Heiko Mell 02.01.2016, 07:03 Uhr

Führungsproblem ohne Ausweg?

Ich arbeite seit sehr vielen Jahren bei einem großen internationalen Konzern (Entwicklung) und bin im Grunde mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Auch die seit mehreren Jahren gegebene Managementposition (Leitung einer mittelgroßen Abteilung) machte mir zunächst viel Freude und bescherte mir manchen Erfolg.

Allerdings haben sich zuletzt die Dinge geändert, ausgelöst dadurch, dass ich bei einem Mitarbeiter ein Leistungsdefizit angesprochen habe. Der nun wehrt sich mit allen Mitteln und versucht, mich zu demontieren. Leider hatte ich mit ihm in der Vergangenheit auch privaten Kontakt außerhalb des Unternehmens.

Nun hat dieser Mitarbeiter sich beim Betriebsrat beschwert und dabei angegeben, dass es bei mir in der Abteilung fürchterlich zugeht, im Sinne etwa von: Ich würde willkürlich managen.

Es wurden andere Beschwerden von Mitarbeitern beim Betriebsrat herangezogen, die bestätigen sollen, was angeblich alles passiert sein soll.

Mein Bereichsleiter hat sich des Falles nun angenommen und wurde investigativ (etwa „nachforschend“, H. Mell) tätig – ohne Erfolg. Für die Beschwerden fand sich keine Bestätigung, ein Meeting mit den Teamleitern und Vertrauensleuten (der Gewerkschaft, H. Mell) ergab auch kein anderes Bild als dasjenige, das meine Vorgesetzten seit vielen Jahren von mir hatten. Ja, in der Abteilung gebe es auch mal klare Ansagen und das sei auch manchmal nötig, war die Aussage eines Teamleiters. Aber weder ich noch meine Vorgesetzten stufen das als schlecht ein.

Der Betriebsrat schürt nun immer weiter und stellt meine Kompetenz infrage. Nun habe ich besagtem Mitarbeiter gemeinsam mit dem Teamleiter seine Aufgaben und meine/unsere Erwartungen erläutert. Dabei habe ich darauf hingewiesen, dass ich einmal pro Woche mit ihm gemeinsam seine Aktivitäten besprechen möchte, um sicherzustellen, dass das richtige Maß getroffen und keine Überforderung gegeben ist.

Weiter habe ich gesagt, dass er sich, wenn er das Betriebsgelände verlässt (z. B. in der Mittagspause), beim Teamleiter abmelden soll. Das wurde nun vom Betriebsrat an den Bereichsleiter gebracht: Es sei ein Managementstil nach Gutsherrenmanier; damit einher ging die Drohung, ich schade der Würde des Mitarbeiters.

Bei meinem Bereichsleiter sehe ich ein irgendwie unbalanciertes Bild; die Angst vor dem Betriebsrat scheint sehr groß zu sein. Ich habe versucht, mit dem Betriebsrat ein vertrauliches Gespräch zu führen (im Sinne einer Deeskalation). Der Betriebsrat hat sich aber nicht gemeldet bzw. ging nicht ans Telefon.Das einzig Positive war, dass ein Mitglied der Geschäftsführung sich nach einem Gespräch mit mir bei meinem Bereichsleiter sehr stark für mich gemacht hat.

Insgesamt ist es sehr schwer für mich, mit der Situation umzugehen; ich sehe vor allem einen massiven negativen Einfluss auf die Mitarbeiter der Abteilung.

Eine Versetzung des Mitarbeiters ist nicht gelungen, da es keine Abteilung gibt, die ihn nimmt – seine Einstellung zur Arbeit ist bekannt.

Für mich ist das eine „Dead-lock“-Situation (völliger Stillstand, ausweglose Situation, H. Mell), die mich extrem, auch körperlich, belastet und in der ich kaum einen Ausweg sehe.

Gibt es eine Lösung?

