einer Fachhochschule und parallel Auszubildender im gewerblichen Bereich.
Im nächsten Jahr werde ich voraussichtlich meinen Bachelorabschluss erhalten. Für mich stellt sich die Frage, ob ein konsekutiver (bei dem der zweite auf dem ersten aufbaut, H. Mell) Studiengang mit dem Abschluss Master of Engineering Sinn macht.
Diesbezüglich sprach ich mit verschiedenen leitenden Personen in unterschiedlichen Unternehmen. Unterschiedliche Antworten waren die Folge. Das Unternehmen, in dem ich parallel zum Studium angestellt bin, ist der Meinung, für mich würde der „Zusatztitel“ nicht direkt hilfreich sein, da die Leistung im Unternehmen ausschlaggebend sei. Das sehe ich auch vollkommen ein, es ist auch für mich einleuchtend.
Was passiert jedoch, wenn in meinem knapp 45 Jahre dauernden Berufsleben der eine oder andere Unternehmenswechsel erforderlich wird? In diesem Fall hörte ich, dass bei Neueinstellungen der Master wohl dem Bachelor vorgezogen werden würde, was auch logisch ist.
Der Aufbaustudiengang zum Master würde in meinem Falle nur zwei Semester + Masterarbeit in Anspruch nehmen. Mein Unternehmen rät mir, dass ein Jahr Berufserfahrung mehr „wert“ wäre als die aufzuwendende Zeit für den Master.
Wer blickt bei den ganzen Abschlüssen überhaupt noch durch?
Antwort:
Zur letztgestellten Frage zuerst: vermutlich niemand, jedenfalls kenne ich keinen „Durchblicker“.
Bleiben wir bei Ihnen: Eine Besonderheit Ihres Studiums ist die gleichzeitige Anstellung bei einem Unternehmen, in der Sache ist das ebenso unerheblich wie Ihre parallel dazu laufende gewerbliche Ausbildung.
Wir haben es beim zentralen Thema mit zwei gegenläufigen Interessen zu tun: Sie machen sich (Glückwunsch dazu) Gedanken um Ihre Zukunft. Ihr arbeitgebendes Unternehmen sieht vor allem das Loch, das ein geschätzter (Glückwunsch auch dazu) Mitarbeiter reißen würde, der in Kürze einen Ingenieur-Arbeitsplatz hervorragend ausfüllen könnte, aber leider nicht bleibt, weiter studiert – und danach vielleicht zu anderen Arbeitgebern geht (weil junge Menschen die fatale Tendenz zeigen, nicht dorthin zu gehen, wo man in der Vergangenheit besonders viel für sie getan hat, sondern schlicht dem lukrativsten Angebot zu folgen).
Beide Parteien denken egoistisch, beide müssen so handeln und sind – wie so oft – darin einander würdig.Das Unternehmen hat in einem Punkt recht: Mit einem Jahr Bachelor-Praxis (auf der Basis Ihrer dort absolvierten Ausbildung) wären Sie in diesem Hause erst einmal weiter als ein x-beliebiger frischgebackener Master. Und es kann durchaus sein, dass bei weiterem Verbleiben dort Ihr Vorsprung für viele Jahre erhalten bliebe. Dass Sie dann eines Tages weggehen könnten und wie Sie dann daständen auf dem Markt, interessiert das Unternehmen nicht.
Dass Sie gehört haben, man würde generell bei Neueinstellungen den Master vorziehen, ist falsch: Es kommt auf die Position, auf die Tätigkeit an. In Kürze wird es Stellen für Bachelors geben und solche für Master. Es wird auch Überschneidungen geben, so wie heute gelegentlich in Anzeigen steht „(FH/TH)“.
Generell sehe ich es so:
- Der Master ist „mehr“, sein Studium ist anspruchsvoller, er passt besser zu gehobenen Karriereambitionen. Er wird grundsätzlich die „ingenieurmäßig“ anspruchsvolleren Positionen bekleiden, seine Ausbildung befähigt ihn stärker für Aufgaben im entwickelnden, planenden, schöpferischen, auch wissenschaftlich ausgerichteten Bereich.
- Es ist nicht(!) vorgesehen, dass alle Bachelors anschließend den Masterabschluss anstreben. Bachelor ist ein „fertiger“ Abschluss, für den es passende Jobs geben wird.
- Einen Uni-Bachelor allein halte ich nicht für erstrebenswert. Er wird Ausnahme bleiben für diejenigen, die den Uni-Master nicht schaffen würden. Und er wird schlechte Noten haben!
- Unabhängig von Uni-/FH-Fragen ist ein alleiniger Bachelor-Abschluss mit „sehr gut“ nicht sinnvoll, hier sollte der Master unbedingt folgen.
- Beim „guten“ Bachelor-Abschluss sollte der Master folgen (es fehlt „unbedingt“).
- Beim „befriedigenden“ Bachelor-Abschluss wird das Risiko eines schwachen Master-Examens erkennbar. Wer sich das Weiterstudium zutraut, sollte die Gewissheit haben, dass er besser wird, wenn die Anforderungen steigen (das ist riskant!).
Diese Empfehlungen sind pauschale Richtwerte, die nicht jedem Einzelfall gerecht werden müssen – und können. Ganz wichtig: Dies ist die private Meinung dieses Autors, keine Verlautbarung des VDI oder der VDI nachrichten.
In Ihrem Fall, geehrter Einsender, riskiere ich einmal etwas: Ich vermute, Sie sind ein intelligenter, auch ehrgeiziger junger Mann, der aus einem eher nichtakademischen Elternhaus kommt. Sie werden mindestens einen „guten“ Bachelor machen, ich tippe – ohne weitere Informationen als diesen Brief zu haben – auf 1,x. Also dann, auf geht’s zum Master.
Ach noch etwas: „Master“ ist kein „Titel“, er steht für ein bestimmtes Qualifikationsniveau. Wenn schon, ist er ein akademischer Grad. Ein Master ist, was er ist, weil er ein bestimmtes Studienniveau absolviert hat. Seine Bezeichnung ist nur das Aushängeschild dafür. Ein Titel ist z. B. „Direktor“.
Kurzantwort:
„Holen Sie heraus, was in Ihnen steckt, aber quälen Sie sich nicht mit für Sie zu hoch gesteckten Zielen“, das ist sicher nicht der schlechteste Rat, wenn ein Student Entscheidungshilfe sucht. Oder: Würden alle Studenten beim Bachelor aufhören, stünde das Land vorm Ruin (weil eine Qualifikationsebene fehlte), würden alle Bachelors den Master anstreben, wäre es der Ruin der Hochschulen.
Frage-Nr.: 2361
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 43
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2009-10-23
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