Antwort:

Zunächst eine Anmerkung, die einfach sein muss: Wir lesen hier die Aussage nur einer Partei, selbstverständlich subjektiv gefärbt und durch die inzwischen eingetretene psychische Belastung geprägt: Es muss dies alles keinesfalls die objektive Wahrheit sein – wenn es die inzwischen überhaupt noch gibt. Insofern muss auch mein Beitrag zur Lösung nicht objektiv richtig sein (wenn wir aber auch noch mehrseitige schriftliche Stellungnahmen des Bereichsleiters, des betroffenen Mitarbeiters, des Betriebsrats, der gewerkschaftlichen Vertrauensleute und möglichst auch noch der Geschäftsführung vorliegen hätten, wären wir über Monate hinaus damit beschäftigt). Wie immer in diesen Fällen nehme ich keine rechtliche Bewertung vor, sondern gebe Denkanstöße – die vor allem möglichst vielen Lesern Nutzen bringen sollen. Auf dieser Basis:

1. Die Situation ist eskaliert, der Fall hat eine Eigendynamik entwickelt; um den eigentlichen Kern, die Anmahnung von „mehr Leistung“ bei einem Ihrer Mitarbeiter, geht es längst nicht mehr. Dieser Kern ist inzwischen so unwichtig wie der Schneeball, der eine Lawine ausgelöst hat. Selbst wenn es gelingt, aus einer solchen den verursachenden Ball herauszuholen, tobt die Lawine weiter.

Top Stellenangebote

Zur Jobbörse
DLG TestService GmbH-Firmenlogo
Prüfingenieur (m/w/d) Fahrzeugtechnik / QMB DLG TestService GmbH
Groß-Umstadt Zum Job 
GKS-Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt GmbH über dr. gawlitta (BDU)-Firmenlogo
Geschäftsführer (m/w/d) bei einem Unternehmen der Energiewirtschaft GKS-Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt GmbH über dr. gawlitta (BDU)
Schweinfurt Zum Job 
Brandenburgischer Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen-Firmenlogo
Ingenieur/in (m/w/d), mit Schwerpunkt Tiefbau, für den Landesbau Brandenburgischer Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen
Frankfurt (Oder) oder Potsdam Zum Job 
NORDEX GROUP-Firmenlogo
BOP (Balance of Plant) Electrical Engineer (m/w/d) NORDEX GROUP
Hamburg Zum Job 
Hochschule Anhalt-Firmenlogo
Professur Medizintechnik Hochschule Anhalt
Köthen Zum Job 
Westfälische Hochschule-Firmenlogo
Professur Künstliche Intelligenz und Industrielle Automation (W2) Westfälische Hochschule
Gelsenkirchen Zum Job 
Leibniz Universität Hannover-Firmenlogo
Universitätsprofessur für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik Leibniz Universität Hannover
Hannover Zum Job 
Fachhochschule Münster-Firmenlogo
Ingenieur*in (TGA) im Labor Gebäudetechnik (w/m/d) Fachhochschule Münster
Steinfurt Zum Job 
Hochschule Fulda-Firmenlogo
Professur (W2) Angewandte Biotechnologie insbes. Zellkulturtechnik Hochschule Fulda
Justus-Liebig-Universität Gießen-Firmenlogo
Ingenieur/in oder staatl. gepr. Techniker/in Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik oder Meister/in im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk (m/w/d) Justus-Liebig-Universität Gießen
Gießen Zum Job 

 

2. Wie immer in solch komplexen Fällen, müssen Sie sich fragen, ob Machtpolitik im Spiel ist. Ich glaube, das ist hier gegeben.

So dürfte es dem Betriebsrat, der vermutlich auch weiß, dass jener Mitarbeiter leistungsschwach ist, kaum vorrangig darum gehen, dessen Haut zu retten. Das spielt zwar auch immer eine Rolle, denn so etwas eignet sich gut als – legitimes – Signal an die Wähler des BR: So gut und energisch vertreten wir im Ernstfall auch eure Interessen.

Aber ich glaube, das allein erklärt es nicht. Sehen Sie, weiter oben schreiben Sie im Zusammenhang mit Ihrem Vorgesetzten: „Die Angst vor dem Betriebsrat scheint sehr groß zu sein.“ Das Vorgehen gegen Sie eignet sich doch vorzüglich als Signal des Betriebsrats an das Management Ihres Hauses, die vom BR vertretenen Interessen in jedem Fall sehr, sehr ernst zu nehmen. Sie sehen ja: Es wirkt. Das ist übrigens eine ganz normale Situation in jedem Machtpoker, ob es nun um eine Regierungskoalition, um Tarifverhandlungen oder um die „Zusammenarbeit“ zwischen Management und Belegschaftsvertretung geht. Ich kritisiere das nicht, die Dinge sind einfach so, sie entwickeln sich – in manchen Firmen mehr, in anderen weniger – aus den gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen und aus menschlichen Denk- und Handlungsritualen heraus.

Das könnte der Grund sein, warum Sie jetzt mit Ihrem speziellen Deeskalationsversuch gegen eine Wand laufen.

 

3. Entweder boten Sie sich als „Exempel“, das gern einmal statuiert wird, gerade zufällig an oder Sie waren schon länger „im Fokus“ des BR. Mich beunruhigt Ihre eigene Formulierung: „Es wurden andere Beschwerden von Mitarbeitern beim Betriebsrat herangezogen, die bestätigen sollen, …“ Also gab es schon mehrere Beschwerden von einzelnen Mitarbeitern von Ihnen beim BR? Das wäre sehr kritisch!

Nur einmal zur Richtigstellung: Der BR ist keine Beschwerdestelle für Mitarbeiter in Sachen „mein Chef macht etwas falsch“ – man nennt es nur volkstümlich so. Der BR vertritt die Interessen der Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber, er setzt sich dort für sie ein. Eine richtige „Beschwerde“ über Sie müsste an Ihren Chef oder den Geschäftsführer gerichtet werden. Aber an der Sache ändert das nichts.Was aber erwartet eine Unternehmensleitung von einem Abteilungsleiter? Dass er die ihm anvertrauten Mitarbeiter zu hohen Leistungen führt, dass er sie motiviert, begeistert und dass er dabei möglichst wenig Geld ausgibt. Ja, er muss auch Faule antreiben, Nachlässige kontrollieren, sich gegen Unwillige durchsetzen. Und nein, diese seine Abteilung ist kein Mädchenpensionat, mit Friede, Freude, Eierkuchen allein geht das alles nicht. Der Wettbewerb im Markt ist hart, die Aktionäre wollen Geld sehen, die Muttergesellschaft jenseits großer Teiche will auch so Verschiedenes, der Druck ist groß.

Was der Abteilungsleiter somit zu tun hat, ist kein Zuckerschlecken. Vor allem ist es ein Balanceakt: Ist er gegenüber den Mitarbeitern zu „weich“, murrt die Unternehmensleitung. Erreicht er seine Ziele nicht, murrt sie auch, ob er nun „weich“ ist oder nicht. „Balanceakt“ aber heißt, von ihm wird – unausgesprochen – erwartet, dass er dies alles schafft, ohne dass er „Ärger macht“. Nein die Mitarbeiter müssen ihren Chef nicht lieben, er muss sie auch nicht glücklich machen. So etwas steht in keinem Arbeitsvertrag. Sagen wir es einmal so: Er soll die entsprechende „Schraube“ schon recht fest anziehen. Aber wenn er sie zu fest dreht – dann gibt es jenen „Knack“, der dem Fachmann verrät, nun war es zu viel für die Schraube. Und dann gibt es Ärger. Viel mehr Ärger als wenn er die Schraube etwas vorsichtiger festgedreht hätte. „Knack“ ist, wenn die Mitarbeiter anfangen, sich zu beschweren, wo auch immer (verzeihen Sie mir diese arg volkstümliche Formulierung, aber sie prägt sich halt potenziellen Nachahmern so schön ein).

Wenn die Schraube erst gerissen ist, dann würdigen die Chefs auch nicht mehr, dass der „Monteur“ ja nur die besten Absichten hatte, dann murren sie.

 

4. Jetzt haben Sie Ärger gemacht – nicht vorrangig dem Betriebsrat, sondern auf Umwegen Ihren Chefs. Ihr Bereichsleiter beginnt sich zu distanzieren – und Ihr Geschäftsführer sagt auch nur etwas Nettes zu Ihrem Chef, schafft aber das Problem nicht aus der Welt (was er irgendwie könnte, wenn er es denn für angebracht hielte).

 

5. Wie fast immer, wenn jemand in der „Schusslinie“ steht, findet man Fehler in seinem Verhalten. Ihre Anordnung, dieser Mitarbeiter solle sich abmelden, wenn er das Werksgelände verlässt, ist ein solcher katastrophaler Fehler. Die Sache selbst ist ganz vernünftig – aber sie muss für alle Mitarbeiter des Hauses gelten oder für alle nicht (das liegt in der Hand der Geschäftsführung).

Aber alle anderen Angestellten scheinen dort gehen zu können, wohin und wann sie wollen – und Sie haben gegen einen Leistungsschwachen (dem Sie vermutlich noch nicht einmal etwas so richtig konkret nachweisen können) als „Strafe“ eine tatsächlich diskriminierende Abmeldepflicht verhängt. Für Menschen, die Ihnen irgendetwas vorwerfen möchten (warum auch immer), ist das etwas, das man eine „Steilvorlage“ nennt.

 

6. Sie sind jetzt schon psychisch angeschlagen – und haben in der Sache noch nichts erreicht. Die Angelegenheit kann aber durchaus weiter eskalieren.

So langsam müssen Sie der Tatsache ins Auge sehen, dass eine Gefährdung Ihrer Person (unerträgliche Belastung, Krankheit) oder Position(!) nicht mehr auszuschließen ist. Ihr Bereichsleiter hält sich jetzt schon zurück, der Geschäftsführer steht hinter Ihnen, wenn es niemand sieht. Wenn der Ärger zunimmt, werden Sie Ihren Chefs irgendwann lästig, Sie werden „Sand im Getriebe“ (fachliche Tüchtigkeit hin oder her).

Ob Sie im Kern der Angelegenheit im Recht sind, wird mehr und mehr uninteressant, man wird „höheren Orts“ zu dem Schluss kommen, Sie hätten Fehler begangen, seien überfordert oder hätten sonst wie Kritik verdient. Das wird nicht direkt zu Ihrer Entlassung führen, aber es könnte durchaus Ihre Karriere beeinträchtigen.

 

7. Als Strategie für Sie empfehlen sich:- die Erkenntnis, dass die Sache längst aus dem Ruder gelaufen ist, dass Ihnen die Geschichte über den Kopf wächst und dass Sie im Augenblick nicht mehr gewinnen können. Ihr Ursprungsziel, diesen leistungsschwachen, vermutlich auch noch renitenten Mitarbeiter umzuerziehen oder loszuwerden (wie viele Jahre sind Sie eigentlich schon sein Chef?), müssen Sie erst einmal aufgeben, Ihre „Eigensicherung“ hat jetzt Vorrang.

– die Weiterführung Ihres wichtigen Ansatzes „Deeskalation“ – aber mit dem Ziel, selbst aus der Schusslinie zu kommen. Alles, was Sie jetzt tun, muss vorrangig einen guten Eindruck machen und unangreifbar sein. Ob es in der Ursprungsangelegenheit (Verbesserung der Leistungsstärke dieses Mitarbeiters) hilft, ist nicht mehr wichtig. Ziehen Sie alles zurück, was diesen Mann (um den es gar nicht mehr geht) und den Betriebsrat ärgern könnte und ergreifen Sie Maßnahmen, die aussehen, als würden sie jenem Mitarbeiter helfen. Wie können Sie ihn unterstützen, wie können Sie seine schier unmenschliche Aufgabenfülle reduzieren, wie können Sie erreichen, dass ihm geholfen wird? Natürlich mit dem Ziel, sein Leistungsvermögen zu steigern (woran wir beide nicht glauben, aber es klingt gut).

– derzeit nicht auf den BR zuzugehen. Dessen Verhalten (er verweigert sich) zeigt, dass auch er weiß, dass es um die Sache gar nicht mehr geht. Man will „mehr“ – was immer das ist (den Kopf eines Leiters?).

– die Absicherung bei Ihrem Chef. Erläutern Sie ihm Ihr neues Vorgehen, räumen Sie bisherige Ungeschicklichkeiten ein, versichern Sie, alles tun zu wollen, um seinen Bereich (darum geht es) aus der „Schusslinie“ herauszuholen.

– als langfristige Strategie der Versuch, diesen Mitarbeiter loszuwerden. Daran muss das gesamte Management interessiert sein. Aber nicht jetzt und nicht über eine Entlassung. Es gibt andere Wege, die irgendjemand im Hause schon kennen wird (vielleicht der Personalleiter).

 

8. Fazit: Ich glaube schon, dass Sie am Anfang der Geschichte grundsätzlich recht hatten und das Richtige wollten. Aber dann haben Sie Fehler gemacht und Schwächen gezeigt („andere Beschwerden von Mitarbeitern“ über Sie). Die Sache ist Ihnen über den Kopf gewachsen – genau den müssen Sie jetzt in Sicherheit bringen.

Kurzantwort:

Wenn es irgendwo „knirscht“, könnte es vor allem um Machtpolitik, um taktisch trickreiches Vorgehen anderer oder um eigene Fehler gehen. Gelegentlich (eher selten) geht es sogar um „die Sache“.

Frage-Nr.: 2561
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 21
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2012-05-24

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.